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Rettet die Reben

Museumswengert in Kernen-Stetten

Luftaufnahme des Museumswengert

MEIN LÄNDLE / AdobeStock / Manuel Schoenfeld

Luftaufnahme des Museumswengert

Das Ergebnis kann man sogar trinken. Mein Ländle-Wein­kolumnistin Natalie Lumpp war im „Museumswengert“ in Stetten.

Ohne Herzblut wäre das nicht möglich gewesen: Mauern ohne Mörtel, am Steilhang zwischen Brombeerbewuchs und hartem Stein – der umtriebige Stettener Ebbe Kögel, der Verein Allmende und Jochen Beurer vom gleichnamigen Weingut in Stetten haben alles gegeben und einen Traum wahr gemacht. Bedeutsam ist das deshalb, weil sich unterhalb der Yburg in Kernen-Stetten die letzte im Remstal verbliebene Terrassensteillage befindet. Um die Burg herum haben sie aufwendig Trockenmauern restauriert und Unkrautbewuchs gerodet. Es war wirklich eine unglaubliche Aufgabe.

Die Mauern werden ohne Mörtel gebaut und bieten Lebensraum für eine reiche Flora und Fauna – das heißt aber auch, die Steine müssen so behauen werden, dass sie perfekt aufeinanderpassen. Und alles soll bis in die Ewigkeit halten. Das braucht Übung. So kam es, dass sich viele engagierte Bürger der Region zusammentaten und anpackten.

Der „Museumswengert“ bietet jede Menge Interessantes

MEIN LÄNDLE / Allmende Stetten

Der „Museumswengert“ bietet jede Menge Interessantes

Reben aus dem Mittelalter

Wiederum gemeinsam wurde ausgetüftelt, dass man hier alte Rebsorten pflanzen könnte. Aus dem Mittelalter sollten sie sein. Christine Krämer, Weinfachfrau und Historikerin in Stuttgart, schrieb zu dieser Zeit gerade ihre Doktorarbeit über mittelalterliche Rebsorten, Andreas Jung, Wissenschaftler für alte Reben, suchte nach Rebstöcken, die eigentlich als ausgestorben gelten. Auch Dr. Bernd Hill von der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg ließ es sich nicht nehmen, außergewöhnliche Rebstöcke beizusteuern. So wurde 2009 also gemeinsam ein Herzensprojekt verwirklicht, das tatsächlich einzigartig ist in Deutschland. Mittlerweile stehen hier 25 alte, zum Teil vergessene Rebsorten.

Jochen Beurer und seine Mitstreiter ließen nicht locker, bis die alten, fast vergessenen Rebsorten in der Erde waren.

MEIN LÄNDLE / Weingut Beurer

Jochen Beurer und seine Mitstreiter ließen nicht locker, bis die alten, fast vergessenen Rebsorten in der Erde waren.

Noch nie gehört, noch nie getrunken

Ist es nicht spannend, dass man aus heutigen Reben eine Art gentechnischen Fingerabdruck nehmen kann? So wissen wir mittlerweile, dass der sogenannte Heunisch bei über 80 Sorten seine Finger im Spiel hatte, beispielsweise bei Riesling, Chardonnay oder Lemberger. Anzutreffen ist er heute aber kaum mehr. Neben Klassikern wie Gewürztraminer, Gelber Orleans, Portugieser und Roter Veltliner gibt es noch viele andere fast ausgestorbene Sorten, wie Fütterer, Putzscheere und Blauer Hängling.

Sie wieder in Kultur zu bringen, lässt sich nur mit dem passenden Winzer bewerkstelligen. Ein Laie kann sich kaum vorstellen, welcher Aufwand es allein schon bedeutet, auch nur Genehmigungen für diese teilweise fast nicht mehr existierenden Rebsorten zu bekommen. Eigentlich gehört Jochen Beurer mit ­seiner Familie an dieser Stelle ein Oscar verliehen.

Kostproben

Der 2016er „Rettet die Reben“ präsentiert sich gerade verführerisch weich, mit feinen Aromen von Karamell, Honig und Ahornsirup. Am Gaumen schmeichelt seine fast sahnige Struktur.

Der 2018er „Rettet die Reben“ zeigt sich in sattem Gold mit ­Bronzereflexen, im ersten Duft ist er noch von der Hefe geprägt. Dann kommen Aromen von Boskop-Apfel und Zimt durch. Am Gaumen macht er mit seiner kernigen Art Appetit zum Trinken. Obwohl er leicht wirkt, bleibt er noch lange im Nachhall und ent­wickelt am Gaumen eine beein­druckende Tiefe.

Weingut und Spezialitätenbrennerei Beurer
Lange Straße 67
71394 Kernen-Stetten
Telefon: 07151 42190
www.weingut-beurer.de

Damit sie auch schnell tief wurzeln, setzte er die neuen Reben in die Begrünung. Im Handling ist das zunächst schwieriger, aber die Begrünung im Rebstück macht den Reben Konkurrenz. So müssen die Rebstöcke tief wurzeln, um an Wasser zu kommen, und je tiefer eine Rebe wurzelt – im Laufe der Jahrzehnte kann dies bis 20 Meter tief sein – desto mehr Extrakte und Vielschichtigkeit kann sie nachher in den Wein transportieren.

Mit dem Mond

Eine weitere Überlegung war, die Reben nicht am Drahtrahmen zu ziehen, wie wir es heute handhaben. Beurer und seine Mitstreiter entschieden sich für die alte Drei-Schenkel-Erziehung. Zum Reben­binden werden Weiden geschnitten und geteilt, was enorm viel Arbeit bedeutet. Im Herbst werden wie früher im Gemischten Satz alle Trauben zum gleichen Zeitpunkt gelesen. Für eine größere Aromenausbeute gönnt ­Jochen Beurer den Trauben eine Kaltmaische­standzeit von circa drei Tagen. Ausgebaut wird der Wein in einem 300-Liter-Fass aus Holz. Heraus kommen circa 400 Flaschen – das ist auch der einzige Wermutstropfen: Mehr gibt es nicht.

Die alte Terrassensteillage bietet Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen.

MEIN LÄNDLE / Allmende Stetten

Die alte Terrassensteillage bietet Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen.
Eine Wissenschaft für sich - das Bauen und Erhalten von Trockenmauern im Weinberg.

MEIN LÄNDLE / Allmende Stetten

Eine Wissenschaft für sich - das Bauen und Erhalten von Trockenmauern im Weinberg.
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Aus meiner Sicht ist der wichtigste Punkt aber, dass Jochen Beurer sich schon vor vielen Jahren für den biodynamischen Weinbau entschieden hat. So arbeitet er ganz mit der Natur und richtet sich mit dem Rebenschneiden und verschiedenen Arbeitsschritten nach den Mondphasen. Die Weine werden ohne Reinzuchthefen vergoren und reifen in Holzfässern. Er lässt seinen Weinen Zeit. Sie müssen nicht nach einem halben Jahr fruchtig und nett daherkommen, sondern präsentieren sich charaktervoll und sehr langlebig.

Im „Museumswengert“ spazieren inzwischen Hunderte von Menschen, sobald die Sonne scheint; der gemeinnützige Verein Allmende bietet Führungen und Events an. Auch für berühmte Leute wirkt dieses kleine Weinparadies wie ein Magnet. So ließ es sich der baden-­württembergische Umweltminister Franz Untersteller nicht nehmen, einen Rosenbusch zu setzen; andere Prominente haben einen Pfirsichbaum oder andere Bäume gepflanzt. – Ich kann Ihnen nur empfehlen: nächster Halt Yburg mit anschließender Weinprobe im Weingut Beurer.

„Rettet die Reben“

Der Verein Allmende Stetten hat in seinem Projekt Dorfgedächtnis einen Film über den Bau von Trockenmauern, über den „Museumswengert“ und alte Bewirtschaftungstechniken im Weinbau produziert.
DVD, 30 Min. Laufzeit, 30 Euro

Allmende Stetten e. V.
Heidenäcker 1
71394 Kernen-Stetten
Telefon: 07151 42866
info@allmende-stetten.de
www.allmende-stetten.de

Autorin Natalie Lumpp

Die Badenerin hat als Sommelière in renommierten Restaurants wie der Traube Tonbach in Baiersbronn den Gästen die besten Tropfen empfohlen und kredenzt. Heute ist sie als freie Weinberaterin tätig, sie schreibt Kolumnen und gibt ihr Wissen als Weinexpertin auch im Fernsehen weiter – und in Mein Ländle.