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Heimattage 2025

Weinheim in Wolle: Eine Stadt häkelt sich selbst

Ab März wird es eine Ausstellung des gehäkelten Weinheim im Stadtmuseum geben.

Kevin Moschner

Ab März wird es eine Ausstellung des gehäkelten Weinheim im Stadtmuseum geben.

Weinheim hat viele Wahrzeichen: der Marktplatz mit seinen belebten Cafés, das Freizeitbad Miramar mit seinem knallbunten Rutschenturm oder auch der Hermannshof, Heimat verschiedenster exotischer und heimischer Pflanzen. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Seit Juli verwandeln sich ebendiese Wahrzeichen langsam in gehäkelte Kunstwerke. Eine Gruppe von mehr als 30 Menschen arbeitet mit Hingabe daran, Monumente und Straßenzüge der Stadt aus Wolle nachzubilden.

Die Idee dazu stammt von Renate Breithecker, selbst leidenschaftliche Hobby-Häklerin aus Weinheim. Sie wurde insbesondere durch eine Ausstellung im Museum Frieder Burda in Baden-Baden inspiriert, für die tausende Menschen Korallen aus Wolle häkelten. Diesen Gemeinschaftsgedanken wollte sie auch in ihrer Heimatstadt umsetzen. Einen Anlass dazu boten schließlich die Heimattage Baden-Württemberg, die nächstes Jahr in Weinheim ausgerichtet werden. In deren Rahmen soll ab März eine Ausstellung im Weinheimer Stadtmuseum entstehen, bei der die gehäkelten Werke gezeigt werden.

Monumente und Straßenzüge

Das Ziel ist ambitioniert. Die Gruppe häkelt bekannte Sehenswürdigkeiten und Straßenzüge aus der Stadt, darunter Marktplatz, Altstadt, Hermannshof, Moschee, Peterskirche oder auch der Live-Club Café Central. Jede Kleingruppe arbeitet an einem eigenen Projekt, um so die Vielzahl der Motive gemeinsam bewältigen zu können.

Anlässlich der Heimattage 2025 wurde das Projekt "Weinheim häkeln" gestartet.

km

Anlässlich der Heimattage 2025 wurde das Projekt "Weinheim häkeln" gestartet.

„Das Konzept ist nicht, eine große zusammenhängende Landschaft zu bauen, sondern verschiedene Teile, die in der Ausstellung ihren Platz finden“, erklärt Breithecker. Da komme es der Gruppe zugute, dass es im Museum nicht eine große Ausstellungsfläche, sondern mehrere Räume gebe. So wird etwa die gehäkelte Peterskirche im Raum mit den Fresken der alten Kirche präsentiert, während die gehäkelte Moschee in den Raum kommt, der der zerstörten Synagoge gewidmet ist.

Häkeln ohne Anleitung

Ein einfaches Unterfangen ist das Nachhäkeln der Stadt nicht – es gibt keine vorgefertigten Anleitungen für Weinheimer Häuser oder Gärten. Die Häklerinnen und Häkler müssen kreativ und improvisationsfreudig sein. Silvia Bangert beschreibt die Herausforderung: „Man häkelt normalerweise Pullis und Schals. Aber hier stehen wir vor einem Haus am Marktplatz und fragen uns: Wo genau sind die Erker? Wie setzt man das häkeltechnisch um?“

Die Gruppe umfasst eigentlich mehr als 30 Mitglieder, gehäkelt wird aber oft auch in Kleingruppen. Hier: John David Khalid, Claudia Edelmann, Renate Breithecker, Esther Kimmle, Silvia Bangert (v. l. n. r.)

km

Die Gruppe umfasst eigentlich mehr als 30 Mitglieder, gehäkelt wird aber oft auch in Kleingruppen.Hier: John David Khalid, Claudia Edelmann, Renate Breithecker, Esther Kimmle, Silvia Bangert (v. l. n. r.)

Um die Gebäude und Straßenzüge möglichst detailgetreu nachzubilden, werden zahlreiche Fotos der Objekte gemacht, die dann als Vorlage dienen. Trotzdem bleibt vieles der Kreativität überlassen. „Wenn Dinge ins Detail gehen, gibt es keine Häkelanleitung. Man muss es einfach selbst ausprobieren“, sagt Claudia Edelmann, eine weitere Teilnehmerin. Bei ihr entstand bisher nur ein Schneemann nach Anleitung, der Rest wurde „frei Schnauze“ gehäkelt.

Ein Projekt für die Gemeinschaft

John David Khalid ist der einzige Mann im Team. Khalid arbeitet am Hermannshof und fokussiert sich darauf, die dortige Pflanzenwelt sowie Teiche und Tiere nachzubauen. „Ich habe schon vorher viel gehäkelt und viel verschenkt“, erzählt er. „Jetzt dachte ich, ich könnte auch mal etwas für die Allgemeinheit machen.“ Seit dem Start im Juli ist Khalid fast täglich mit der Häkelnadel beschäftigt.

Selbst die Pflanzen im Hermannshof werden in liebevoller Handarbeit gehäkelt.

km

Selbst die Pflanzen im Hermannshof werden in liebevoller Handarbeit gehäkelt.

Künstlerischer Herausforderung

Die rege Berichterstattung in den lokalen Medien über das Häkelprojekt hat die Gruppe unter gewissen Erfolgsdruck gesetzt. „Es ist eine Herausforderung, dass die eigenen gehäkelten Sachen jeder anguckt“, gibt Claudia Edelmann zu. „Ich habe da so einen inneren Monk, der will, dass es gut aussieht.“ Besonders der Aufbau der Ausstellung, bei dem die verschiedenen Teile zusammenpassen müssen, werde zur Geduldsprobe. Die Schräge am Marktplatz müsse stimmen, und auch die Größenverhältnisse dürften nicht aus dem Ruder laufen, ergänzt eine Teilnehmerin. Bis Ende des Jahres solle noch gehäkelt werden, danach folgten der Aufbau und letzte Feinarbeiten.

Eine Ausstellung für Weinheim

Die Ausstellung wird ab März 2025 für etwa zwei Monate im Stadtmuseum zu sehen sein, bevor sie der geplanten Trachtenausstellung im Rahmen der Heimattage weichen muss. Was danach mit den gehäkelten Kunstwerken geschehen wird, ist derzeit noch unklar. „Bisher gibt es wenige Pläne“, räumt Breithecker ein. „Wir sind erstmal froh, wenn alles fertig ist.“