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Das Ehrenamt stand im Fokus

Im Gespräch mit Landtagspräsidentin Muhterem Aras

Landtagspräsidentin Aras im Gespräch mit Redakteuren von Nussbaum Medien.

Tobias Arnold

Landtagspräsidentin Aras im Gespräch mit Redakteuren von Nussbaum Medien.

Beim 2. Forum für Gesellschaftlichen Zusammenhalt war Landtagspräsidentin Muhterem Aras in Stuttgart zu Gast. Sie hielt die Keynote zur Eröffnung der Veranstaltung und besuchte anschließend den Marktplatz des Engagements. Im Interview mit nussbaum.de spricht sie unter anderem über ihre Einschätzung des aktuellen gesellschaftlichen Zusammenhalts sowie bürgerliches Engagement.

nussbaum.de: Frau Landtagspräsidentin, welche Bezüge zu ehrenamtlicher Arbeit haben Sie denn ganz persönlich?

Muhterem Aras: Das Ehrenamt ist für mich die Basis für meine jetzige Tätigkeit. Ich war schon als Jugendliche in politischen und kulturellen Vereinen aktiv. Das war oft auch sehr zeitintensiv, manchmal auch kräftezehrend, aber im Nachhinein muss ich sagen: ohne dieses ehrenamtliche Engagement, ohne die Erfahrungen in den Vereinen und Initiativen würde ich heute nicht hier stehen. Dafür bin ich sehr dankbar. Ehrenamt und das Engagement haben mir neue Perspektiven gegeben, haben mir gezeigt, dass man gemeinsam viel stärker ist, dass man gemeinsam tatsächlich etwas verändern kann. 

Zivilgesellschaftliche Arbeit ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Man kommt zusammen, obwohl man vielleicht aus ganz anderen Bereichen kommt, aber man hat gemeinsame Ziele und das stärkt. Und wenn man dann etwas erreicht hat, hat sich jede Arbeit gelohnt. Rückblickend würde ich das wieder genauso machen.

Das Schöne an unserem Land ist ja, dass es hier so eine Vielfalt des Ehrenamts gibt. Für jeden ist etwas dabei - ob Sport, Musik, politische Teilhabe, Partizipation, Menschenrechte, Umwelt, Kirche, Feuerwehr... Das Feld ist sehr vielfältig und ich bin mir sicher, jeder und jede von uns kann da fündig werden.

nussbaum.de: Die Veranstaltung trägt den Titel „Forum für Gesellschaftlichen Zusammenhalt“. Wie ist es um diesen denn Ihrer Einschätzung nach in Baden-Württemberg bestellt?

Muhterem Aras: Wir wissen durch Studien, dass der Zusammenhalt insgesamt deutschlandweit und auch bei uns in Baden-Württemberg abgenommen hat. Aber nach wie vor ist Baden-Württemberg bundesweit Spitzenreiter und es engagieren sich sehr viele Menschen für ihr soziales Umfeld, für die Gesellschaft, für das Gemeinwesen. Das können wir nicht hoch genug wertschätzen und dafür bin ich sehr dankbar und auch stolz. Und wir müssen alles daransetzen, dass dieses Engagement sich weiterentwickelt und gestärkt wird, dass man diejenigen, die ehrenamtlich arbeiten, unterstützt, wertschätzt, auch sichtbar macht, damit sich noch mehr Nachahmerinnen und Nachahmer finden.  

Stuttgart: Forum für Gesellschaftlichen Zusammenhalt 2024

Tobias Arnold

Landtagspräsidentin Muhterem Aras betonte die Bedeutung des Ehrenamts im Kampf gegen Populisten.

nussbaum.de: In Ihrer Eröffnungsrede zum Forum haben Sie das Ehrenamt und Engagement als „Kraftstoff der Gesellschaft“ bezeichnet. Was kann denn von Politikseite aus getan werden, um diesen Kraftstoff noch weiter zu fördern?

Muhterem Aras: Wir müssen aufpassen, dass wir ehrenamtlich arbeitende Menschen nicht überfordern, denn wir dürfen nicht vergessen: diese Menschen machen das alles in ihrer Freizeit. Sie haben ein Privatleben, ein Berufsleben, vielleicht Angehörige, die sie betreuen oder pflegen. Trotz alledem geben sie ihre Zeit für Menschen, für Initiativen, weil ihnen diese Menschen, diese Themen, am Herzen liegen.

Und deshalb ist es Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen und zu stärken, damit das Ehrenamt sich auch weiterentwickeln kann. Rahmenbedingungen heißt, wir brauchen neben dem Ehrenamt auch hauptamtliche Strukturen. Wir brauchen eine Plattform, wir brauchen Menschen, die die Koordination übernehmen, Leute, die Ehrenamtliche in Weiterbildungen schulen, denn diese benötigen manchmal auch selbst Unterstützung.
Und wir sollten das ehrenamtliche Engagement im besten Sinne auch mehr ins Schaufenster stellen, indem wir die vielen engagierte Menschen würdigen. Es geht ihnen ja nicht um das Materielle, aber es ist auch Aufgabe der Politik, die oft im Hintergrund tätigen Heldinnen und Helden in unserer Gesellschaft öffentlich wertzuschätzen und ihre Arbeit zu erleichtern. 

nussbaum.de: Sie haben die Sichtbarkeit schon angesprochen. Wie kann denn die Zusammenarbeit zwischen ehrenamtlichen Organisationen und der Politik noch weiter verbessert werden?

Muhterem Aras: Da sind wir alle gefragt. Wir müssen uns immer wieder neue Gedanken machen, denn jede Gesellschaft hat eigene Herausforderungen und eigene Arten, damit umzugehen. Die Pandemie hat manches durcheinandergewirbelt, aber man kann diese Herausforderung auch annehmen und daraus neue Chancen gestalten. Auch wenn der reale Austausch unersetzbar ist, können digitale Formate eine gute Ergänzung sein. Und ich glaube es braucht mehr Beteiligungsformate, mehr Zuhören, auch Hinhören, eigene Überlegungen vielleicht auch transparenter machen. Ganz wichtig ist es Plattformen und Begegnungsorte und Räume für Menschen zu schaffen. Das ist, was wir dazu beitragen. 

nussbaum.de: Das ist ja im Prinzip auch heute der Versuch gewesen. Deshalb auch die Frage unsererseits, was nehmen Sie denn aus einem Tag wie dem heutigen mit?

Muhterem Aras: Ich persönlich gehe wirklich sehr motiviert und gestärkt aus diesem Tag hinaus, weil ich sehe, wie viel Potenziale diese Gesellschaft hat, wie viele Menschen sich für andere engagieren, so vielfältig, so kreativ, so ohne Eigennutz, einfach den anderen die Hand zu reichen. Das ist Nächstenliebe im besten Sinne. Es gab nachdenkliche Worte, es gab tolle Projekte, es gab tolle kulturelle Beiträge und ich finde, wir sollten immer wieder auch zelebrieren, in welcher wunderbaren Gesellschaft, in welchem wunderbaren Rechtsstaat, in welcher Demokratie wir leben. Das stärkt uns alle, und es ist eine tolle Plattform, dass Menschen und Initiativen hier zusammenkommen und sehen: Wir sind nicht allein! Es gibt so viel Potenzial in dieser Gesellschaft, und wenn wir uns vernetzen, können wir soviel voneinander lernen und uns stärken.

Deshalb bin ich insbesondere Klaus Nussbaum dankbar, dass er diese Plattform geschaffen hat, mit der das Ehrenamt und die darin tätigen Menschen sichtbar werden. Denn ich glaube, es ist ein ganz wichtiger Schritt, dass die Menschen merken, ja, meine Arbeit wird gesehen, wertgeschätzt und ich kann mich mit anderen vernetzen. Das gibt Energie und Motivation, weiterzumachen. Und wir müssen weitermachen und wir werden weitermachen, denn diese Demokratie lebt vom Mitwirken und vom Mitmachen von uns Einzelnen. Wir brauchen die Demokratie und die Demokratie braucht uns.

Die Fragen stellten Johannes Rehorst und Patrick Schunk.