„Für Demokratie und Vielfalt in Grötzingen“
Als Bürgerinnen und Bürger Grötzingens, definitiv „ohne die Parteibrille aufzuhaben“, wie es Kurt Fischer als einer der Ordner formulierte, setzte man sich am Freitag der Vorwoche für Demokratie, Menschenwürde, Anerkennung von allen Menschen, egal, wo sie geboren sind oder herkommen, ein.
Detlef Sutter, der sonst bei den Naturfreunden aktiv und deren ehemaliger Vorsitzender ist, eröffnete die Veranstaltung. Er kritisierte die jetzt als extremistischen Verdachtsfall eingestufte Partei, dass sie durch die Spionageaffäre Vertrauen und politische Loyalität aufs Spiel setze. Catharina Clay, Sutters Lebensgefährtin und IG-BCE-Landesbezirksleiterin, betonte und erinnerte daran, dass die Bürgerinnen und Bürger über die Wahlen mitbestimmen, wer Stadt und Land regiert sowie gestaltet. „Ich habe großen Respekt vor Menschen, die sich selbst politisch engagieren und dadurch Politik und Gesellschaft mitgestalten. Wir brauchen politische Mehrheiten, nicht wie bei Putins Wiederwahl. Das ist gelebte Demokratie, um Ideale zu pflegen und zu leben. Deshalb sollten wir Zeichen setzen gegen die, die uns angreifen, Angst machen etc. Ich habe mir in den letzten Tagen nach der Berichterstattung über die Angriffe auf Politiker überlegt, ob wir nicht still sein sollten. Aber wenn wir alle still sind, dann nimmt die Zahl derer zu, die uns angreifen. Wir dürfen hier alles frei sagen. Das ist nicht überall auf der Welt selbstverständlich.“ Sie freue sich, dass sie als Frau hier in der Lage sei, dank Gesetzen und Steuern eine Ausbildung zu machen, die ihr ihre Eltern so nicht hätten finanzieren können. Die Vorstellung von Familie der oben genannten Partei kritisierte sie, weil es in das Bild der 1930er-Jahre zurückfalle, bei dem die Frau für den Mann, die Pflege der Angehörigen und ausschließlich für die Familie da sein und dem Mann beiseite stehen solle. Sie als Gewerkschafterin finde es natürlich gut, dass Frauen per Gesetz die gleichen Rechte wie Männer haben. Die genannte Partei, die am gleichen Tag ihre Sitzung in der Begegnungsstätte abhielt und teilweise mit geschwungener Fahne zusammen mit Mitgliedern einer als sehr links geltenden Organisation der Veranstaltung beiwohnte bzw. sie zu stören versuchte, wolle, dass man aus der Europäischen Union (EU) austrete. Auch die sogenannte Remigrierung kritisierte Clay. So verschwänden, wenn alle Menschen mit Migrationshintergrund wieder in ihr Land gehen sollten, das vietnamesische, griechische, italienische oder türkische Restaurant auch. Sie selbst stehe für Vielfalt. Dem stimmte die zweite Rednerin der Veranstaltung zu.
Besser differenzieren und genauer hinsehen
Paulina Miliczek ist gebürtig aus Polen und kritisierte offensiv den Begriff „Menschen mit Migrationshintergrund“, weil er alle Menschen in den gleichen Topf werfe, die als nicht-deutsch markiert werden. Der Begriff bedeute nur, dass sie oder mindestens ein Elternteil von ihr mit einem nicht-deutschen Pass geboren wurden bzw. aufgewachsen sind. „Bewertet wird der Begriff dennoch von allen Seiten, da überall die Rede von und über Menschen mit Migrationshintergrund ist und jede Person am besten weiß, was Menschen mit Migrationshintergrund leisten sollen.“ Sie persönlich sei einsprachig, nicht-deutsch, aufgewachsen. Ihr Kinderarzt habe gleich gedacht, zu wissen, dass sie und ihr Bruder die Hauptschule besuchen werden. „Einige Jahre später und ich spreche immer noch in meiner Familie ausnahmslos Polnisch, stehe ich hier, schreibe gerade meine Doktorarbeit, bin Dozentin im Bereich soziale Ungleichheit und politische Bildung und bin seit einiger Zeit auch kommunalpolitisch für die SPD aktiv. Und weshalb? - Weil mir der Rechtsruck und das gesellschaftliche Klima Sorgen bereiten.“ So nähmen nicht nur physische Angriffe auf Politikerinnen und Politiker zu, sondern auch Beleidigungen und verbale Attacken. Auch die Wortwahl, gerade von seiten der sehr rechten Partei, sei bedenklich, weil sie an den Nationalsozialismus erinnere. Die genaue Wortwahl wollte Miliczek nicht wiedergeben, um deren Wirkung nicht zu verstärken. „Es ist wichtig, in der Demokratie klare Kante gegen menschenverachtende und demokratiefeindliche Äußerungen und Handlungen zu setzen und Position zu zeigen, wie wir das heute gemacht haben“, sagte sie. So müssten auch Meinungsfreiheit und Freiheit generell ihre Grenzen haben, wenn sie Menschenleben gefährden, beeinträchtigen oder gar auslöschen möchten.
Resümee
„Wir haben die Veranstaltung im Ortschaftsrat besprochen und unsere Unterstützung zugesagt. Wir können mit der Beteiligung und dem Verlauf zufrieden sein. Eine friedliche und demokratische Atmosphäre konnte von einigen wenigen Fahnenschwingern nicht gestört werden. Ich habe viel Lob der Besucherinnen und Besucher zur Veranstaltung wahrgenommen.“ Dies war der Eindruck der stellvertretenden Ortsvorsteherin, Veronika Pepper (CDU). (war)