Der Gemeinderat hat sich mit klarer Mehrheit für die Entwicklung der „Hinteren Mult“ als Gewerbegebiet ausgesprochen. Zuvor war ein Antrag der GAL-Fraktion zur Vertagung mit ähnlich deutlicher Mehrheit abgelehnt worden. Die Begründung: Es gibt seit Monaten keine neuen Erkenntnisse oder Argumente.
Man habe sich schon in Zeiten des OB-Wahlkampfes mit den gleichen Einwendungen befasst. Das sei ein Jahr her, so OB Manuel Just: „In meinen Augen sind die Argumente ausgetauscht.“ Die Kompromissbereitschaft bezeichnete er auf beiden Seiten als „überschaubar“. Das bestätigte Dr. Arnulf Tröscher (Verein Landerlebnis) im Gespräch mit der Weinheimer Woche nach der Abstimmung: „Wir sind kompromisslos. Einen Konsens hätten wir nicht mitgetragen.“ Auch etliche Gemeinderäte sahen diesen Umstand. Es war einer der Gründe, weswegen die GAL nur wenig Unterstützer für ihren Antrag auf Vertragung der Entscheidung erhielt. Uli Sckerls Verweis darauf, dass man es sich nicht leisten könne, die Gräben innerhalb der Stadtgesellschaft durch fehlende Bürgerbeteiligung außerhalb des formalen Prozesses sowie eine überstürzte Entscheidung vier Tage vor der Kommunalwahl weiter zu vertiefen, verhallte. Eine Entscheidung könne nicht abhängig sein von einem Wahltermin, konterte Holger Haring (CDU) und Dr. Günter Bäro (Freie Wähler) sah die Notwendigkeit einer Entscheidung, wenn es auch die zwischen „Baum und Borke“ sei. Sckerls Vorwurf des „Hauruckverfahrens“ ließ Wolfgang Metzeltin (SPD) nicht gelten: Der Entscheidung seien zwei Jahre intensive Befassung vorausgegangen, verwies er auf den 2017 gefassten Aufstellungsbeschluss zur „Hinteren Mult“.
Klare Position des OB
Manuel Just, an den Sckerl den Appell richtete, sich nicht hinter einer Gremiumsentscheidung zu verstecken, stattdessen selbst ins Gespräch mit den Menschen zu gehen und so die Chance zu nutzen, „die Stadtgesellschaft wieder zusammenzuführen“, sah die Zeit der Entscheidung reif. „Ich entziehe mich nicht der Verantwortung zu diesem Thema.“ Die „Hintere Mult“, so führte der OB in der Debatte selbst an, sei „gesetzt und alternativlos“. Er sah die Ausweisung auch vor dem Hintergrund des Flächenverbrauchs als vertretbar, denn von den laut Flächennutzungsplan ausgewiesenen 51,1 Hektar Gewerbefläche seien mit dem „Langmaasweg“ bisher lediglich 10 Hektar entwickelt worden. Allerdings machte Just auch klar, dass die Flächennutzung endlich sei und daher gut genutzt werden müsse. Das hieße für die „Hintere Mult“ die Schaffung möglichst vieler Arbeitsplätze. Holger Haring brachte dabei die Größenordnung „50 + x pro Hektar“ ins Spiel, was dem vom Gemeinderat erarbeiteten Gewerbekonzept entspräche. Um Spekulationskäufen vorzubeugen, wollte er eine entsprechende Baupflicht in einem vereinbarten Zeitraum in die Kaufverträge aufgenommen sehen. Die von der GAL geübte Kritik der fehlenden Nachhaltigkeit des Bebauungsplans nahm Constantin Görtz (SPD) mit dem Verweis auf eine Broschüre des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Wissenschaftsladens Bonn auf: Die darin enthaltenen Vorschläge seien teils auch für die „Hintere Mult“ interessant. Generell ginge es um eine überlegte und zukunftsorientierte Gewerbeentwicklung auch für die insgesamt 19 Interessenten, von denen 17 aus Weinheim stammen. Für speziell die darin eingeschlossenen Handwerksbetriebe sah Wolfgang Wetzel (FDP) Ansiedlungsmöglichkeiten im Gewerbegebiet „Langmaasweg“. Derweil kritisierte er den Bebauungsplan, der Verbesserungspotenzial biete und dem man seitens der FDP nicht zustimmen könne. So sei es etwa sinnvoll, im Bebauungsplan Branchen, die nur wenige Arbeitsplätze in Aussicht stellten wie etwa Logistik, auszuschließen
Zahlenspiele
Auch die Erlöse waren umstritten. Während Dr. Labudda (LINKE) in den kommenden Gewerbesteuereinnahmen, die seitens der Verwaltung nach Erfahrungswerten auf ca. 1 Mio. Euro geschätzt werden, eine Teilfinanzierung der städtischen Infrastruktur sah, war Dr. Michael Lehner (Weinheimer Liste) der Meinung, dass die Mehrerlöse dem Haushalt Weinheims nicht wirklich weiterhelfen werden. Die Verwaltung rechnet neben der Gewerbesteuer mit weiteren Einnahmen aus etwa Grundstücksverkäufen. Aufgerechnet gegen die Entwicklungskosten von 7 Mio. Euro geht die Verwaltung von verbleibenden 1,5 Mio. Euro für die Stadtkasse aus.
„Keine gute Zukunft“
Für die GAL keine ausreichenden Gründe in „lauter unbefriedigenden Situationen“ mit schon angekündigter gerichtlicher Auseinandersetzung und den Sorgen und Nöten betroffener Landwirte. „Wir sehen keine gute Zukunft für die Hintere Mult“, konstatierte Elisabeth Kramer. Sie bemängelte sowohl den noch fehlenden Ausgleich des Ökokontos der Stadt wie auch die noch nicht erfolgte Einigung auf Ausgleichsflächen für die betroffenen Landwirte. Darauf ging auch Dr. Günter Bäro (Frei Wähler) ein. Man gehe davon aus, dass das letzte Wort dabei noch nicht gesprochen sei.
Bei 14 Gegenstimmen von GAL, FDP, Weinheimer Liste und Einzelstimmen von CDU und LINKE sprach sich das Gremium am Ende mehrheitlich für die Entwicklung der „Hinteren Mult“ als Gewerbegebiet aus.