Nach der bereits erfolgten Schließung in Orten wie Bad Saulgau, Kirchheim unter Teck und Neuenbürg haben sich jetzt erneut 18 Städte und Gemeinden aus dem Land direkt an Sozialminister Manne Lucha gewandt – mit der unmissverständlichen Forderung, die umstrittene Reform des ärztlichen Bereitschaftsdienstes zu stoppen und rechtsaufsichtlich prüfen zu lassen.
In einem offenen Brief fordern die Kommunalvertreter den Minister auf, die aktuelle Entwicklung nicht länger hinzunehmen. Konkret geht es um den Vorwurf, dass die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) die gesetzlich vorgesehenen Beteiligungsrechte der betroffenen Städte und Gemeinden missachtet habe. Das Schreiben nimmt dabei ausdrücklich Bezug auf ein Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. März 2025.
Sozialgericht gibt Kommunen in Teilen recht
Zwar hat das Gericht die Eilanträge gegen die Schließung abgelehnt und der KVBW einen weiten Gestaltungsspielraum eingeräumt. Doch betonen die Verfasser, dass das Gericht gleichzeitig eine wichtige Klarstellung getroffen habe: Die Beteiligungsrechte der Gebietskörperschaften gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB X seien durchaus rechtsaufsichtlich überprüfbar – auch wenn sie nicht einklagbar seien.
Diese Einschätzung widerspricht der bisherigen Haltung des Ministeriums, das die Anwendbarkeit der Vorschrift bislang verneinte. In dem Schreiben heißt es daher unmissverständlich: „Nehmen Sie die Ausführungen des Urteils des Sozialgerichts ernst und werden Sie im Wege der Rechtsaufsicht tätig.“
Die Städte und Gemeinden fordern Sozialminister Lucha auf, sich die Akten der KVBW vorlegen zu lassen und zu prüfen, ob die Beteiligungsrechte tatsächlich gewahrt wurden. Bis dahin solle jede weitere Schließung von Praxen gestoppt werden.
Mangelnde Einbindung und fehlende Abstimmung
Die Kritik der Kommunen richtet sich nicht nur gegen die inhaltliche Ausgestaltung der Reform, sondern auch gegen das Verfahren. Die Städte bemängeln, dass sie von der KVBW weder informiert noch eingebunden worden seien. Stattdessen hätten sie erst durch Presseberichte von den Plänen erfahren. Auch mit den Krankenhausträgern sei offenbar keine ausreichende Abstimmung erfolgt.
Ein Beispiel für die teils hitzige Diskussion war eine Podiumsdiskussion im Dezember 2024, bei der sich selbst Vertreter der Krankenhausgesellschaft kritisch zur geplanten Reform äußerten. Matthias Einwag, Hauptgeschäftsführer der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft, nannte die Pläne damals „unausgegoren und unabgestimmt“.
Blick nach Berlin: Reformpläne werfen Schatten voraus
Ein weiterer Punkt, den die Kommunen anführen: In Berlin kündigen sich gesetzliche Änderungen im Gesundheitsbereich an. CDU/CSU und SPD wollen innerhalb der ersten 100 Tage der neuen Legislaturperiode eine Reform des Notdienstes auf den Weg bringen – auch mit Blick auf die Sozialversicherungsstellung von Ärzten im Bereitschaftsdienst. „Es erscheint widersinnig, jetzt übereilt die Axt an die Notdienstversorgung im Land zu legen, wenn sich die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen in wenigen Monaten ganz entscheidend verändern werden“, heißt es in dem Brief. Die Kommunen fordern deshalb ein Moratorium, bis Klarheit über die bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen herrscht.
Notfallgipfel wird gefordert
Die Kommunen zeigen sich offen für eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Land, kritisieren aber die bisherige Gesprächsbereitschaft des Ministers. „Bisher haben wir Sie nicht als interessiert an unseren Positionen oder gar als Aufsichtsbehörde der KVBW erlebt – sondern eher als deren Anwalt“, heißt es in dem Schreiben. Die Unterzeichner fordern Minister Lucha dazu auf, einen Notfallgipfel einzuberufen, um gemeinsam mit allen Beteiligten über die Zukunft der Notfallversorgung zu sprechen. Der Brief endet mit einem Appell an das Ministerium, die Sorgen der Kommunen ernst zu nehmen – nicht zuletzt im Interesse der Bürgerinnen und Bürger im Land.