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Vortrag bei junge alte. Jörg Breitmaier: Ethik in der Medizin

Jörg Breitmaier ist Experte für Medizinethik. Darüber berichtet er bei junge alte.

rist

Jörg Breitmaier ist Experte für Medizinethik. Darüber berichtet er bei junge alte.

„Die Entscheidung für oder gegen eine Behandlung muss sorgsam abgewogen werden“

Darf eine Schwangerschaft abgebrochen werden, wenn das ungeborene Kind eine Erbkrankheit hat? Darf man einen Menschen beim Selbstmord unterstützen? Wann gilt ein beatmeter Mensch als Pflegefall ohne Aussicht auf Heilung? Welche Rolle spielt der Wille des Patienten? 

Diese und andere Konflikte aus dem Gesundheitswesen kennt Jörg Breitmaier aus eigener Erfahrung. Er berichtet im Evangelischen Gemeindezentrum Am Zwinger bei „junge alte“ im Rahmen der evangelischen Erwachsenenbildung über „Ethik in der Medizin“.

Sittliche Phänomene

Jörg Breitmaier ist promovierter Mediziner, Psychiater, Psychotherapeut und Ethikberater. Er hat die Ethikkomitees zweier Krankenhäuser geleitet. Viele Ethikfragen würden sich zum Anfang und zum Ende des Lebens stellen, sagt er, etwa aus den Bereichen der Vorgeburtlichen Diagnostik, der Geschlechtsangleichenden Therapien, der Suizidassistenz und der Therapieziel-Änderung am Lebensende.

Moral und Ethik

„Ethische Entscheidungen orientieren sich unter anderem an einer Leitfrage der Philosophie von Kant - was soll ich tun?“, so Jörg Breitmaier weiter. Zu unterscheiden sei zwischen Moral und Ethik, auch wenn die Begriffe umgangssprachlich häufig gleichbedeutend verwendet würden. „Moral sind die sittlichen Phänomene in einer bestimmten Gemeinschaft, also die moralischen Überzeugungen, Regeln, Normen, Wertmaßstäbe und Gebote“, sagt er. „Ethik ist die insbesondere philosophische Reflexion über moralische Phänomene. Sie versucht, zu begründen, warum etwas moralisch richtig oder falsch ist.“ Warum etwa sei der Wille des Patienten zu respektieren und was sei zu tun, wenn der Patient sich nicht mehr äußern kann?

Wissenschaftstheorie

Die Ethik biete allgemeine Kategorien für das, was richtig, gut, gerecht oder falsch, böse, ungerecht ist. Nach dem Prinzip des Utilitarismus gehe es um das größtmögliche Wohlergehen, den größtmöglichen Nutzen für alle. Nach der Kantschen Ethik solle jeder so handeln, dass er wollen könne, die Grundsätze seines Handelns würden Gesetz werden. Es gebe keine allgemein anerkannte ethische Theorie.

Traditionelle Medizinethik 

Als traditionelle Medizinethik existierten, traditionell bekannt unter dem Begriff des unverbindlichen „Hippokratischen Eids“, berufsinterne Regelungen für das Verhalten von Ärzten. Dazu gehöre die Schweigepflicht und das Ziel, dem Patienten zu nutzen und nicht zu schaden. Seit etwa 1950 gebe es neue Entwicklungen in der Medizin. Berücksichtigt würden der technische Fortschritt, die Bedeutung des freien Willens des Patienten, die Wissenschaftstheorie zur Medizinethik und ihre Erweiterung auf die allgemeine Ethik. 

Fürsprecher

„Im ‚Prinzipien-ethischen Modell‘ wird von vier Prinzipien ausgegangen“, berichtet Jörg Breitmaier. Er nennt das Prinzip des Wohltuns und Nutzens, das Prinzip des Nichtschadens, das Respektieren der Autonomie und das Prinzip der Gerechtigkeit.

Nutzen oder Schaden 

Der Nutzen einer Lebensverlängerung könne durch sinkende Lebensqualität aufgehoben werden. Schaden entstünde bei einem selbstbestimmten Lebensende, wenn diese Entscheidung nicht überlegt und nicht frei getroffen wäre. Der freie Wille sei respektiert, wenn eine Patientenverfügung oder die geschlechtliche Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt werde. Gerecht sei, wenn bestimmte vorgeburtliche Untersuchungen Krankenkassenleistungen seien. Grundsätzlich müsse die Entscheidung für oder gegen eine Behandlung sorgsam abgewogen werden. „Patienten und Angehörige brauchen Fürsprecher in einem zunehmend unverständlichen und unübersichtlichen Medizinsystem“, sagt Jörg Breitmaier, „Medizin braucht ethische Reflexion und Beratung.“ (rist)

In jedem Krankenhaus und in jeder ärztlichen Praxis können sich unversehens Fragen zur Ethik stellen.

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In jedem Krankenhaus und in jeder ärztlichen Praxis können sich unversehens Fragen zur Ethik stellen.
Wie ein Schirm beschützt moderne Medizin-Ethik auch Menschen bei ihrer geschlechtlichen Selbstbestimmung.

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Wie ein Schirm beschützt moderne Medizin-Ethik auch Menschen bei ihrer geschlechtlichen Selbstbestimmung.
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