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Kloster-Blüten – Im Garten des Heiligen

Franziskusgarten in Bad Saulgau

Im Gartenhaus oben links im Bild treffen sich die Franziskanerinnen zur Gruppenarbeit.

MEIN LÄNDLE / Dorothee Hartmann

Im Gartenhaus oben links im Bild treffen sich die Franziskanerinnen zur Gruppenarbeit.

Schwester Susanne kennt sie alle. Ob lebhafte Schulklassen oder Busladungen von älteren Herrschaften, die Franziskanerin führt die unterschiedlichsten Gruppen durch den Garten, hält sie zusammen und vermittelt ihnen die Idee, die hinter der Anlage steht. „Am Anfang sind sie alle noch enorm unruhig. Aber bis wir die Serpentinen hinuntergegangen sind, hat sie die Ruhe hier angesteckt“, sagt sie. Es ist die Lage des Gartens, die einen Serpentinenweg ermöglicht hat. Der Einstieg in das Gelände liegt kurz vor dem Einfahrtstor ins innere Areal des Klosters Sießen bei Bad Saulgau. Von hier aus kann man weit ins Land sehen. Früher blickte man über eine Obstbaumwiese.

Um die Jahrtausendwende suchten die Franziskanerinnen nach einer Möglichkeit, Menschen anzuziehen, die von sich aus keinen Zugang zur Kirche haben. „Wir liegen ja etwas in der Pampa“, gibt Schwester Susanne lächelnd zu. Und so kam die Idee auf, einen Garten zu schaffen, der dem Sonnengesang des heiligen Franziskus folgt. Er ist ein Gebet des Danks für die Schöpfung, für Mutter Erde, Schwester Wasser, Bruder Tod. „Wir ­haben aufgenommen, was die Natur uns angeboten hat, und nur wenig eingegriffen“, berichtet Schwester Susanne. Zur Vorbereitung des Bodens wurde ein Drittel Humus abgetragen und gesandet. Nach der Aussaat einer Mischung aus Wiesenblumen ließ man der Natur ihren Lauf. Es wird weder gegossen noch gedüngt, es wächst, was kommt. Nur die einzelnen Stationen, die den Sonnengesang anschaulich umsetzen, sind bewusst gestaltet.

Hinter dem gepflegten Kräutergarten liegt das Imkerhaus der Franziskanerinnen.

MEIN LÄNDLE / Dorothee Hartmann

Hinter dem gepflegten Kräutergarten liegt das Imkerhaus der Franziskanerinnen.
Kloster Sießen ist Mutterhaus des Ordens

MEIN LÄNDLE / Dorothee Hartmann

Kloster Sießen ist Mutterhaus des Ordens
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Verschlungene Pfade

Seit seiner Eröffnung im Jahr 2004 zieht der Garten nun Besucher aus allen Regionen des Landes an. Zugleich dient er als Ruheort der Schwestern, die nach Jahren sozialer Arbeit in der weiten Welt ihren Lebensabend hier verbringen. Am Fuß des Serpentinenwegs, der gesäumt ist von Tausenden Wildblumen und -kräutern, steht auf einer ausladenden Wiesenfläche ein sehr markanter Baum, eine Ulme. Die Bank darunter ist häufig besetzt. Wer sich hier niederlässt, schaut auf spiralförmig im Wiesenboden verlegte Trittsteine. Sie symbolisieren, dass es im Leben keinen geraden Weg gibt, dass man auch auf Umwegen zum Ziel kommt und immer wieder neue Ansatzpunkte findet.

Der Sonnengesang des heiligen Franziskus (Auszug)

Höchster, allmächtiger, guter Herr, dein sind das Lob, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen. Dir allein, ­Höchster, gebühren sie und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen …

Gelobt seist du, mein Herr, mit ­allen ­deinen Geschöpfen, besonders dem Herrn Bruder Sonne, der uns den Tag schenkt und durch den du uns ­leuchtest. Und schön ist er und ­strahlend in großem Glanz: von dir, Höchster, ein Sinnbild …

Gelobt seist du, mein Herr, für ­Schwester Wasser. Sehr nützlich ist sie und demütig und kostbar und keusch …

Gelobt seist du, mein Herr, für ­unsere Schwester, Mutter Erde, die uns ­erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt, mit bunten Blumen und Kräutern …

Lobt und preist meinen Herrn und dankt und dient ihm mit großer Demut.

Beginnt man den Rundgang gegen den Uhrzeigersinn, führt der Weg nach rechts an einem kleinen Wasserlauf vorbei, der unter Bäumen munter über die Steine springt. Es duftet nach geschnittenem Gras, in einiger Entfernung sind zwei Schwestern mit dem Mähen beschäftigt und transportieren das Schnittgut in einer Schubkarre ab. Von Weitem sehen die beiden mit ihren großen Strohhüten und den grünen Gärtnerschürzen aus wie einem impressionistischen Gemälde entsprungen. „Die Mahd haben wir zunächst an unsere Kühe verfüttert, aber viele Wiesenblumen haben harte Stängel, und die mögen die Kühe nicht. Jetzt kommt das Gras in ein Silo oder eine Biogasanlage“, erklärt Schwester Susanne. Diese Mischung aus zupackender Tüchtigkeit und offenbar der Zeit entrückter Stimmung scheint sich durch das ganze Kloster zu ziehen und hat ihre eigene Faszination.

Schwester Susanne führt Besuchergruppen durch den Garten.

MEIN LÄNDLE / Dorothee Hartmann

Schwester Susanne führt Besuchergruppen durch den Garten.
Wie ein impressionistisches Gemälde – zwei Schwestern bei der Gartenarbeit im Franziskusgarten.

MEIN LÄNDLE / Dorothee Hartmann

Wie ein impressionistisches Gemälde – zwei Schwestern bei der Gartenarbeit im Franziskusgarten.
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Bruder Tod

Weiter geht es auf dem Rundweg. Am Wegrand ist eine Sonnenuhr angelegt. Wenn man sich mittig neben den jeweiligen Monat stellt, zeigt der Schatten auf die Uhrzeit, erläutert ein Schild. Während der Sommerzeit muss man eine Stunde dazurechnen. Zu den eindrücklichsten Stationen gehört, schattig unter Bäumen gelegen, ein dunkler Eingang zwischen Betonwänden, wie der Zugang zu einer Grabstätte: Bruder Tod aus dem Sonnengesang. Ein paar Schritte weiter lädt eine Bank zum Verweilen ein. „Häufig haben Besucher den Wunsch nach einem Gespräch, wenn sie hier vorbeigekommen sind. Dann setzen wir uns auf die Bank und reden – oder schweigen gemeinsam“, sagt Schwester Susanne. Nach kurzer Besinnung wird es aber gleich wieder heiter, denn nun erreichen wir Kräutergarten und Bienenhaus. Die Schwestern pflegen ihre eigenen Völker und verarbeiten den Honig für den Eigenbedarf. Die Ernte aus dem Kräutergarten wird getrocknet und wandert in die Küche oder dient der Herstellung von Kräuterteemischungen.

Tausende wilde Wiesenblumen blühen im Franziskusgarten.

MEIN LÄNDLE / Dorothee Hartmann

Tausende wilde Wiesenblumen blühen im Franziskusgarten.
Einmal ausgesät, dürfen die Wildblumen frei wachsen, ohne Eingriff eines Gärtners.

MEIN LÄNDLE / Dorothee Hartmann

Einmal ausgesät, dürfen die Wildblumen frei wachsen, ohne Eingriff eines Gärtners.
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Das Vermächtnis der Schwester M. Innocentia

Wasser belebt jeden Garten. Im Franziskusgarten ist es ein Weiher mit See­rosen, eingefasst von Lilien und Röhricht. In der Mitte dreht sich ein schmaler zweiarmiger Wasserspeier, der elegante Wasserbögen in die Luft zeichnet. Eine der Schwestern hat sich mit einem Buch auf die Bank am Steg gesetzt. Wie selbstverständlich lenken die Besucher ihre Schritte so, dass sie die Lesende nicht stören. Sie folgen dem Weg zu einem gepflasterten Platz mit ­einer kleinen Kapelle. Hier wird von Zeit zu Zeit ein Feuer angezündet, um das sich Schwestern und Besucher versammeln können.

Das Labyrinth im Rasen erinnert an das der Kathedrale in Chartres – ein Symbol dafür, dass kein Lebensweg gerade verläuft.

MEIN LÄNDLE / Dorothee Hartmann

Das Labyrinth im Rasen erinnert an das der Kathedrale in Chartres – ein Symbol dafür, dass kein Lebensweg gerade verläuft.

Für Gruppenarbeit und die Helfer haben die Franziskanerinnen ein Gartenhaus mit mehreren Räumen und einer Kaffeeküche integriert. Bei gutem Wetter können sie ihre Arbeit auf die Terrasse verlagern. Auf dem Weg zurück zum Eingang passiert man noch das Geräte­haus, an dessen Seiten Wiesenblumen blühen. Der Kreis schließt sich vor dem Serpentinenweg. Es fällt beinahe schwer, den Garten zu verlassen, obwohl das Klostercafé mit Kuchen und kleinen Speisen lockt und der Hummelsaal besucht werden will. Er hat seinen Namen von Schwester M. ­Innocentia, die von 1931 bis zu ihrem frühen Tod 1946 im Kloster Sießen lebte. Sie hieß mit bürgerlichem Namen Berta Hummel. Von ihr stammen die Kinderdarstellungen, die als Vorlage für die berühmten Hummelfiguren dienten. In einer Dauerausstellung sind diese Zeichnungen, aber auch Aquarelle, Porträts und religiöse Motive zu sehen. Doch dem Einfluss des Gartens kann man sich nicht so leicht entziehen. Der Rückweg die Serpentinen hinauf ist wie eine Rückkehr aus einer stillen Welt in den Alltag. Schwester ­Susanne kennt auch diesen Effekt.

Franziskusgarten

Franziskanerinnen von Sießen
Kloster Sießen 3
88348 Bad Saulgau
Telefon: 07581 800
www.klostersiessen.de

Öffnungszeiten
15. April – 31. Oktober, täglich 10–19.30 Uhr,
Juni – August, donnerstags zusätzlich bis 20.30 Uhr;
der Eintritt ist frei. Führungen sind auf Anfrage möglich.