Sie waren die Zentren des sozialen und gesellschaftlichen Lebens. In ihrem neuen Geschichtsbuch nehmen der Stadtarchivar Martin Mundorff und Fotograf und Designer Paul Kottmann die Wirtshäuser Eislingens unter die Lupe.Dafür haben sie unzählige historische Fotos gesichtet, Interviews mit Zeitzeugen geführt und in Geschichtsbüchern recherchiert. Am Montag wurde das ab Herbst erhältliche Buch erstmals öffentlich dem Gemeinderat vorgestellt.
Das bildreiche, mehr als 300 Seiten starke Werk wird einen Einblick in längst vergangene Tage ermöglichen. In dem Buch werden aber nicht allein die Gebäude der Wirtshäuser zu sehen sein. Es sind auch Fotos von Besuchern, Eigentümern und Angestellten darin. „Mir war auch wichtig, die Menschen zu zeigen, die dahinterstehen“, so Kottmann. Die Geschichten hinter den Bildern spiegeln immer wieder kleine Teile der Ortsgeschichte wider. So zeigt ein Gruppenfoto die Abschiedsfeier eines Auswanderers, der Eislingen verlässt, um in den USA sein Glück zu suchen. Ein anderes Bild zeigt die Verpflegung von Kriegsgefangenen. Es sind kleine Ausschnitte aus Zeiten, die die meisten heutigen Einwohner der Stadt noch nicht erlebt haben.
Soziale und gesellschaftliche Bedeutung
Rasch wird deutlich, welch große Bedeutung die Gaststätten einst im Leben der Menschen in der Stadt spielten. Der Besuch im Wirtshaus versprach nicht nur Unterhaltung, er diente auch dem Austausch über die kleine und große Politik. Hochzeiten oder kirchliche Feiern wurden dort begangen. Heute ist davon scheinbar nur noch wenig übriggeblieben. Der klassische Stammtisch stirbt aus.
Viele der einst bedeutenden Gaststätten der Stadt sind schon lange abgerissen. Wer kann sich heute noch an das prächtige Gebäude des Gasthauses Saalbau beim Schiller-Park erinnern? Es gibt aber auch Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit. So musste etwa der „Grüne Baum“ neben der Schlossapotheke erst vor wenigen Jahren der neuen Eislinger Stadtmitte weichen. Ebenfalls aus dem Stadtbild verschwunden ist das Gasthaus Reichsadler (Titelbild) vor der Lutherkirche. Weitere Gaststättengebäude stehen zwar noch. Der Betrieb wurde aber eingestellt, beispielsweise im Waldhorn. Andere Gaststätten haben den Stürmen der Geschichte bis heute getrotzt. Sie haben eine lange Tradition und sind bis heute wichtige Säulen im gesellschaftlichen Leben der Stadt. Der Adler sei beispielsweise damals wie heute ein „Schwergewicht der Eislinger Gastronomie“, sagte Kottmann. Doch der Blick auf alte Fotos zeigt auch dort, dass nicht alles immer so war, wie es heute ist. „Der Mühlkanal führte direkt am Adler vorbei. Heute ist dort der Biergarten“, erklärte Kottmann.
87 Gaststätten auf mehr als 300 Seiten porträtiert
Eineinhalb Jahre Arbeit stecken in dem Buch, das 87 Gaststätten zeigt. Entstanden sei die Idee beim Digitalisieren und Inventarisieren historischer Bilder, erklärt der Stadtarchivar Mundorff. „Es hat sich eine Eigendynamik entwickelt“, sagt er. Irgendwie seien sie während der Arbeit auf dieses Buch zugesteuert, das ab dem kommenden Herbst im Handel erhältlich sein soll.
Die offizielle Buchvorstellung erfolgt am Donnerstag, 17. Oktober 2024, um 19 Uhr in der Stadthalle Eislingen. Der Eintritt ist frei. Am 26. Oktober 2024 ist ferner ein VHS-Rundgang zu verschiedenen Gaststätten mit kulinarischem Abschluss geplant.