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Interview

Im Gespräch mit Samuel Koch beim IFFMH in Heidelberg

Im Zuge des IFFMH 2024 sprach Samuel Koch am 16. November über Körper im Film. Im Anschluss konnte nussbaum.de mit ihm über das Panel sprechen.

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Im Zuge des IFFMH 2024 sprach Samuel Koch am 16. November über Körper im Film. Im Anschluss konnte nussbaum.de mit ihm über das Panel sprechen.

nussbaum.de: Wie gefällt Ihnen das Filmfestival? Wie wichtig finden Sie derartige Veranstaltungen?

Samuel Koch: Bewegtbild ist das Medium, das die meisten Menschen erreicht und anspricht. Durch die Pandemie haben Filme des klassischen Kino-Charakters sehr gelitten, weshalb ich Filmfestivals zusätzlich wichtig finde, um den Menschen wieder zu zeigen, was Film kann.

Film ist einer der renommiertesten, charmantesten, ästhetischsten Formen, Geschichten zu erzählen. Zuschauende können dann entscheiden, in welcher Form sie die Geschichten und die Aussagen und die Fragen und die Antworten auf ihre Lebensrealität beziehen. 

Zudem feiere ich natürlich, was hier um das Filmfestival herum stattfindet. Ich empfinde es als Privileg, mit zwei so tollen Frauen auf der Bühne zu sitzen, die ich beide als sehr inspirierende Persönlichkeiten wahrnehme.

nussbaum.de: Was haben Sie aus dem Panel mitgenommen? Inwiefern konnten Sie sich in den Ausführungen von Moshtari Hilal wiederfinden?

Koch: Wir haben uns – das fand ich ganz schön – gemeinsam gefunden mit der Forderung „Stören und Hoffen“. Was ich da noch hinzufügen würde, ist, dass es dazu Mut braucht. In der heutigen Zeit zu hoffen, ist fast schon naiv, aber auch mutig. Und zu stören braucht ebenso Mut und Hoffnung. Warum sollte man stören, wenn man keine Hoffnung hat?

Ich musste fast über meine Begegnung mit Moshtari Hilal schmunzeln, weil wir wirklich aus unterschiedlichsten Kontexten sowie anderen Kulturen kommen – darauf waren wir leider gar nicht zu sprechen gekommen. Ich fand das Panel noch erfrischender als gedacht.

Schon in der Vorbereitung auf dieses Gespräch habe ich gemerkt, dass ich versuche, im Angesicht des vermeintlich nicht so Schönen wegzuschauen. Draußen denke ich zum Beispiel: „Wie kann man denn ein Haus so hässlich bauen? Warum macht man das nicht schön?“ Aber was ist denn überhaupt hässlich? Im Vorgespräch haben wir festgestellt, Hässlichkeit bewusst einzusetzen, kann auch schön sein – aber was ist das überhaupt? Da muss man das Verständnis für so ein Wort oder die Idee eines solchen Wortes erst finden.

nussbaum.de: Sie hatten angesprochen, dass Sie versuchen würden, auch im Theater oder in der Kunst zu provozieren und zu stören. Was stellen Sie sich darunter vor? Wie machen Sie das?

Koch: Ich muss da an Prozesse denken, die innerhalb der Strukturen, also sogar hinter den Kulissen stattfinden. Wenn ich zum Beispiel sage: „Wir könnten wieder anfangen, Zwergen zu werfen, weil da werden zumindest die Vorteile der Behinderung zur Schau gestellt und nicht die Defizite“, dann löst allein so ein Satz eine riesige Diskussion vom Stapel – nicht nur über das, was auf der Bühne passiert, sondern auch was dahinter passiert, wie man miteinander arbeiten und sich betrachten will. Der Begriff Freak Show wurde erwähnt, womit einhergehend man das Thema, was zu Beginn des Gesprächs mitschwang, differenziert betrachten muss: Was ist Zurschaustellung? Was ist bewusste Zurschaustellung? 

Manchmal sind es nur solche Sätze und solches Hinterfragen: Was wollen wir hier eigentlich? Wollen wir nur Geschichten erzählen oder auch was verändern? Und wollen wir, indem man die Leute zum Staunen bringt, indem man die Köpfe öffnet, ob durchs Lachen oder Weinen – wollen wir damit Denkräume erweitern? Wollen wir das oder wollen wir nur einen Apparat im kapitalistischen Wirtschaftssystem unterhalten? Mir wäre das zu wenig.

nussbaum.de: Sie sind sowohl vor der Kamera im Film und Fernsehen als auch auf der Bühne im Theater sowie als Autor aktiv: Gibt es ein Medium, das Ihnen am liebsten ist?

Koch: Letzte Nacht wollte ich mich eigentlich auf dieses Gespräch vorbereiten. Ich konnte es aber nicht lassen, an einem eigenen Projekt zu schreiben. Das Projekt – es handelt sich um eine Serie – macht mir Freude und fordert mich heraus. Das Schöne ist für mich, dass ich in diesem utopienschaffenden Bereich einmal der Schaffende sein darf.

Aber generell sind meine Interessen von Mal zu Mal unterschiedlich. Ich könnte jetzt nicht sagen Theater, weil ich kann mich zwar bei Theaterprojekten wohlfühlen und es für gut, richtig und wichtig und schön erachten, doch manchmal verliere ich mich dann im Schreiben und habe sogar Freude daran, so wie gestern Nacht, zwei Sätze zu formulieren.

nussbaum.de: Sie sind in Wintersweiler aufgewachsen, waren fünf Jahre im Ensemble des Nationaltheaters Mannheim (NTM) und haben heute beim IFFMH gesprochen: Verbinden Sie etwas Bestimmtes mit Baden-Württemberg und mit der Gegend? Was sind Ihre schönsten Erinnerungen aus Ihrer Zeit im NTM?

Koch: Ich habe quasi meine ganze Jugend in Baden-Württemberg verbracht. Ich bin an der Grenze zur Schweiz aufgewachsen, also war ich immer Wintersportler. Ich habe es gefeiert, dass man im Schwarzwald auf dem Feldberg Skifahren und Snowboarden konnte.

Meine Großeltern waren in Freiburg, da war ich immer feiern. Ich habe dann direkt im Tiefenschwarzwald – Donaueschingen, Sigmaringen – meine Wehrdienstzeit gerockt, auch nur, weil ich mal probieren wollte, wie das funktioniert mit dem Fliegen und ob ich Pilot werden könnte.

Mannheim war für mich schon ein sehr wichtiger Meilenstein. Allein mein Einstand am Nationaltheater, wo ich diesen Soloabend Judas hatte, der geliebt wurde und den ich selbst liebgewonnen habe – ich habe so viele Freundschaften darüber gewonnen. Eine liebe Freundin hat sich den Abend siebzehnmal angeschaut. Es hat ihr wieder Hoffnung gemacht für das Theater.

Auch meine Oma war früher oft im Nationaltheater Mannheim und war so happy, dass ich an dieses altehrwürdige Haus nach Mannheim komme, wo Schiller seine Uraufführung hatte. Ich habe schon damals in der Schule in Weil am Rhein, wo ich Abitur gemacht habe, einen ausführlichen Vortrag über Friedrich Schiller gehalten über „Die Räuber“. Dann an dieses Haus zu kommen, war für mich schon etwas Besonderes, sowohl – sage ich mal nostalgisch – biografisch als auch karrieretechnisch.

Ich durfte viele spannende Arbeiten machen, wie „Wunden sind für immer“, wo ich die weibliche Hauptrolle gespielt habe, die Autorin selbst. Aber auch im Steppenwolf in dem riesigen Gehirn unterwegs zu sein in meiner Rolle als Kleinhirn – das war eine sehr wichtige und gute Zeit.

nussbaum.de: Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellten Justin Schick und Patrick Schunk.

Mehr Informationen zum IFFMH sowie zu dem Panel "Körper im Film" gibt es in folgenden Artikeln:

„Körper im Film“ mit Samuel Koch in Heidelberg

73. Internationales Filmfestival Mannheim-Heidelberg 2024