Bislang gibt es noch kein wirksames Mittel. Sie bevölkert, wie in Ketsch im Rhein-Neckar-Kreis, das Friedhofsareal – auch Kehl in der Ortenau ist von der invasiven Art betroffen ebenso wie die Nachbargemeinden von Ketsch, Schwetzingen und Brühl. Das Land reagiert nun und stellt 210.000 Euro für Forschung zur Bekämpfung des „Lästlings“ zur Verfügung.
Auch wenn für den Leiter der Friedhofsverwaltung in Ketsch, Thomas Houschka, keine unmittelbare Gefahr für seine Mitarbeiter und die Bevölkerung besteht – lästig ist die eingewanderte schwarze Ameise aus dem mediterranen Raum allemal. Mit einem Heißwassergerät rückt ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin der Stadt in regelmäßigen Abständen auf dem Friedhofsgelände an, um die Kolonien einzudämmen.
Mehr als Reduktion nicht möglich
Die Ameise breitet sich von Friedhof ausgehend auch auf umliegende Häuser aus. Für private Liegenschaften ist die Stadt jedoch nicht zuständig, wenngleich die Eindringlinge auch schon den Weg in die Häuser gefunden haben.
„Wir haben die Lage jetzt relativ gut unter Kontrolle. Wir arbeiten im Rahmen unserer Möglichkeiten und müssen das so akzeptieren“, sagt Houschka. Er glaubt nicht daran, den Bestand mit ebendiesen Möglichkeiten auf Null zu bringen, mehr als eine Reduktion sei nicht realistisch.
Absenkende Gräber und kaputte Gehwege – das ist das Resultat des Befalls, denn die Ameisen transportieren den Sand ab, der für Stabilität sorgte. „Es zeichnet sich nicht ab, dass die Ameisen vom Areal verschwinden“, erklärt der Ketscher Bürgermeister Timo Wangler. Auch wenn die Zahl der Tiere stetig eingedämmt werden könne, gebe es für die Gemeinde aktuell kein echtes Gegenmittel.
In diesem Sommer sind die Kolonien sechs bis acht Wochen lang mit einer Art Dampfstrahler mit einem Heißwasser-Maisstärke-Gemisch bekämpft worden. Im nächsten Jahr beginnt alles von vorn.
Kern des Problems ist, dass die Tapinoma-Ameise als „Lästling“ gilt und so die Zuständigkeit bei den Behörden nicht genau geregelt sei. „Wir sind in engem Kontakt mit dem Ministerium“, sagt Wangler, „das Tier steht auf keiner Liste und es stellt sich die Frage wie man am besten bekämpft.“
Fokus auf Kehl
Ein Bericht im Fernsehen in der Halbzeitpause bei einem Spiel der Fußball-EM in diesem Jahr habe Kehl in der Ortenau als neuen Lebensraum der lästigen Ameise Bekanntheit verschafft. Seit langem gehe es jedoch nicht mehr nur um Kehl, erklärt der Schwetzinger Landtagsabgeordnete Dr. Andre Baumann, von den Grünen.
Er ist mitverantwortlich für die Investition von 210.000 Euro über zwei Jahre, die nun für Forschungszwecke und letztlich zur effektiveren Bekämpfung der Ameisenkolonien eingesetzt werden soll. „Ketsch zum Beispiel läuft unter dem Radar“, sagt er, dabei sei die Lage in dieser Stadt schlimmer als in der Ortenau. Auch in Nachbargemeinden wie Schwetzingen seien schon erste Tiere gesichtet worden. Denn ohne Forschungsergebnisse bleibe auch die Bekämpfung auf dem aktuellen Stand.
Die Ameisen seien etwa ein Jahr vor ihm da gewesen, sagt der Ketscher Bürgermeister Timo Wangler, der 2022 seinen Dienst antrat. Seither gehöre die Bekämpfung zu den Aufgaben der Stadtverwaltung. Mit einem Mann oder Frau könne Arbeit erledigt werden. Doch auch die Schäden an Friedhofswegen und Gräber, an Bäumen und gepflasterten Flächen müssten immer wieder behoben werden. Der Landtagsabgeordnete Andre Baumann betont, dass sich wegen fehlender Zuständigkeiten die betroffenen Kommunen oft allein gelassen fühlten.
Schnelligkeit in die Sache gebracht
Das solle sich jetzt ändern. Es solle Schnelligkeit in die Sache gebracht werden, durch anwendungsorientierte Forschung. Die Tapinoma verdränge heimische Ameisenarten und störe das ökologische Gleichgewicht. Besonders problematisch sei ihre Resistenz gegen viele herkömmliche Bekämpfungsmethoden, was innovative Lösungen dringend erforderlich mache, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung des Abgeordneten.
Weiter: „Die nun bereitgestellten Mittel sollen dazu dienen, gemeinsam mit Forschungseinrichtungen und Kommunen nachhaltige und lokal wirksame Konzepte zu entwickeln.“ „Es gibt für die Ameise keinen Gegenspieler“, erklärt Baumann, selbst promovierter Biologe.
Alle Rathäuser entlang der Rheinschiene
Auch in Ketschs Nachbarstadt Schwetzingen ist die Tapinoma Ameise ein Begriff: Das Problem „Tapinoma-Ameise“ sei inzwischen in allen Rathäusern entlang der Rheinschiene angekommen und grundsätzlich bekannt, erklärt Pressesprecherin Andrea Baisch. "Ich selbst bin dazu mit der Pressesprecherin der Stadt Kehl schon seit Monaten in engem Austausch, kenne daher die Probleme und Schäden, die diese Plagegeister verursachen und verfolge die Versuche der Bekämpfung und Eindämmung mit großem Interesse", erklärt sie weiter.
Im Schwetzinger Stadtgebiet seien bislang noch keine größeren Schäden bekannt. Zur Bekämpfung existiere ein Gerät mit Heißwasser, das ursprünglich zum Entfernen von Unkraut verwendet wird. "Da es bislang noch keine wirklich erfolgversprechende Lösung zur Bekämpfung gibt, bleibt aktuell nur das Abkochen mit heißem Wasser", sagt Baisch, "Die Bekämpfung mit Gift lehnen wir – Stand heute - ab."
Superkolonien zu tausenden
Denn bekannt ist über die Ameise aus Nordafrika und dem Mittelmeerraum nicht viel. Das erklärt der Leiter des Bereichs Insektenkunde im Karlsruher Naturkunde Museum, Manfred Verhaagh. Eine der Einrichtungen, die unter anderem mit dem Naturkundemuseum in Stuttgart über die Fördergelder zur Forschung an und gegen die Ameisen beauftragt sind.
Kennzeichnend sei, dass die Tiere zu tausenden Superkolonien bildeten, mit mehreren Königinnen und Straßen – möglich mit einer Ausdehnung über mehrere Hektar.
Die Forscher vermuten, dass die Tapinoma über mediterrane Pflanzen eingewandert sind, und das mehrfach. Dass sie meist in der Nähe von Pflanzencentern zuerst gesichtet worden sind, spreche dafür, erklärt Verhaagh. Es gebe nicht viel Forschung zu den Tieren, deshalb müssten sich die Tierkundler zunächst mit Grundlagenforschung beschäftigen, ein Monitoring betreiben, um die Insekten einordnen zu können.
Spielplätze, Friedhöfe und Vorgärten
Was bekannt ist: Die Insekten bilden Superkolonien mit mehreren Königinnen, die so den ganzen Staat immer neu beleben können. Sie können nicht stechen, aber gleichwohl beißen. Sie besiedeln großflächig Spielplätze, Friedhöfe und Vorgärten. Die Anwohner seien in ihrem Alltag eingeschränkt, sagt Verhaagh, der von Menschen berichtet, die auch nicht für ein paar Tage wegfahren, um ihren Vorgarten im Blick zu haben.
In Karlsruhe hat die Verkehrsgesellschaft AVG regelmäßig mit Schäden an Wegen und Gleisen durch die fleißigen Insekten zu tun. Vereinzelt beschädigten sie Stromkästen, was zu kurzzeitigen Stromausfällen führte. Zur Bekämpfung gebe es zwei Strategien: Die eine sei thermisch an den jeweiligen Standorten, so, wie es in Ketsch der Fall ist. Die andere sei durch Insektizide in vergifteten Ködern zum Beispiel. Die Arbeiterinnen bringen diese dann ins Nest zu den Königinnen - so könnten die Kolonien von innen heraus bekämpft werden.
Zu untersuchen sei zudem, inwieweit sich die Ameise schon in unseren Gefilden angesiedelt hat. Sie tritt nicht in der freien Natur, aber vor allem im städtischen Bereich auf, erklärt Verhaagh. In Ketsch ist Bürgermeister Timo Wangler froh über die geförderte Forschung. Denn die Dieselmotoren der Heißwassergeräte werden vor allem für Frühjahr und Sommer bereit gemacht. „Es zeichnet sich nicht ab, dass die Ameisen den Geist aufgeben“, sagt er.