Nur ganz wenigen Gebäckstücken ist ein eigener Ehrentag gewidmet. Die Mutschel ist eines davon. Die schwäbischen Hefegebäck-Teile finden sich in vielen württembergischen Bäckereiauslagen, aber in Reutlingen haben sie einen besonderen Stellenwert: Hier hat die Mutschel die typische Sternform und nur hier feiert man sie so besonders: Vermutlich bereits im 13. Jahrhundert wurde der Reutlinger Mutscheltag ins Leben gerufen und er findet heute jeden ersten Donnerstag nach Dreikönig statt – 2025 also am 9. Januar.

Mutschel - das irgendiwe ulkig klingende Wort kommt - so eine Theorie - aus dem Mittelhochdeutschen. Eine Mutsche - typisch schwäbisch verniedlicht eben Mutschel - bedeutet so viel wie missratener (Weiß-)Brotlaib oder einen Laib aus Teigresten. Ein Bäcker, welcher oft missratenes Brot buk, wurde früher daher oft Mutschelbek genannt. In Reutlingen berichten alte städtische Dokumente bereits im 13. Jahrhundert auch den Namen Mutschler für einen Bäcker. Wie dem auch sei: Traditionell ist das Gebäck ein achtzackiges Backwerk aus mürben Hefeteig. Und mittlerweile gibt es zahlreiche Weiterentwicklungen des ursprünglichen Rezeptes wie die Pizzamutschel, die Lebkuchenmutschel oder die Laugenmutschel.

Beim Mutschelbackwettbewerb der Stadt Reutlingen werden die schönsten und kreativsten Mutscheln sogar mit einem Preis ausgezeichnet.

Reutlinger Mutscheltag

Video: Mutscheln selbst nachbacken

Herstellen lassen sich klassische Mutscheln aus wenigen, einfachen Zutaten, meist ist ein Hefeteig die Grundlage. Für den reichen meist Hefe, Mehl, Ei, Butter, Milch, Butter und etwas Salz. Die Reutlinger Mutschel ist goldgelb, achtzackig-sternförmig und in ihrem Zentrum befindet sich kreisförmig und leicht erhaben ein Kegel - laut mancher Überlieferung symbolisiert diese die Achalm, den Reutlinger Hausberg. Eine andere Theorie besagt, dass die Mutschel das Mühlrad symbolisiert, das auch auf der Fahne der Müllerszunft zu finden war. In Reutlingen und Umgebungen sind sie schon Wochen vor dem Mutscheltag in Bäckereien zu kaufen, diese haben in den Wochen nach Weihnachten Hochbetrieb.

Traditionen am Ehrentag

Warum die Mutschel vor allem in Reutlingen so eine große Rolle spielt ist nicht ganz klar ... fest steht aber, dass bis 1802 in der Freien Reichsstadt den Zünften - also auch der Müller- oder Bäckerzunft - eine tragende Rolle zukam. Früher zählte in Reutlingen das sogenannte "Preisschießen" zu den Traditionen am Ehrentag: Am Donnerstag nach Dreikönig traf sich hier die Schützengilde, der Schütze, der bei diesem Schießen am besten abschnitt, gewann dabei eine Mutschel oder einen Lebkuchen. Bis heute hat sich in Reutlingen das "Mutscheln" gehalten. Das heißt, es werden am Ehrentag des Gebäcks Würfel gespielt und der Gewinner erhält - na klar - eine Mutschel. Die Spiele tragen dabei so kreative Namen wie "Der Wächter bläst vom Turme", "Langer Entenschiss", "die große Hausnummer" oder "Nacket's Luisl". Noch heute findet in Reutlingen in zahlreichen Gaststätten oder privat organisiert das öffentliche Mutscheln statt. Vereine und Kirchen laden ein zum geselligen Mutschelessen und Spielen ein.

Auch im benachbarten Pfullingen gibt eine ähnliche Tradition - die Mutschel heißt hier Sternpaschen und hat sieben Zacken, gespielt wird hier am Abend vor dem Dreikönigstag, dem 5. Januar und auch in Münsingen dreht sich an diesem Tag alles um das "Hirschörnle". Gespielt wird überall.

Video: Besuch bei einem Reutlinger Bäcker am Mutscheltag

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