Das soziale Netz ist gut. Immer wieder verlieren Menschen aber den Überblick im dichten Dschungel der Formulare, Regeln und Vorschriften. Die Folgen sind besonders für die Kinder dramatisch. 13 Prozent von ihnen sind im Landkreis Göppingen von Armut betroffen. Die Sozialpädagogische Familienhilfe der AWO hat deshalb eine Direkthilfe ins Leben gerufen, die die Not lindern soll. Das Ziel ist eine schnelle, direkte und unbürokratische Hilfe.
Oft geht es um Dinge, die für viele Menschen aus finanzieller Sicht eher Kleinigkeiten sind: ein Besuch im Eiscafé, eine Matratze oder neue Schulhefte. Wenn die Mitarbeiter der Sozialpädagogischen Familienhilfe der AWO unterwegs sind, bekommen sie immer wieder mit, wo der Schuh bei den Kindern drückt. Mit dem neuen Direkthilfeangebot soll den Mitarbeitern zukünftig ermöglicht werden, schnell und direkt zu helfen.
Klar gebe es das Bürgergeld, Wohngeld, Kindergeld und vieles mehr, erklärt die AWO-Geschäftsführerin des Kreisverbands Göppingen, Sonja Elser. Es gebe aber auch Familien, denen es nicht gelinge, die unterschiedlichen Unterstützungsmöglichkeiten korrekt zu beantragen.
Jeder, der schon einmal in schriftlicher Form mit irgendeiner Behörde zu tun hatte, kennt das Problem. Die Schreiben sind so formuliert, dass sie nur schwer zu verstehen sind. Immer wieder kapitulieren Menschen vor dem Schriftverkehr und erhalten deshalb nicht die Hilfe, die ihnen eigentlich zustehen würde. „Viele kommen mit dem vorhandenen Hilfesystem nicht klar“, sagt Elser. Und selbst wenn alles richtig ausgefüllt und fristgerecht mit allen geforderten Nachweisen beantragt wurde, kann es Tage, Wochen oder Monate dauern, bis das Geld auf dem Konto ist. Die umständlichen Verfahren sollen Missbrauch verhindern. Allerdings verhindern sie offenbar auch, dass Bedürftige Hilfe erhalten.
Einer der Folgen ist die Kinderarmut von 13 Prozent im Landkreis Göppingen. Und dabei handele es sich nicht um eine relative, sondern um eine absolute Armut, betont Elser. Es gehe um Kinder, die die ausgetretenen Schuhe der älteren Geschwister trügen oder die eine uralte Sonnenliege als Bett nutzten. Hinzu komme die Scham, die die Familien hätten.
Hilfsangebote kommen nicht immer an
Die finanzielle Armut ziehe soziale Folgen nach sich. Die Kinder würden ausgegrenzt und hätten wenig positive Erfahrungen. Sie gehen nicht auf Klassenausflüge mit oder werden nicht zu Kindergeburtstagen eingeladen. „Ich schäme mich ein bisschen, dass wir das zulassen. Kinder haben keine Lobby, vor allem arme Kinder nicht“, sagte Elser. Werde den Kindern nicht geholfen, drohe sich die Armut zu verfestigen. Dies koste die Gesellschaft am Ende wesentlich mehr als die Hilfe während der Kindheit, die in ein selbstständiges Erwachsenenleben ohne staatliche Hilfe führt.
Die Familienhilfe der AWO hat Kontakt zu den betroffenen Familien. Zukünftig sollen die Sozialarbeiter die Übernahme für bestimmte Dinge, die ihnen für die Kinder als notwendig erscheinen, beim Kuratorium der AWO-Direkthilfe anfragen können. Dem Kuratorium gehören Hans-Ulrich Weidmann (AWO-Kreisvorstand), Ingrid Katz-Hofelich und der Eislinger Oberbürgermeister Klaus Heininger an.
An der Notwendigkeit des neuen Angebots hat Eislingens Oberbürgermeister Klaus Heininger keine Zweifel. „Wir haben einen großen Kreis an Menschen, die erreichen das soziale Netz gar nicht“, berichtet er. Bildlich gesprochen sei es bei diesen Menschen so, dass sie zwar mit einer Hand am Rettungsboot hingen, aber nicht mehr die Kraft hätten, sich ins Boot zu ziehen. „Wir wollen die erreichen, die bedürftig sind“, sagt der Schultes. Würden die Familien nicht erreicht, drohe sich die Armut über Generationen hinweg fortzusetzen, befürchtet auch Heininger.
Dass die bestehenden staatlichen Hilfen nicht immer greifen, hat auch Heininger beobachtet. Zuweilen würden die Folgen von Armut auch verborgen bleiben. „Oft schaut man auch weg“, meinte der Schultes. Dabei sei seit vielen Jahren zu beobachten, wie die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland immer weiter auseinandergehe.
Damit die AWO-Direkthilfe wirken kann, werden weitere Spenden benötigt. Jede Spende gehe vollumfänglich wieder an eine Familie heraus, betont Elser. Es werde nicht für die Verwaltung oder ähnliches abgezogen.
Wer die AWO-Direkthilfe finanziell unterstützen möchte, kann unter IBAN DE21 6105 0000 0000 6649 41 spenden.