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Musik im Park

Magische Momente: Placebo im Schwetzinger Schlosspark

Bunt und melancholisch: Placebo in Schwetzingen.

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Bunt und melancholisch: Placebo in Schwetzingen.

Als Placebo(von lateinisch placebo, „ich werde gefallen“) wird ein Scheinmedikament bezeichnet, das keinen relevanten Arzneistoff enthält und somit auch keine pharmakologische Wirkung erzielt. Placebo heißt jedoch auch eine, im Jahr 1994 in London gegründete englische Band, die am vergangenen Samstag im Schwetzinger  Schlosspark vor ausverkauftem Haus gastierte und durch einen fulminanten Auftritt die Herzen ihrer zahlreichen Fans eroberte. 

"Sensationelle Show"

Frank aus Edenkoben und Susanne aus St. Martin in der Pfalz haben Tickets in der „Front of Stage“ ergattert, sind voller Erwartung  und bekunden: „Wir haben Placebo noch nie live gesehen und freuen uns auf eine geile Show“. Marett und Matti sind extra aus Berlin angereist, verbringen zwei Tage in Heidelberg, erleben ebenfalls ihre Konzertpremiere mit Placebo und werden zwei Stunden später formulieren: „Sensationelle Show. Wir sind begeistert“. Wie es begann, mit Placebo? Vor 30 Jahren hatten sich der im belgischen Brüssel geborene Brian Molko (heute 51) und der Schwede Stefan Olsdal aus Göteborg (50) zufällig an einer U-Bahn-Station in London getroffen. Beide waren in Luxemburg auf dieselbe Schule gegangen, hatten dort aber kaum Kontakt.

Viel Farbe und viel Fantasie in der MusiK : Placebo in Schwetzingen.

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Viel Farbe und viel Fantasie in der MusiK : Placebo in Schwetzingen.
Placebo Bassist Stefan Olsdal gibt auf der Bühne alles.

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Placebo Bassist Stefan Olsdal gibt auf der Bühne alles.
Die Lichtershow bei Placebo im Schlosspark in Schwetzingen war beeindruckend.

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Die Lichtershow bei Placebo im Schlosspark in Schwetzingen war beeindruckend.
Mit weißem Bass: Placebo-Bassist Stefan Olsdal.

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Mit weißem Bass: Placebo-Bassist Stefan Olsdal.
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Molko - Sohn eines US-amerikanischen Vaters mit französisch-italienischer Abstammung und einer Mutter aus Schottland – lud Olsdal zu einem Gig ein. Danach entstand der Bandname, da sich Mitte der 90er Jahre mehrere Gruppen nach Drogen benannten. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Molko hatte schon in jungen Jahren gegen sein strenges Elternhaus rebelliert und sich ein androgynes Erscheinungsbild auferlegt und sich später auch als Bisexueller geoutet. Im Januar 1995 hatten Brian Molko (Gesang, Gitarre) und Stefan Olsdal (Bass, Gitarre, Keyboard) zusammen mit Drummer Robert Schultzberg ihren ersten offiziellen Auftritt als „Placebo“ im Londoner Rock Garden und noch im gleichen Jahr wurde ein erster Song veröffentlicht.

Gefühle darstellen

Heute besteht die Band aus Molko und Olsdal und wird, wie jetzt auch in Schwetzingen, von vier Tourmitgliedern an Schlagzeug, Gitarre, Keyboard und Violine begleitet. Bis 2013 hatte Placebo sieben Alben veröffentlicht und als schon manche nicht mehr an eine neue Platte glaubten, erschien 2022 das an frühere Tage erinnernde „Never Let Me Go“. Auch beim gefeierten Gig in Schwetzingen, zu dem Fans aus der ganzen Republik angereist waren, wird deutlich, dass Placebo schon immer ein Händchen dafür hatte, unaussprechliche Gefühle musikalisch und in verschiedenen Lautstärken darzustellen.

Dabei geht die Reise von wütend und kratzig bis sanftmütig und balladesk. Die Stimme des gut aufgelegten Brian Molko – Fixpunkt und Mittelpunkt der Show – repräsentiert dabei das wichtigste Instrument, transportiert sie doch die ungeheure Melancholie, die diese Formation ausmacht. Elegische Musik, die traurigen und missverstandenen Seelen Wärme spendet. Fabian und Joana aus Mannheim kennen alle Songs auswendig und singen begeistert mit: „Was für eine tolle Stimmung. Besser geht nicht!“.

"Eiskalte Engel"

Marko (46) und Tochter Angelina (19) kommen aus Thüringen, fahren noch in der Nacht wieder zurück und outen sich als echte Hardcore-Fans: „Wir haben schon einige Placebo-Gigs erlebt. Stets ein großer Spaß“. Placebo spielen in 90 Minuten fast 20 Songs, darunter „Beautiful James“, „Try Better Next Time“, das wunderschöne „Went Missing“, „Surrounded By Spies“ oder „Sad White Reggae“ - und natürlich „Every You, Every Me“, das kommerziell erfolgreichste Stück, das auch als Soundtrack für den Film „Eiskalte Engel“ bekannt wurde.

Molko hatte den Song zuvor lachend in deutscher Sprache mit „Jetzt machen wir alte Schule“ angekündigt. Überhaupt: Der singende Gitarrist mit der Ukraine-Flagge auf seinem Instrument ist gut drauf, bedankt sich stets für den stürmischen Applaus, während Olsdal meist stoisch seinen Bass bedient. „Wollt ihr Tanz-Rock'n'Roll?“ fragt Molko und schon gibt es „For What It's Worth“ und „Too Many Friends“ auf die Ohren und 7000 Fans sind verzückt. So auch bei „Happy Birthday In The Sky“.

Bedingungslos gefeiert

Das Publikum feierte die Band für ihre musikalische Direktheit nahezu bedingungslos und ist auch wegen der tollen Lightshow aus dem Häuschen. Fast ganz zum Schluss dann „The Bitter End“ - keinesfalls ein bitteres Ende, sondern der Schlusspunkt einer intensiven Konzertreise mit einer Gruppe, die oft für Schlagzeilen sorgte und die man in Deutschland zuletzt 2016 im Rahmen einer ausgedehnten Tour erleben konnte. Was, schon Schluss nach knapp 90 Minuten? Natürlich nicht und mit dem fulminanten „Infra-Rot“ wird die Zugaberunde eingeläutet und die Menge tobt.

Jetzt ziehen die Jungs weiter in die Schweiz, nach Spanien, Georgien und Kasachstan und werden sicher auch dort in das oberste Regal greifen. Als Support war die dreiköpfige italienische, 2016 gegründete Art-Rock-Band „Husky Loops“, die ursprünglich aus Bologna kommt, jedoch in London lebt, am Start, konnte jedoch mit Sänger und Gitarrist Pier Danio Forni nicht unbedingt neue Anhänger gewinnen.

Am Ende hatten die Besucher in einer lauen Sommernacht mit Placebo einen „geilen Abend mit einer Band, die eine magische, dramatische und emotionale Atmosphäre in einer genialen Umgebung“ geschaffen hatte, erlebt, wie Ronny Zimmermann aus Wiesloch begeistert und treffend formulierte. Ein Placebo-Konzerterlebnis also ohne Risiken und Nebenwirkungen. (of)