„Heute ist ein guter Tag für einen Fluch“, murmelt die alte Vibia auf der ersten Seite von „Der Untergang von Thornton Hall“, dem neuen, am 11. September erschienenen Roman von Britta Habekost. Im Angesicht des Vulkanausbruches in Pompeji 79 nach Christus sagt sie einen Fluch auf, der den Rest der schaurigen Handlung des historischen Romans, die über 1700 Jahre nach der Naturkatastrophe spielt, verfolgt.
Neues Buch von Britta Habekost
Flüche und Emanzipation im Italien des 18. Jahrhunderts
Bad Dürkheim. In „Der Untergang von Thornton Hall“ erzählt Britta Habekost eine schaurige Story einer verfluchten Reise durch Italien mit starker, weiblicher Figur.
Verschollener Bruder
Im Jahre 1789 beginnt die eigentliche Geschichte dann in England. Elinda Audley steht am Hafen und wartet auf einen Schoner, der eigentlich ihren Bruder David von einer Kavaliersreise zurückbringen soll. Auf dem Schiff aus Italien ist aber nichts, wie es sein sollte: die Passagiere sind schwerkrank, ihr Bruder ist offenbar verschollen. Ihre Familie setzt sodann einen Suchtrupp an, der mysteriöse und attraktive Blake Colbert soll diesen als Bärenführer anleiten.
Zu allem Übel soll Elinda auch noch den widerwärtigen Andrew Hydeworth heiraten, um die Familie vor dem drohenden Untergang zu bewahren. Bevor Blake Colbert losgeht, schleicht sie sich deshalb als blinder Passagier mit auf sein Schiff. Eine Grand Tour zuerst durch Frankreich, über die Alpen und dann durch halb Italien in Richtung Pompeji beginnt. Doch je näher sie der eingeäscherten Stadt kommen, desto finsterer wird die Handlung. Und dann ist auch noch Hydeworth auf ihren Fersen…
Liebe und Emanzipation
Die Protagonistin Elinda ist das Herzstück der Handlung. Sie ist freiheitsliebend, neugierig, fast schon rebellisch, leidet aber unter den patriarchalischen Zwängen der Zeit. Obwohl sie Hydeworth heiraten und irgendwann Mutter werden soll, weigert sie sich vehement dagegen und fährt mit Colbert nach Italien – eine Reise, die Frauen damals eigentlich vorenthalten blieb. Ihre Abneigung gegen das Muttersein ist mit dem Emanzipationsgedanke im Hinterkopf sehr auffällig, auch wenn Habekost diese Ablehnung eher mit dem Trauma der Totgeburt von Elindas Mutter in Verbindung bringt.
Die Unterstellung, die eigentlich emanzipierte Elinda müsse sich während der Reise doch einem Mann, in diesem Fall Blake Colbert, unterordnen, weist Autorin Habekost zurück. Blake Colbert habe Habekost weder dominant noch übergriffig dargestellt, stattdessen als „in seinem Wesen freilassender, nicht bevormundender Mensch“. Er nutze es nicht aus, dass Elinda von ihm bis zu einem gewissen Grad abhängig sei. Das romantische Verhältnis zwischen den beiden wirkt um einiges moderner als das Setting es erlauben sollte. Blake Colbert ist ein positives Gegenstück zu Andrew Hydeworth, die Romanze in der Handlung dadurch nachvollziehbar.
Düsteres Setting
Das Setting beeindruckt generell mit seiner zwar düsteren, aber realitätsnahen Darstellung des damaligen Italiens. Flüche, gruselige Visionen von ihrem Bruder, Träume von Vulkanasche – schaurige Elemente machen Elinda im oft romantisierten Stiefel am Mittelmeer das Leben schwer. „Das Klischee oder die Illusion von dem Land war eigentlich nicht gerechtfertigt“, sagt Britta Habekost und verweist auf zwei Meter an Recherchebüchern, die bei ihr stehen. Die Geschichte ist ein Schauerroman, wie man sie aus dem 19. Jahrhundert kennt, ist um einiges finsterer als die gemütlich-charmanten, regional verankerten Elwenfels-Krimis, die Habekost mit ihrem Mann Christian „Chako“ Habekost schreibt.
Britta Habekost wuchs in Ludwigsburg auf, studierte in Stuttgart und wohnt im pfälzischen Bad Dürkheim – diese Einflüsse haben ihre bisherige Literatur offensichtlich inspiriert. Trotzdem bezeichnet sie sich selbst als „reiseverrückt“ und verzichtet in diesem Roman sowie auch schon bei ihren Paris-Romanen davor auf den regionalen Bezug, für den sie und ihr Mann Christian, bekannt sind. Britta Habekost erklärt diesen Tapetenwechsel damit, dass sie zwar eine heitere, lockere Seite in sich habe, die gut in die Pfalz und die Region passe, aber eben auch ein Interesse an dunkel angehauchten Geschichten, das unter anderem auf ihre Vergangenheit in der Gothic-Szene zurückzuführen sei. „Ich bin in dem Bezug ein bisschen schizophren“, meint sie zusammenfassend.
Blick in die Zukunft
Ob sie solo ein Buch mit regionalem Bezug veröffentlichen will? „Ich bin da gerade ehrlich gesagt sogar dran“, antwortet sie im Gespräch. Habekost könne zwar noch nicht ins Detail gehen, plane aber einen ernsten, „klassischen“ Kriminalroman, bei dem der „regionale Bezug nicht auf diese locker-flockige Art und Weise eingebunden wird, sondern auf eine eher selbstverständliche“. Sicher ist also, dass bald neuer Lesestoff kommen soll – immerhin erscheint am 30. März 2025 auch ein neuer Elwenfels-Band.
Bis dahin kann man sich ideal mit „Der Untergang von Thornton Hall“ vergnügen. Vom fehlenden Regionalbezug muss man sich dabei jedenfalls nicht abschrecken lassen – auch Italien hat schöne Weinberge.