"Die Menschen gehen ins Theater, um mitgerissen, gebannt, beeindruckt, erhoben, entsetzt, ergriffen, gespannt, befreit, zerstreut, erlöst, in Schwung gebracht, aus ihrer eigenen Zeit entführt, mit Illusionen versehen zu werden,” hat Bertolt Brecht 1939 geschrieben. Und er meinte damit den Bruch mit althergebrachten Theater-Traditionen und die Hinwendung zu experimentellem Theater.
Absurdes Theater
Am 8. Februar 2025 fand im kleinen Saal der Hockenheimer Stadthalle eine bemerkenswerte Aufführung statt, die von den Künstlern Julius Ohlemann, Daniela Fonda, Andreas Jahncke und Sarah Kortmann in einer Form des experimentellen und absurden Theaters dargeboten wurde, die ihrer reinsten Form sehr nahekam. Dieser Theaterabend wird unvergesslich bleiben: Im Stück mit dem Titel “Das Fest - Familie und andere Übel” verschwanden die traditionell im klassischen Theater geforderten Einheiten von Zeit, Handlung und Ort. Sie wurden durch unlogische Szenarien ersetzt, die mit absurden Handlungen und scheinbar zufällig miteinander verbundenen Dialogen gefüllt waren.
Samuel Beckett
Ein interessanter Aspekt des Stücks war, dass es eine Gemeinsamkeit mit einer der bedeutendsten Protagonisten des “Theaters des Absurden”, Samuel Beckett, aufwies: Beckett war bekannt dafür, dass während seiner Aufführungen ein erheblicher Teil des Publikums bereits in der Pause den Saal verlassen hatte. In der langen und reichen Geschichte der Hockenheimer Stadthalle gab es wahrscheinlich noch nie eine Vorstellung, bei der etwa 20 von rund 80 anwesenden Gästen vorzeitig die Veranstaltung abgebrochen haben.
Zuviel Alkohol
Das Stück basiert inhaltlich auf dem Film "Das Fest" von Thomas Vinterberg. In diesem Drama versammelt sich die Familie des erfolgreichen Unternehmers Helge, um den Anlass seines 60. Geburtstags zu feiern. Zu diesem besonderen Event sind alle Familienmitglieder anwesend, darunter seine Ehefrau Else, die beiden sehr unterschiedlichen Söhne Christian und Michael sowie die Tochter Helene. Auch die Großeltern und die Enkel sind mit von der Partie. Überschattet wird die Feier vom Tod der kürzlich verstorbenen Tochter Linda. Während der ausgelassenen Feier, die von reichlich Alkohol geprägt ist, beginnt das Programm der traditionellen familiären Rituale. Christian ergreift das Wort und hält die sogenannte "Wahrheitsrede", in der er offenlegt, wie er und seine verstorbene Schwester Linda regelmäßig von ihrem Vater misshandelt wurden.
Rassistisch
Als Helenes schwarzer Partner Gbatokai die Szene betritt, wird er von Michael mit rassistischen Bemerkungen angegriffen: "Wie kannst du Schlampe uns einen Affen präsentieren?" Christian nutzt die Gelegenheit erneut, um seinen Vater direkt für den Selbstmord von Linda verantwortlich zu machen. Die Mutter, Else, nimmt Helge in Schutz und weist darauf hin, dass Christian in seiner Jugend psychisch instabil war, was dazu führte, dass die Eltern ihn aus einer psychiatrischen Klinik holten. Sie fordert ihn auf, sich zu entschuldigen. Christian beschuldigt jedoch seine Mutter, vom Missbrauch gewusst zu haben und nicht eingegriffen zu sein. Als Helene die Gelegenheit bekommt, eine Rede zu halten, trägt sie den Abschiedsbrief von Linda vor, in dem diese schildert, dass sie aufgrund von traumatischen Erfahrungen und der Angst vor erneutem Missbrauch ihrem Leben ein Ende setzte. Dieser Brief führt letztendlich zu einem tiefen Bruch innerhalb der Familie.