Die beiden Friedhöfe sollen mit menschenzugewandter Umgestaltung zukunftsfit werden.
In Süßen wurde das weltweit erste Experimentierfeld zum Friedhof der Zukunft im Juni 2023 eröffnet, dahinter steht die Agentur Vivorum, die kommunale und kirchliche Verwaltungen dabei unterstützt, ihre örtlichen Friedhöfe menschen-zugewandt, psychologisch wirksam und gesellschaftlich verbindend, als lebendigen Teil der Kommunalstruktur, zukunftsfähig weiterzuentwickeln.
Das Experimentierfeld wurde angeschaut. „Wir waren begeistert“, sagte Oberbürgermeister Klaus Heininger während der jüngsten Gemeinderatssitzung in der vergangenen Woche. Die Anlage hat Eindruck gemacht, genauso wie das Konzept, das Trauerbewältigung vor psychologischem Hintergrund und Friedhöfe als Ort für die Lebenden umfasst.
Neue Erkenntnisse aus der Trauerforschung
„Die den Grabanlagen zugrunde liegenden Erkenntnisse aus der Trauerforschung und Friedhofsentwicklung haben uns überzeugt“, erklärte Heininger. Schon seit drei Jahren beschäftigt man sich mit der zukünftigen Friedhofsentwicklung, Neubelegungen erfolgen systematisch, sodass mittel- und langfristig mehr Freiflächen zur Umgestaltung zu Verfügung stehen. Freie Flächen sollen Nutzungsmöglichkeiten für alte und neue Grabformen bieten, aber auch grabunabhängige Räume schaffen, die etwa der Begegnung oder als naturnah gestaltete Flächen dienen können.
Der Vivorum-Geschäftsführer Günter Czasny hat den Gemeinderäten jetzt den Masterplan, als Planungsgrundlage für die kommenden Jahre, vorgestellt. Potentielle Flächen wurden bereits ermittelt. Bestehende Grabarten sollen verdichtet werden, weitere Vorschläge sind naturnah gestaltete Bereiche mit geringerem Pflegeaufwand, Begegnungsflächen für die Bürger, Plätze für Kinder und Möglichkeiten, bei denen die kulturelle Vielfalt berücksichtigt wird.
„Das Angebot soll möglichst vielfältig werden“, sagte Heininger, man müsse sich dem Trend hin zu weniger Grabpflege stellen. Bestehende Grabarten sollen beibehalten, Urnengemeinschaftsanlagen fortgeführt werden. Anonyme Beisetzungen sollen möglich sein, ebenso die Bestattung von sogenannten Sternenkindern, die vor, während oder kurz nach der Geburt gestorben sind.
Die Umgestaltung beginnt noch in diesem Jahr
Schon im laufenden Jahr will man Änderungen anpacken, etwa die Anlage von insektenfreundlichen Blühwiesen. Ein Bereich mit dem Namen „Unter dem Baumdach“ soll pflegereduziert und kostenflexibel gestaltet werden. Jede Grabstätte soll mit mindestens einem Natursteinwürfel oder einer Natursteinplatte gestaltet werden, eine dazu gehörende Ritualfläche soll das Ablegen von Blumen oder Kerzen und auch individuelles Bepflanzen ermöglichen. Die Flexibilität der einzelnen Gestaltungselemente entspricht laut Czasny den neuesten Erkenntnissen aus der Friedhofsentwicklung und Trauerforschung. Bei den Gräbern ohne Pflegeaufwand werden die Ansprüche vieler Menschen erfüllt, allerdings ohne auf persönliche Bedürfnisse verzichten zu müssen.
Der Name unter dem Baumdach leitet sich von der Bepflanzung mit Bäumen ab, die dachartig über dem Bestattungsfeld wachsen werden. Eine Neuerung wird auch eingeführt, ab März werden die Friedhöfe nachts nicht mehr abgeschlossen.
Gemeinderat fasst einstimmigen Beschluss
Ulrike Haas (Grüne) gefällt der Ansatz sehr gut, die Friedhöfe fungierten auch als grüne Lunge der Stadt. „Wir stehen am Anfang eines langen Entwicklungsprozesses“, sagte Ingrid Held (SPD). Hans-Jörg Autenrieth (CDU) regte an, das Mitbringen von angeleinten Hunden zu erlauben. Auf Antrag der Freien Wähler soll ein Mustergrabfeld angelegt werden, mit Informationsveranstaltungen in der Aussegnungshalle sollen die Bürger informiert werden. Der Masterplan für die Umgestaltung, die Musterfeldanlage und die wegfallende Nachtschließung wurden einstimmig beschlossen. irs