Dem Publikum Ende des 17. Jahrhunderts waren die Figuren aus der griechisch-römischen Mythologie geläufig. Ob sie aber damals Venus, Adonis, Pallas oder Vulcanus hießen oder heute Vicky, Andy, Paula oder Viktor ist in der Erfahrung von Lust und Schmerz der Liebe dieselbe.
Ebenso als 1699 Johann Sigismund Kusser seine Oper „Adonis“ dem Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg in der Figur des Adonis auf den Leib schrieb. Erst im Jahre 2005 wurden die Noten in Stuttgart wiederentdeckt und ob sie damals zur Aufführung kamen, dafür gibt es keine Beweise. „So kann es sein, dass dies heute in Schwetzingen eine Uraufführung ist …“ sinniert Dramaturgin Ulrike Schumacher „... aber auf jeden Fall eine Wiederentdeckung“.
Und sie macht aufmerksam auf die wunderbare Musik. Kusser komponierte „melodiegeführt“und mit zügiger Handlung. Rezitative und Dialoge wechseln sich ab mit prägnanten Da Capo Arien.
Welt der Mythologie
Das siebenköpfige junge Ensemble des Heidelberger Theaters schlüpfte gesanglich in die Welt der Mythologie und setze sie durch Kostüme und Bühnenbild (Stefan Rieckhoff) konträr in die heutige Zeit. So pendelte die Handlung zwischen der verträumten Kulisse des Barock und einer nüchternen Wartehalle heute hin und her. Die Handlung schritt im ersten Teil schnell voran und die Umbauphasen gestalteten die Schauspieler selbst.
So begann der Dialog zwischen Venus (die starke Sopranistin Theresa Immerz) und Pallas/Athene (eine knabenhaft-weibliche Zuzana Petrasová) über den ungehörigen Sohn Cupido/Amor (ein erfrischender Joáo Terleira) der seine Pfeile ungezielt durch die Gegend schoss am griechischen Strand. Die Strenge und Züchtigung der Mutter Venus erzeugte Widerstand im Verhalten des Pupertierenden und er traf von nun an gezielt.
Raum für klärende Arien
Für seinen Meisterschuss bestellte er einen besonderen Pfeil beim Schmied Vulcanus (Sreten Manojlovic, ein stimmgewaltiger Bass) im Messi-Modus. Und so kam es, dass Adonis (der strahlend männliche Tensor Jonas Müller) der von der Liebe wenig hielt und sich der Jagd verschrieb, den Avancen der in ihn verleibten Venus erlag und selbst Gefühle spürte.
Zwei weitere Paare füllten die Handlung und konnten nicht zusammen kommen. Der tiefenpsychologische Apollo (wunderbare Stimmlage im Counter-Tenor Rémy Brés-Feuillet) und die vergeistigte Daphne (zarte, sich steigernde Indre Pelakauskaite) werden ebenso kein Paar wie der Amboss-hämmernde Vulcanus und die gestrenge Pallas.
Nach der schnellen Handlungsabfolge im ersten Teil gibt der zweite Teil der Oper Raum für klärende Arien: das Freundschaftsangebot der Pallas, der Wehmut und Rachegedanken des Apollo, dem Sterben des Adonis und der Trauer der Venus. Die Musik begleitete szenisch entweder voluminös, wobei die präsenten Stimmen der Sänger immer über ihr lagen, oder einfühlsam besonders mit den Saiteninstrumenten.
Das Beste dieser fesselnden Musik
Die zartfühlende Laute (Leon Jänicke), die singende Barockharfe (Maximilian Ehrhardt), das wunderbare Cello (Sebastian Escobar Avaria), ein herausragemdes Fagott (Hitomi Wilkening) und ein immer präsentes Cembalo (Manon Parmentier) traten solistisch hervor. Ein zweites Cembalo spielte der Dirigent selbst und holte mit dem Orchester aus der Partitur das Beste dieser fesselnden Musik hervor. Am Ende huldigen alle der Liebe in einer gemeinsam gesungenen Schlussszene. Durch die Schnelle der Handlung und das in Faszination verharrende Publikum gab es keinen Szenenapplaus, dafür fiel der Schlussapplaus umso begeisterter aus.
Für alle, die sich dieses Musik-Erlebnis einer mystischen Barockwelt gepaart mit modernen Akzenten nicht entgehen lassen wollen, wird diese Oper noch mehrere Male bis Ende Januar gespielt. (aw)