Der Wissenschaftspreis 2024 der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO) in der Deutschen Krebsgesellschaft geht an Christoph Heilig aus der Abteilung Translationale Medizinische Onkologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und am NCT Heidelberg. Der Arzt erhält die Auszeichnung für eine Publikation, die die Erkenntnisse eines interdisziplinären Teams zu einem kürzlich neu entdeckten Sarkomtyp vorstellt und Therapieoptionen aufzeigt.
Junge Menschen oft betroffen
Weichteilsarkome sind eine molekular heterogene Gruppe von Tumoren des Bindegewebes, die oft junge Menschen betreffen. Der klinische Verlauf variiert stark und reicht von langsam fortschreitend bis hin zu sehr aggressiv und metastasierend. Das Angebot an verfügbaren medikamentösen Therapien ist nicht zufriedenstellend: Die Standardtherapie für die meisten Sarkomtypen verwendet in der Erstlinie eine seit über 50 Jahren bekannte Substanz.
Extrem selten
Forschende am DKFZ und am NCT Heidelberg haben einen Sarkomsubtyp aus der Gruppe der Rhabdomyosarkome untersucht, bei dem das Gen TFCP2 mit zwei verschiedenen Partnergenen fusioniert ist. Diese 2018 erstmals beschriebene Tumorart betrifft vor allem jüngere Erwachsene und Kinder; nur ungefähr 50 Fälle wurden bislang beschrieben. Die meisten Patientinnen und Patienten verstarben trotz intensiver multimodaler Therapie.
Neue Therapieoptionen
In die Studie gingen molekulare Analysen von Tumorgewebe und klinische Verläufe von zwölf Patientinnen und Patienten sowie umfassende funktionelle Untersuchungen ein. Die Forschenden hatten die Patientinnen und Patienten in den Präzisionsonkologie-Programmen DKFZ/NCT/DKTK MASTER und INFORM identifiziert. Es zeigte sich, dass sich Rhabdomyosarkome mit TFCP2-Fusion eher undifferenzierten Sarkomen zuordnen lassen und spezifische molekulare Charakteristika besitzen, die neue Therapieoptionen jenseits von Chemotherapie aufzeigen. Es können beispielsweise bestimmte Inhibitoren als zielgerichtete Medikamente zum Einsatz kommen.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Eine besonders wichtige Rolle für den Erfolg der Studie spielen die standortübergreifende und interdisziplinäre Zusammenarbeit von Labor, Bioinformatik und Klinik. Christoph Heilig sagt: „Unsere Studie zeigt, dass wir Erkenntnisse über die Klassifizierung, Pathogenese und Therapie wenig erforschter, ultraseltener Entitäten generieren können, wenn wir klinische Präzisionsonkologie und präklinische Grundlagenforschung verknüpfen.“
Das Ergebnis der interdisziplinären Studie würdigt die jetzt verliehene Auszeichnung: Für die Arbeit zu Rhabdomyosarkomen mit TFCP2-Fusion hat die Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO) in der Deutschen Krebsgesellschaft ihren Wissenschaftspreis 2024 an Christoph Heilig vergeben.
Seltenheit erschwert Forschung
„Wir erforschen eine extrem seltene Erkrankung, die erst seit wenigen Jahren bekannt ist. Dass wir immerhin ein Dutzend Fälle gefunden haben, ist dem bundesweiten Netzwerk des DKFZ/NCT/DKTK MASTER Programms sowie den Kolleginnen und Kollegen aus dem INFORM Programm zu verdanken“, sagt Christoph Heilig. Seltene Krebserkrankungen machen gemeinsam ein Viertel aller Krebserkrankungen aus und betreffen damit eine große Zahl von Patientinnen und Patienten. Ihre relative Seltenheit bezogen auf eine Krebsart macht Forschung jedoch schwierig und verhindert oft, dass die Ergebnisse dieser Forschung in bessere Therapien umgesetzt werden.
Grundlagenforschung
Stefan Fröhling, Geschäftsführender Direktor am NCT Heidelberg und Leiter der Translationalen Medizinischen Onkologie am DKFZ, und Claudia Scholl, Leiterin der Angewandten Funktionellen Genomik am DKFZ, sind die hauptverantwortlichen Forschenden der Studie. Stefan Fröhling sagt: „Dieses Projekt ist ein herausragendes Beispiel für die ‚reverse translation‘, also den Weg von klinischen Beobachtungen in die Grundlagenforschung. Durch die molekulare Untersuchung von besonders schwer behandelbaren Sarkomerkrankungen in MASTER konnte Christoph Heilig Patienten mit dieser außergewöhnlichen Erkrankung identifizieren und ihre charakteristischen molekularen Profile beschreiben.“ Claudia Scholl ergänzt: „Anschließend hat er den Kontakt zu uns Laborwissenschaftlern und den Bioinformatikern gesucht, um die molekulare Pathogenese dieser Erkrankung zu untersuchen. Die Ergebnisse dieser präklinischen Arbeit können jetzt wieder in die Klinik zurückfließen und künftig dazu beitragen, die Behandlung dieser aggressiven Entität zu verbessern.“