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Historische Wirtshäuser in Besigheim

Umschlag des Geschichtsblatt 40

Erwin Ruff

Umschlag des Geschichtsblatt 40

Besigheimer Schild- und Schankwirtschaften im Wandel der Zeit

Von Erwin Ruff    Dieser Tage ist beim Geschichtsverein Besigheim das neue Geschichtsblatt 40 „Besigheimer Schild- und Schankwirtschaften im Wandel der Zeit“ erschienen. Verfasst hat es Erwin Ruff, Schatzmeister des Geschichtsvereins. Er beschreibt die Besigheimer Wirtshauslandschaft ab dem 16. Jahrhundert bis in die heutige Zeit. 

Aus dem Besigheimer Häuserbuch, das Vera Ehrensperger im Jahr 1993 im Auftrag der Stadt Besigheim verfasst hatte, können die Standorte und die Wirte der einstigen Schildwirtschaften in der früheren Oberamtsstadt ermittelt werden. Allerdings ergeben sich aus dem Häuserbuch keine Hinweise zu den sogenannten Gassenwirtschaften (Schankwirtschaften), weil solche im Kataster nicht erfasst wurden. 

Erwin Ruff hat sich auf Spurensuche begeben und im Staatsarchiv Ludwigsburg, im Kreisarchiv Ludwigsburg und im Stadtarchiv Besigheim die Wirtschaftskonzessionsakten ab dem frühen 19. Jahrhundert ausgewertet. Aus dem akribischen Aktenstudium und zahlreichen Interviews mit ehemaligen und heutigen Wirtinnen und Wirten sowie weiteren Zeitzeugen ergeben sich interessante Einblicke in die historische und aktuelle Besigheimer Wirtshauslandschaft. Die älteste in Besigheim nachweisbare Schildwirtschaft ist die ehemalige „Natterische Herberge“ (später als „alte Krone“ bezeichnet), Bügelestorstraße 2 – 6, die bis ins Jahr 1569 zurückverfolgt werden kann. 

Wirtshäuser sind nicht nur Orte der Gastlichkeit, sondern auch Spiegelbild des gesellschaftlichen und geselligen Lebens. Von revolutionären Gedanken, über Vereinsgründungen, Kaufverträge, Hochzeitsanbahnungen bis hin zum Stammtischpalaver, all das gab es in oder fand in Wirtshäusern statt. Bis in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg war es üblich, dass sich die Männer in den Gasthäusern, Schankwirtschaften und Weinstuben trafen, um sich zu unterhalten, Nachrichten auszutauschen, Karten zu spielen, zu singen oder auch zu politisieren. Der Wirtshausbesuch war oft die einzige Möglichkeit, etwas Abstand vom harten Arbeitsalltag zu bekommen. Die heutigen modernen Kommunikationsmöglichkeiten gab es ja seinerzeit noch nicht. Frauen traf man in den Wirtschaften eher selten an – außer hinter dem Tresen oder als Bedienung. In den Wirtschaften mit einem Saal gab es Kinovorführungen, Tanzveranstaltungen sowie familiäre und gesellschaftliche Feierlichkeiten. 

Im Verlauf der letzten Jahrhunderte wurden in Besigheim in etwa 70 verschiedenen Häusern Schild- und Schankwirtschaften betrieben, die Ruff in seiner Publikation beschreibt. Einen Höhepunkt erlebten die Wirtschaften ab den 1880er-Jahren. Beispielsweise gab es in Besigheim im Jahr 1905 insgesamt 23 Wirtschaften. Bei damaligen 3.200 Einwohnern kam auf 139 Einwohner eine Wirtschaft. Die meisten kleinen Wirtschaften sind schon in den 1930er-Jahren eingegangen. In den letzten Jahrzehnten wurden auch mehrere traditionsreiche Besigheimer Gasthäuser für immer geschlossen, so die „Sonne“, der „Ochsen“, das „Lamm“, die (neue) „Krone“, der „Löwen“, die „Post“ und der „Röser“. Die Älteren erinnern sich oft wehmütig an diese vergangene Gastlichkeit. 

Schon im Mittelalter wurde streng nach Schildwirtschaften und Gassenwirtschaften unterschieden. Während Schildwirte das Recht und die Pflicht hatten, Fremde zu beherbergen, Kutschen und Pferde einzustellen und ein gehobenes Maß an warmen Speisen anzubieten, durften die Gassenwirte zum Getränk nur Brot und Käse reichen. Ein Wirtshausschild durften nur die Schildwirte anbringen. Durch das Schild wurde der Name des Gasthauses bildlich umgesetzt, es war gleichzeitig Wegweiser und Orientierungspunkt für Fremde. Ab 1872 ist im ganzen Deutschen Reich das besondere dingliche Recht der Schildwirte entfallen. Schildwirtschaften wurden nun Gastwirtschaften genannt und die Gassenwirtschaften als Schankwirtschaften bezeichnet.

Das umfangreiche Geschichtsblatt mit 196 Seiten beschreibt nicht nur alle vorgefundenen Wirtschaften, sondern informiert auch über die Geschichte der Gastlichkeit und die staatlichen Regelungen zur Erteilung einer Konzession sowie die Einschränkungen während des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Ein Kapitel ist dem vergeblichen Kampf gegen den übermäßigen Alkoholgenuss gewidmet: Die nächtlichen Kontrollen durch die Scharwacht sollten für Ruhe sorgen, in den 1830/1840er-Jahren bekämpften Mäßigkeitsvereine die Trunksucht und in den 1940er-Jahren wurden unbelehrbare Trunkenbolde mit einem zeitweisen Wirtshausverbot belegt und mussten eine Geldstrafe zahlen. Der Alkohol wurde auch Stadtschultheiß Johann Christian Irion zum Verhängnis, der nach einer Visitation des Königlichen Oberamts Besigheim im März 1823 von seinem Amt zurückgetreten war – das Oberamt hatte ihm wegen seiner Trunksucht Unfähigkeit vorgeworfen. 

Vom Alkoholgenuss profitierte schon vor 700 Jahren auch die Stadt Besigheim, die bis zum Jahr 1806 auf den Ausschank von Wein und Bier ein städtisches Umgeld, eine Art Umsatzsteuer, erhoben hatte. Aus der städtischen Biersteuer erzielte man von 1923 bis 1939 nur geringe Einnahmen. 

Die Vergangenheit soll und darf nicht vergessen werden. Aus diesem Gedanken heraus ist dieses Geschichtsblatt entstanden. Es soll den Älteren einen Rückblick auf die vergangene gastronomische Vielfalt der Stadt vermitteln, die sie selbst erlebt haben, und den Jüngeren zeigen, was sich früher in Besigheim abgespielt hat. Einige nette Episoden bereichern das Werk. 

Info

Das Geschichtsblatt Besigheimer Schild- und Schankwirtschaften im Wandel der Zeit kann bei den Besigheimer Buchhandlungen Beurer und Dreigiebelhaus erworben werden. Das reichlich bebilderte, 196-seitige Buch kostet 18 €. Es ist auch in der Mediathek des Geschichtsvereins Besigheim, Pfarrgasse 26, jeweils dienstags von 10.00 bis 11.00 Uhr, erhältlich.