Auswirkungen einer Insolvenz auf das Arbeitsverhältnis
Meldet ein Unternehmen Insolvenz an, bekommt es einen sogenannten Insolvenzverwalter zur Seite gestellt. Dieser soll die Geschäfte weiter lenken und bei einer möglichen Rettung der Firma unterstützen. „Auf das Arbeitsverhältnis der Angestellten hat die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens keine Auswirkungen. Das heißt, sie müssen weiterhin zur Arbeit erscheinen“, erläutert Michaela Rassat. Einziger Unterschied: Jetzt ist es Aufgabe des Insolvenzverwalters, beispielsweise Arbeitszeugnisse auszustellen, Gehalt zu zahlen oder Kündigungen auszusprechen. Bei Arbeitszeugnissen gilt: Endet das Arbeitsverhältnis noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ist in der Regel der bisherige Arbeitgeber für das Zeugnis zuständig.
Anspruch auf Lohn und Insolvenzgeld
Während der Insolvenz haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Lohn. „Bleibt der Lohn aus oder kommt er nur unvollständig, sollten sich Arbeitnehmer schriftlich an den Insolvenzverwalter wenden und ihn zur Zahlung auffordern“, erklärt Rassat. „Arbeitnehmer zählen zu den Gläubigern und können daher ihre Ansprüche ihm gegenüber geltend machen.” Da die Belegschaft häufig schon vor Insolvenzeröffnung von Zahlungsrückständen betroffen war, erhalten Arbeitnehmer Unterstützung durch das Arbeitsamt. Es fängt Lohnrückstände für die letzten drei Monate vor Eintreten der Insolvenz durch das sogenannte Insolvenzgeld auf.
„Damit Angestellte das Insolvenzgeld erhalten, müssen sie innerhalb von zwei Monaten ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Antrag bei der Arbeitsagentur stellen“, so die Expertin. Dann erhalten sie eine einmalige Zahlung. Ein wichtiger Tipp der Rechtsexpertin: „Niemals freiwillig auf Teile des Gehalts oder Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten. Denn die Kürzungen wirken sich auf die Höhe des Insolvenzgeldes aus.“
Insolvenzgeld – und dann?
Wie geht es für Arbeitnehmer nach Zahlung des Insolvenzgeldes weiter? „Weitere offene Lohnforderungen aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung werden wie alle anderen offenen Forderungen gegen das Unternehmen behandelt. Wie viel der Arbeitnehmer bekommt, hängt von der Anzahl der Gläubiger und der Insolvenzmasse – also dem Vermögen des Unternehmens – ab“, erläutert Rassat. Das Vermögen wird unter den Gläubigern, dazu zählen Mitarbeiter, Banken, Lieferanten und Dienstleister, aufgeteilt.
„Damit die Ansprüche des Arbeitnehmers dabei berücksichtigt werden, muss er seine Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden. Dies gilt zumindest für Lohnansprüche aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung. Die Formulare für die Auflistung seiner Ansprüche erhält der Arbeitnehmer beim Insolvenzverwalter“, so die Juristin. Er informiert die Mitarbeiter in der Regel auch über die dafür geltende Frist. Lohnforderungen, die während des laufenden Insolvenzverfahrens entstehen, sind jedoch sogenannte Masseforderungen: Der Insolvenzverwalter muss sie bevorrechtigt und in voller Höhe aus der Insolvenzmasse bezahlen. Immer vorausgesetzt, es ist genug Masse vorhanden.
Wenn die Insolvenz zur Kündigung führt
Auch wenn die Insolvenz an sich nicht als Kündigungsgrund ausreicht, kann es dennoch im Laufe einer Insolvenz zu Kündigungen von Mitarbeitern kommen. Allerdings muss sich auch der Insolvenzverwalter an die üblichen Regeln halten und zum Beispiel das Kündigungsschutzgesetz beachten, wenn der Betrieb mehr als zehn Vollzeitmitarbeiter hat. „Während eines Insolvenzverfahrens gelten spezielle gesetzliche Kündigungsfristen“, so Rassat. „Die Frist beträgt drei Monate zum Monatsende – das gilt auch dann, wenn längere Fristen zum Beispiel in Tarif- oder Arbeitsverträgen vereinbart wurden.“ Steht im Arbeitsvertrag eine kürzere Frist, so ist diese wirksam.
Bleibt der Lohn aus und möchten Arbeitnehmer daher selbst kündigen, sollten sie darauf achten, dem Insolvenzverwalter vorab eine schriftliche Abmahnung mit Fristangabe zur Gehaltszahlung zu schicken und abwarten, bis diese Frist erfolglos verstrichen ist. Aber: Vor der Kündigung sollte der Arbeitnehmer unbedingt Rücksprache mit der zuständigen Agentur für Arbeit halten. Es ist nämlich nicht einheitlich geregelt, wie viele ausstehende Gehaltszahlungen ausreichen, damit die Arbeitsagentur eine Kündigung als berechtigt ansieht und auf eine dreimonatige Sperrzeit verzichtet. „Bei diesem Schritt ist fachkundige Beratung zu empfehlen“, weiß die Juristin.
Übernahme des Unternehmens: Folgen für die Beschäftigten
Ein Insolvenzverfahren kann auch mit der Sanierung des Betriebes enden – vielleicht findet sich während des Verfahrens auch ein Käufer für das Unternehmen. Bietet dieser den Beschäftigten neue Arbeitsverträge zu veränderten Konditionen an, ist es ebenfalls sinnvoll, fachkundigen Rat einzuholen, etwa von einem Anwalt für Arbeitsrecht. Eine Kündigung allein anlässlich des Betriebsübergangs ist nicht zulässig. Allerdings können sich danach betriebsbedingte Gründe für eine Kündigung ergeben, wenn das Geschäft nicht besser läuft.