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Persönliche Werke aus 4 Jahrzehnten

Yoshitomo Nara-Ausstellung im Museum Frieder Burda

Yoshitomo Nara vor seinem Werk Harmless Kitty

Yoshitomo Nara, courtesy Yoshitomo Nara Foundation/Nikolay Kazakov

Yoshitomo Nara vor seinem Werk Harmless Kitty

Mit der Ausstellung Yoshitomo Nara präsentiert das Museum Frieder Burda bis zum 27. April 2025 anhand von Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen und Installationen aus vier Jahrzehnten die erste große Retrospektive von Yoshitomo Nara (*1959) in Deutschland.

 Nara zählt zu den bekanntesten Künstlern seiner Generation. Mit den sogenannten „Angry Girls“ erlangte der Japaner internationale Berühmtheit: Die meist großformatigen Porträts mit eindringlichen Augen gelten seit Langem als Ikonen der zeitgenössischen Malerei. 
 

Eines der Ausstellungsstücke: Yoshitomo Nara, My Drawing Room

Yoshitomo Nara, courtesy Yoshitomo Nara Foundation/ Nikolay Kazakov

Eines der Ausstellungsstücke: Yoshitomo Nara, My Drawing Room
Miss Forest lautet der Titel dieser Skulptur.

Yoshitomo Nara, courtesy Yoshitomo Nara Foundation/Nikolay Kazakov

Miss Forest lautet der Titel dieser Skulptur.
Werke aus vier Jahrzehnten von Yoshitomo Nara werden im Museum Frieder Burda präsentiert.

Yoshitomo Nara, courtesy Yoshitomo Nara Foundation / Nikolay Kazakov

Werke aus vier Jahrzehnten von Yoshitomo Nara werden im Museum Frieder Burda präsentiert.
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Zum Hintergrund seiner Werke 

Yoshitomo Naras Werke sind mit seiner persönlichen Geschichte verbunden: Sie erzählen von den einsamen Kindheitsjahren in Japan, von der Isolation, die er während seiner Studienzeit in Deutschland erlebte, von seiner politischen Auflehnung, von seiner Liebe für Underground Punk, Folk und Rock, für Literatur, Kino und Natur sowie von der Geschichte der japanischen und europäischen Kunst. Die Besucher sind eingeladen, Naras spannungsvolle Kunstwerke der letzten vierzig Jahre zu erleben und zu entschlüsseln: Sowohl die aufmüpfigen „Angry Girls“, die den Betrachter fixieren und ihm konfrontativ entgegentreten, als auch seine meditativ wirkenden Figuren, die verletzlich und ätherisch erscheinen, gewähren allesamt einen Einblick in die Seelenwelt des Künstlers. 

Die Ausstellung entstand in enger Abstimmung mit dem Künstler selbst und ist eine Kooperation des Guggenheim Museum Bilbao, des Museum Frieder Burda, Baden-Baden, und der Hayward Gallery, London. 

Midnight Tears lautet der Titel dieses Gemäldes von Yoshitomo Nara.

Yoshitomo Nara, courtesy Yoshitomo Nara Foundation/ Nikolay Kazakov

Midnight Tears lautet der Titel dieses Gemäldes von Yoshitomo Nara.

Interesse an der Menschheit 

Yoshitomo Nara hat ein tiefes Interesse an der Menschheit: Sein Werk untersucht und integriert die Themen von Heimat, Gemeinschaft, Natur und deren Zusammengehörigkeit. Auch wenn seine kraftvollen Porträts mit großen Augen an die japanischen Kultcomics „Mangas“ erinnern, sind Naras Figuren, Tiere und Mischwesen vor allem ein Spiegelbild seiner eigenen Erinnerungen und Gefühlswelten. 

Auch seine Liebe zur Literatur, sein Wissen über japanische und europäische Kunstgeschichte sowie seine Auseinandersetzung mit anderen Kulturen dienen ihm als Inspirationsquellen. Aber vor allem spielt Musik im Leben von Yoshitomo Nara eine zentrale Rolle: So ist Nara bis heute tief verwurzelt mit der Musik, die er bereits als Kind auf einem selbst konstruierten Radio hörte. In Kombination mit dem, was er aus den Bildern auf dem Albumcover erahnte, verstand er die Musik auf seine eigene Art und Weise und übersetzte sie ins Zeichnerische. 

„Das Japan der Nachkriegszeit stand im Zeichen des Wirtschaftswachstums. Meine Eltern waren berufstätig, und meine Brüder sind deutlich älter als ich. Deshalb war ich die ganze Zeit allein zu Hause. Mit Eltern und Brüdern hatte ich nicht viel zu tun. Ob ich rebellierte oder nicht, war egal; niemand hätte es gemerkt. Sie hatten keine Ahnung, wie ich in Wirklichkeit war. Ich liebte Musik und Mädchen. Ich fühlte mich total frei- aber auch verlassen“, so Nara. 

Hier steht Yoshitomo Nara vor seinem Werk Midnight Tears.

Yoshitomo Nara, courtesy Yoshitomo Nara Foundation/Nikolay Kazakov

Hier steht Yoshitomo Nara vor seinem Werk Midnight Tears.

Ein Rebell 

Bedrohlich, trotzig, wütend, melancholisch und unsicher: Mit den „Angry Girls“, mit denen der Künstler internationale Bekanntheit erlangte, widersetzt sich Nara dem in Japan so beliebten kawaii-Stil. „Kawaii“ (japanisch für „niedlich“) meint ein ästhetisches Konzept, das auf süße und unschuldig-kindliche Motive setzt. Nara setzt diesem Prinzip rebellische und aufmüpfige Protagonisten entgegen. Sie stehen sinnbildlich für die pazifistische, sozialkritische und weltoffene Haltung des Künstlers, die auch durch seine intensive Auseinandersetzung mit Japans historischer Rolle während des Zweiten Weltkriegs geprägt ist. 

Auch Naras politisches Bewusstsein, seine humanitären Anliegen und seine Antikriegshaltung haben ihren Ursprung in der Gegenkultur und der Folk- und Blues-Musik der 1950er und 1960er Jahre, die den Sound zur Bürgerrechts- und der Friedensbewegung lieferten. Nara leistete keinen Wehrdienst, reiste aber 2002 nach Afghanistan, um in Zeichnungen und Fotografien das dortige Kriegsgeschehen kritisch zu dokumentieren. 

Video: Yoshitomo Nara über seine Kunst

Zur Person

Yoshitomo Nara wurde 1959 in einem Vorort von Hirosaki im abgelegenen Norden Japans geboren. Nach seinem Masterstudium der Malerei an der Universität der Künste in Aichi, zog es ihn bereits 1980 nach Europa, wo er die Werke der europäischen Moderne und die Gemälde aus dem frühen Mittelalter und der Renaissance studierte. Die Begegnung mit den Originalen war für Nara wegweisend und beeinflussten sein späteres Schaffen nachhaltig. So erinnern seine runden Tellerbilder an die gestalteten Rundbilder (Tondi) der Renaissance mit ihren vereinfachten Hintergründen, die den Blick des Betrachtenden gezielt auf die Figuren in der Bildmitte lenken. Um in Anlehnung an die Fresken aus dem späten Mittelalter und der Frührenaissance ein ähnliches Erscheinungsbild zu erreichen, arbeitete Nara mit Pastellfarben und überzog diese mit einer dünnen weißen Farbschicht. 

1988 schrieb Nara sich an der renommierten Kunstakademie in Düsseldorf ein. Die nachfolgenden Jahre erwiesen sich als bedeutend für seine künstlerische Entwicklung. Aufgrund seiner fehlenden Deutschkenntnisse führte er – wie auch schon in seiner Kindheit – ein einsames Leben, was ihn aber noch viel mehr darin bestärkte, die Kunst als Kommunikationsmedium zu nutzen. 

An der Kunstakademie studierte Nara in der Klasse des deutschen Künstlers A. R. Penck, einem führenden Vertreter des Neoexpressionismus, der ihm den wegweisenden Impuls gab, seine malerische und zeichnerische Arbeitsweise miteinander zu verbinden. Dadurch entstand Naras einzigartige und originelle Bildsprache, die heute unverkennbar ist. Während dieser Zeit entwickelte Nara ebenfalls seine charakteristischen Kinderdarstellungen, die mit ihren markanten großen Köpfen und weit auseinanderliegenden Augen einen direkten emotionalen Bezug zum Betrachter herstellen.

Sie wirken auf den ersten Blick niedlich, aber die überspitzte Mimik und ihr rätselhaftes Gebaren verleihen ihnen einen konfrontativen Charakter. 

1994 zog Nara nach Köln. Seine Werke wurden in Einzelausstellungen und in vielen Gruppenausstellungen in ganz Europa gezeigt. 1995 stellte er zum ersten Mal in den USA aus. Im Jahr 2000 kehrte er nach Japan zurück, wo er auch heute noch aktiv ist. 

Mit der Ausstellung Yoshitomo Nara im Museum Frieder Burda kehrt der Künstler nun in das Land zurück, das für seine künstlerische Entwicklung wegweisend war.