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Eine Gartenreise nach damals

Meisterhaft ausge-heckt

Allee zum Schloss Hohenstadt

Mein Ländle / Heckengarten / Schloss Hohenstadt

Allee zum Schloss Hohenstadt

Idyllisch gelegen in Abtsgmünd-Hohenstadt, wirkt Europas größter und ältester Heckengarten zu jeder Jahreszeit einzigartig. Wenn diese Bäume reden könnten …

Gleich hinterm Drehkreuz beginnt eine andere Welt. Wer sein Auto auf einem der Parkplätze in Schlossnähe abstellt, hat es nicht weit bis zum Münzschlitz – und dann beginnt eine Zeitreise. Wer den Heckengarten gegenüber dem Schloss Hohenstadt betritt, lässt Alltag samt Auto hinter sich. Hier kann er einer Welt nachspüren, in der Damen in langen Gewändern und Herren in Frack und Zylinder über die Wege flanierten. Der Otto-Normal-Bürger wandelt zwar in Jeans und dicker Daunenjacke auf ihren Spuren, aber der Zauber, der von diesem ganz besonderen Garten ausgeht, ist immer noch spürbar. Anne Gräfin Adelmann, die Hausherrin, führt heute selbst durch ihr 1,6 Hektar großes Areal und gibt unumwunden zu: „Ich liebe alles hier – jedes Fleckchen.“ Im Winter gibt es für gewöhnlich wenig Besucher und in früheren Zeiten war der Garten für die Öffentlichkeit gar nicht zugänglich. Allerdings schlich sich doch so mancher Dorfbewohner heimlich über die Mauer. Ob er hinter dem Gemüse her war? Im Eingangsbereich gab es früher auf der rechten und linken Seite je einen Gemüsegarten.

Arbeit macht so ein großer Garten natürlich, und Zeit zur Muße ist selten, trotzdem: Anne Gräfin Adelmann liebt hier jedes Fleckchen.

Mein Ländle / Heckengarten / Maren Moster

Arbeit macht so ein großer Garten natürlich, und Zeit zur Muße ist selten, trotzdem: Anne Gräfin Adelmann liebt hier jedes Fleckchen.

Joseph Anselm Adelmann war es, der im Jahr 1756 diesen Schlossgarten neu anlegen ließ – und zwar auf der Höhe der Zeit, im französischen Stil. Der Barockgarten hat nämlich seine Ursprünge im Frankreich des 17. Jahrhunderts: Der Sonnenkönig Ludwig XIV. hatte den Gartenarchitekten André Le Nôtre (1613–1700) mit der Gestaltung des berühmten Parks von Schloss Versailles beauftragt. Er wurde zum Vorbild für ganz Europa und gilt bis heute als der Barockgarten par excellence. Die formale Strenge ist sein wohl auffälligstes Merkmal. Tausende von akkurat geschnittenen Büschen und Bäumen formen Wände, Türen und Fenster, die gewissermaßen eine Wohnung unter freiem Himmel bilden. Das Ziel der Gartenarchitekten im Barockzeitalter war ein Gesamtkunstwerk. Es sollte für Zerstreuung sorgen und dem Adel Unterhaltung bieten.

Im hinteren Teil des Gartens gedeihen etliche Rosenarten. Das Lusthaus, das sich dort befindet, wurde nach einem Versailler Vorbild errichtet – mit Empore und Deckengemälde.

Mein Ländle / Heckengarten / Maren Moster

Im hinteren Teil des Gartens gedeihen etliche Rosenarten. Das Lusthaus, das sich dort befindet, wurde nach einem Versailler Vorbild errichtet – mit Empore und Deckengemälde.

Auch in Hohenstadt wurde seinerzeit ein sogenanntes Lusthaus gebaut. Der lang gezogene Kiesweg führt geradewegs darauf zu. Auf dem Weg dorthin passieren wir eine Lindenhecke, unter der im Vorfrühling unzählige Schneeglöckchen ihre naseweisen Köpfe hervorstrecken. Auffallend sind auch die wunderschönen Buchsformationen – natürlich ordentlich geschnitten. Anne Gräfin Adelmann zeigt auf mehrere besonders prächtige Exemplare nahe dem Eingang und sagt: „Die hier wurden 1780 gepflanzt.“ Ob sie keine Probleme mit dem Buchsbaumzünsler hat? Die Gräfin bejaht. „Wir spritzen biologische Mittel, stellen Fallen auf und hoffen, so dem Problem Herr zu werden.“ 1983, lange vor dem Zünsler, mussten schon etliche Buchshecken erneuert werden. Deshalb entdeckt man beim genauen Hinsehen das unterschiedliche Grün.

Im hinteren Teil des Gartens gedeihen etliche Rosenarten. Das Lusthaus, das sich dort befindet, wurde nach einem Versailler Vorbild errichtet – mit Empore und Deckengemälde.

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Im hinteren Teil des Gartens gedeihen etliche Rosenarten. Das Lusthaus, das sich dortbefindet, wurde nach einem Versailler Vorbild errichtet – mit Empore und Deckengemälde.

Mammutaufgaben und Mammutbäume

Ob mit oder ohne Zünslerbefall, fest steht, dass ein derart großer Garten viel Liebe und Leidenschaft braucht und Zeit und Geld kostet. Da ist der Eintritt von zwei Euro ein bescheidener Tropfen auf den heißen Stein, weshalb der Graf auch selbst mit anpackt. „Mein Mann übernimmt zu 80 Prozent die Gartenarbeit, ich kämpfe gegen das Unkraut und beschäftige mich mit den Rosen“, sagt die Gräfin und Mutter dreier Kinder (sechs Monate, drei und sechs Jahre). Wie es sich für einen Barockgarten gehört, gibt es auch hier mehrere Irrgärten und Laubengänge. Stolz zeigt die Gräfin auf einen, den ihr Mann gerade wieder herrichtet. Er beginnt hinter einem rund 20 Meter hohen Mammutbaum aus dem 19. Jahrhundert, ein Geschenk König Wilhelms I. von Württemberg. Auf den ersten Blick ungewöhnlich für die Gegend, aber der Regent hatte anno 1864 sehr viele Mammutbaumsamen von Amerika importiert. Die große Menge soll allerdings auf ein Missverständnis zurückgehen. Der naturverbundene König wollte nämlich „ein Löt Samen“, etwa eine Menge von 15 Gramm, was die Amerikaner mit „a lot“ übersetzten und deshalb gleich ein ganzes Pfund schickten. Das waren sage und schreibe 100 000 Samen. Die Hofgärtner in der Stuttgarter Wilhelma zogen die winzigen Mammutbäume jedenfalls groß. Einer von ihnen fühlt sich seit über 150 Jahren hier im Garten in Hohenstadt wohl, zu seinen Füßen Hainbuchenhecken mit ausgeschnittenen „Fenstern“ und „Türen“, Steinskulpturen und ein leicht bemooster Springbrunnen, den im Frühling Wildtulpen, Narzissen und Hyazinthen umsäumen.

Der gräfliche Garten in Hohenstadt wirkt zu allen Jahreszeiten einzigartig und schickt die Fantasie auf Zeitreise.

Mein Ländle / Heckengarten / Schloss Hohenstadt

Der gräfliche Garten in Hohenstadt wirkt zu allen Jahreszeiten einzigartig und schickt die Fantasie auf Zeitreise.
Der gräfliche Garten in Hohenstadt wirkt zu allen Jahreszeiten einzigartig und schickt die Fantasie auf Zeitreise.

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Der gräfliche Garten in Hohenstadt wirkt zu allen Jahreszeiten einzigartig und schickt die Fantasie auf Zeitreise.
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Anne Gräfin Adelmann öffnet die Tür zum Lusthaus. Im Jahr 1760 am Ende des Gartens gleich zweistöckig erbaut, eröffnet es einen wunderbaren Blick über das Kochertal. Es diente als Rückzugsort, vielleicht ein bisschen wie ein Gartenhaus oder eine Laube für heutige Gartenbesitzer. Mit seiner Empore samt Deckengemälde ahmte das Lusthaus ein Vorbild aus Versailles nach. Dieser hintere Gartenbereich mutet jedoch eher englisch als französisch an, denn der formale Schlossgarten geht behutsam in einen Landschaftspark nach englischem Vorbild über, eine beeindruckende Synthese. In einem typischen englischen Garten gibt es wenige Blühpflanzen. Pfingstrosen und historische Rosenarten, die ein besonderes Flair versprühen, sind hingegen „erlaubt“. Über 800 Rosensorten, darunter etliche historische, fühlen sich bei den Adelmanns wohl. „Früher gab es wohl auch einige Zitrusbäumchen, die im Gewächshaus überwintert haben“, sagt die junge Gräfin. Das befindet sich allerdings in schlechtem Zustand und muss deshalb vorerst geschlossen bleiben. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt. Wer sich auf den Rückweg zum Parkplatz macht, sollte kurz innehalten, einen Blick zurückwerfen auf die Hainbuchen- und Buchsbaumhecken und sie noch einmal auf sich wirken lassen – und dann erst durch das Drehkreuz gehen, zurück ins Hier und Jetzt.

Buchen und besuchen

Führungen durch Schloss und Garten übernimmt Anne Gräfin Adelmann gerne nach Vereinbarung, sodass Besucher einen sehr persönlichen Einblick in die Geschichte des Schlosses und der Familie erhalten.

Das Lusthaus ist in Abstimmung mit der Gemeinde für standesamtliche Hochzeiten buchbar, der Schlossgarten auch für Veranstaltungen unter freiem Himmel.

Zu den fixen Terminen gehören die Haus- und Gartenausstellung, immer Ende Mai, sowie die „Kreative Kunst und LebensArt“, eine Kunstgewerbeausstellung Anfang November. Außerdem finden das ganze Jahr über Konzerte statt. Da sich die Coronaverordnungen immer wieder ändern, empfiehlt sich vorab ein Blick auf die Homepage.

Anne Gräfin Adelmann
Eventplanung
Schloss Hohenstadt
Amtsgasse 10
73453 Abtsgmünd-Hohenstadt
Telefon: 07366 9649527
www.grafadelmann.de