Das sagenhafte Zabergäu/Geschichten aus dem Neckartal
Heuss und Hölderlin
Begegnung im Mittelpunkt des Zabergäus
Von Irmhild Günther
- Was haben der erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland und der große Dichter Friedrich Hölderlin gemeinsam? Sehr viel. In unterschiedlichen Jahrhunderten haben beide für bessere Lebensbedingungen aller Menschen gedacht, gelebt und geschrieben. Hölderlin begrüßte die Französische Revolution, die seinen Vorstellungen am nächsten kam. Er erhielt dafür für sich selbst schlechtere Lebensbedingungen als für ihn dann überhaupt möglich waren. Und Theodor Heuss hatte im Dritten Reich keine Arbeit mehr, sondern seine Frau Elli Heuss-Knapp ernährte die dreiköpfige Familie mit Werbespots unter anderem. Als man zu ihm kam, um ihm die Wahl zum Präsidenten des Nachkriegsdeutschland mitzuteilen, stand er gerade an der Teppichklopfstange und klopfte Teppich. Hölderlin wurde eine Ehrung nicht zuteil. Er verbrachte die Hälfte seines Lebens im Tübinger Turm unter Aufsicht.
- Theodor Heuss besuchte als Bundespräsident gern das Zabergäu und seinen Geburtsort Brackenheim, traf sich mit Freunden und trank gern mit ihnen einen Lemberger vom Zweifelsberg. Das jedenfalls bekannte er hin und wieder schmunzelnd, wenn er gefragt wurde, wie er denn seine guten Reden verfasse. Denn der erste Bundespräsident war nicht nur politisch Demokrat, sondern auch schriftstellerisch erfolgreich tätig. Seine Doktorarbeit schrieb er über den Wein – aber nicht als Getränk, sondern als Einkunftsmöglichkeit kleinerer Weinbergbesitzer. Dem Dichter Friedrich Hölderlin baute die Stadt Lauffen ein einmaliges Museum. Er wurde in Lauffen am Neckar geboren. Das ist das Tor zum Zabergäu, denn hier fließt die Zaber in den Neckar. Genannt wird als solches auch Bönnigheim, dies ist das südliche Tor zum Zabergäu. Da solche landschaftlichen Grenzen fließend sind, wurde dieses interessante Städtchen nicht bei der Ermittlung vom Mittelpunkt des Zabergäu einbezogen.
- Der Mittelpunkt des Zabergäus liegt auf Güglingen-Frauenzimmerner Gemarkung, errechnet vom Landratsamt Heilbronn nach einer bestimmten wissenschaftlichen Methode: Zaberfeld im Westen, Lauffen im Osten, Nordheim im Norden und Cleebronn im Süden. Also von Quelle der Zaber bis zur Mündung 25,44 Kilometer, von Stromberg bis Heuchelberg 11,9 Kilometer. Es handelt sich um das Gewann „Am Brackenheimer Weg“ und um das „Spitzäcker“. Der Grundriss ist ein sehr spitzes Dreieck, 60 Ar groß, das Ulrich Peter aus Güglingen käuflich erwarb, um hier etwas Besonderes einzurichten: ein Ziel für Wanderer und Radfahrer, einen Treffpunkt von Leuten, die der Heimat Zabergäu verbunden sind, und eine Begegnungsstätte für alle. Zu erkennen ist dieser 60 Ar große „Punkt“ durch ein rundes Stahlgerüst. Es stammt von Architekt Heinz Rall aus Güglingen und stand vorher am dortigen Kindergarten Herrenäcker. Dieser Kindergarten musste erweitert werden, das Gerüst wurde entsorgt und landete im Müll. Peter fand und erfand damit die Umrundung des errechneten Mittelpunktes. Das ganz spitze Dreieck des Geländes sollte der ökologischen Qualität der Landschaft Zabergäu dienen. Obst und Wein werden seit Jahrhunderten hier angebaut, davon lebte hauptsächlich die Bevölkerung. Weinreben wachsen näher am Mittelpunkt. Und wertvolle, vergessene Obstsorten baute Wilhelm Stark aus Frauenzimmern hier an. Sie wachsen bereits heran und bilden eine Fläche für viele Tier- und Pflanzenarten, die zu dieser alten Landschaft aus Menschenhand gehören und größtenteils auch in der Gefahr des Aussterbens sind. Dafür erhielten Stark und Peter bereits Auszeichnungen.
- Das eine ist die Natur, das andere die Kultur des Zabergäus, auf die ebenso hingewiesen werden und damit nicht aus dem Blickfeld der Leute aus dem Zabergäu und angrenzender Regionen wie Leintal und Neckartal geraten soll. Was lag nun näher als die hochaktuelle Demokratie, die in Gefahr ist! Wir haben 75 Jahre Grundgesetz, 75 Jahre erster Bundespräsident Theodor Heuss und seinen 140. Geburtstag ! Brackenheim wurde Heuss-Stadt. Die Stadt hat alles begangen und außerdem ist das Heuss-Museum demnächst neu, bisher eher nur eine Gedenkstätte mit interessanten Exponaten und Informationen. Und es versteht sich von selbst, dass die feierliche Enthüllung eines Heuss-Porträts im Mittelpunkt Ende Oktober von Bürgermeister Thomas Csaszar vollzogen wurde. Und wie er natürlich ebenfalls die Bürgermeisterin der Hölderlin-Stadt Lauffen, Sarina Pfründer, das Denkmal von Friedrich Hölderlin enthüllte, ein aus gleichem Material gestaltetes Kunstwerke. Es musste haltbar sein, weil es im Freien steht und dort lange Zeit alle Besucher sehen sollen. Es sind Gedenktafeln in der Größe von 60 mal 80 Zentimetern. Die Profile von Heuss und Hölderlin wurden aus Stahlplatten mit einem Wasserstrahl herausgeschnitten, dahinter wurde eine Edelstahlplatte angebracht. Diese schwere Arbeit erledigten Güglinger Firmen und Freunde sowie der Bruder von Peter.
- Und es stehen Zitate jeweils unter den Porträts. Bei Theodor Heuss heißt es: “Wir müssen die Demokratie jeden Tag leben und schützen“. Und Peter fügte bei der Enthüllung hinzu, dass dies in der heutigen Zeit mehr als denn je gelte. Das gilt aber auch für Hölderlin, der mit dem „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ der Französischen Revolution lange Zeit vorher einen Weg sah dafür, dass es allen Menschen besser gehen soll. Das steht nun aber nicht unter seinem Porträt, sondern er war ja Lyriker und seine Lyrik ist immer noch nicht ganz verstanden und interpretiert. Hier wählte Peter die bekannten Zeilen: „Seliges Land, keine Hügel in dir wächst ohne den Weinstock, nieder ins schwellende Gras regnet im Herbste das Obst.“ Damit ist die Heimat angesprochen, die Heimat Hölderlins am Neckar, aber auch seine Heimat Zabergäu, denn in Cleebronn wohnten seine Großeltern. 2023 wurde der Mittelpunkt offiziell eingeweiht. Es soll das Wirgefühl fördern und der Heimat Zabergäu dienen.