Autobahnen wie Rastplätze verbreiten selten andächtige Stimmung. Anders liegt der Fall an der A 5 bei Baden-Baden.

Kirche für unterwegs

Zugegeben, ein typisches Gotteshaus ist das nicht. Es gibt weder gotische Spitz- noch romanische Rundbogen und auch keine barocken Zwiebeltürme, stattdessen hat die Kirche die Form einer Pyramide. Sie prägt kein Dorf- oder Stadtbild und war auch nie mit Zusatzaufgaben belastet wie viele ihrer älteren Artgenossinnen: Bis ins 19. Jahrhundert hielt der Türmer von seinem Platz aus Ausschau nach gegnerischen Angriffen oder Bränden; in Küstennähe fungierte ein Kirchturm schon mal als Leuchtturm und wurde im Angriffsfall schnell zum Wehr- oder Fluchtturm.

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Von all dem ist diese Kirche völlig frei. Auf der grünen Wiese direkt an der Autobahn konnte sich ihr Baumeister gründlich von Konventionen befreien und austoben.

Außenansicht der Autobahnkirche St. Chrstopherus Baden-Baden

MEIN LÄNDLE/Jean Claude Winkler

Durch das Abraham Tor gelangt man von der Rastanlage aus zum Hauptportal der Kirche mit den einladenden, bunt bemalten Emailletüren.

Einen Turm auf der Kirche gibt es also nicht, dafür gleich mehrere kleine um die Kirche herum. Auch das zentrale Symbol, ein Kreuz, fehlt. Jedoch nur auf den ersten Blick, aus der Vogelperspektive wäre es sofort erkennbar. Wer sich etwas Mühe gibt und den Grundriss anschaut oder sich bewusst in der Anlage bewegt, erfasst die bedeutungsvolle Geometrie auch vom Boden aus: Vier Wege, aus jeder Himmelsrichtung einer, laufen in Form von 50 Meter langen Ahornalleen auf die Kirche zu. Sie beginnen an den vier Relieftürmen.

Die Hauptachse, auf der die Besucher ankommen, verläuft wie die Sonne von Ost nach West, die zweite Achse entsprechend von Süd nach Nord. Der Schnittpunkt der Achsen bildet zugleich den Mittelpunkt der Kirche, deren Fläche im Grundriss ein Quadrat darstellt. Die Diagonalen bilden ein Kreuz, und sämtliche Objekte dieser Gesamtanlage stehen durch diese Achsen miteinander in Verbindung. Da hat sich jemand was gedacht.

Stoßgebet der Autofahrer

Kein Wunder, hat Friedrich Zwingmann mit seinem genialen Entwurf damals den Architektenwettbewerb gewonnen, nach dem der Bau Ende der 1970er-Jahre auch verwirklicht wurde. So steht an der Rastanlage Baden-Baden nun diese futuristische Pyramide, die nachts angestrahlt wird und gewissermaßen überirdisch leuchtet. Doch was bewog die Macher damals, allen sprichwörtlichen Mahnungen zum Trotz, die Kirche nicht im Dorf zu lassen, sondern sie mitten in die freie Landschaft an eine vielbefahrene Autobahn zu bauen? Einen Kontrast sollte das Gebäude bieten, zur Hetze des Verkehrsflusses auf der Autobahn.

Ein Besinnungsort sollte es sein, wo die Autofahrer innehalten und Andacht halten können. Die Idee dazu entstand in der örtlichen Kirchengemeinde bereits 1965; Autofahrer hatten das Bedürfnis nach der kleinen Besinnung für unterwegs geäußert. Der Gemeindepfarrer konnte den Bürgermeister überzeugen, und so nahm das Projekt Fahrt auf. Es gab aber noch einige Bretter zu bohren, um auch die Erzdiözese Freiburg zu gewinnen, schließlich musste jemand das Vorhaben finanzieren. Nachdem die Nachbargemeinde Sankt Katharina das Gelände zur Verfügung gestellt hatte und nur zwei Jahre nach Baubeginn weihte der Freiburger Weihbischof Karl Gnädinger die Kirche am 23. Juli 1978 feierlich ein.

Autobahnkirche St. Christopherus an der A5 aus der Froschperspektive

MEIN LÄNDLE/Jean Claude Winkler

Aus der Froschperspektive eine Pyramide, nur aus der Vogelperspektive hat die Kirche die Form eines Kreuzes.

Besuchermagnet Autobahnkirche: Andacht an der A5

Damals wie heute ist das Objekt ein Besuchermagnet. Jedes Jahr kommen rund 300 000 Menschen. Damit ist die Autobahnkirche Baden-Baden nach dem Freiburger Münster die meistbesuchte Kirche im Erzbistum. Hier erfahren Sie mehr über das Freiburger Münster. Benannt wurde sie nach Sankt Christopherus, der Schutzheilige aller Reisenden, der das Christuskind durch die Fluten getragen und sicher ans andere Flussufer geleitet haben soll.

Vier Türme für ein Halleluja

Für die Gestaltung der gesamten Anlage sorgte der Künstler Emil Wachter. Jeder der vier Bildertürme überträgt symbolhaft die Bibel in die Gegenwart. Schon an der Eingangspforte, beim Abraham-Tor, tauchen Sodom und Gomorrha auf. Unter dem Motto „Wissen woher“ steht im Osten der Noah-Turm, darauf ein roboterhafter Mensch aus Autoteilen, der daran erinnern soll, dass die moderne Technik wie einst die Sintflut über das Leben auf der Erde hereinbricht. Noah aber weist mit seiner Arche hier bildhaft auf die westliche Seite der Kirche – „Wissen wohin“ –, wo mit dem nach Johannes dem Täufer benannten Turm die Erlösung wartet: die Taufe Jesu und damit der Neubeginn mit dem neuen Adam und der neuen Eva. Der Mose-Turm steht im Süden mit dem Exodus und der Anbetung des Goldenen Kalbes für „Gott und Gesellschaft“, und der Elia-Turm symbolisiert im Norden den Zusammenhang zwischen Religion und Macht.

Autobahnkirche St. Christopherus Baden-Baden mit Kunst von Emil Wachter

MEIN LÄNDLE/Jean Claude Winkler

Eine ganze Bilderwelt hat der Künstler Emil Wachter hier geschaffen – und in jedem Detail steckt eine Botschaft.

Die Verbindung ins Innere schaffen einladend bunt bemalte Emailletüren. Bemalte Fensterwände erinnern an die künstlerischen Bleiglasfenster vieler traditioneller Gotteshäuser und tauchen den Innenraum in ein mystisches Licht. Sie zeigen abwechselnd Szenen aus Jesu Leben und der Apokalypse. Genau am geometrischen Mittelpunkt steht der Altar. Die Gemeinde sitzt im Halbrund davor. Kein Winkel, kein Bauteil in der Krypta, das nicht von Emil Wachter mit Bibelszenen und Brückenschlägen in die Gegenwart verziert ist – ein Gesamtkunstwerk.

Doch ein wichtiges Element fehlte dieser Kirche lange: 2014, als die Tank- und Rastanlage neu gestaltet und erweitert wurde, fand sich endlich ein Plätzchen für einen Glockenträger, der noch von der Papstmesse in Freiburg übrig war. Er trägt nun zwei Glocken. Die große, mit einem Durchmesser von 120 Zentimetern und einer Tonne Gewicht, zeigt das Auge Gottes, das über die Welt wacht, die kleine, halb so schwer und 90 Zentimeter groß, wird „Menschenglocke“ genannt. Sie schlägt laut Inschrift „für alle Menschen guten Willens“. Auch das Geläut samt Sockel ist nach Entwürfen von Emil Wachter gestaltet. Er selbst hat dies jedoch nicht mehr erlebt, er starb bereits 2012; seine Tochter Dorothee Bode vollendete sein Werk.

Fenster der Autobahnkirche St. Christopherus an der A5

MEIN LÄNDLE/Jean Claude Winkler

Bibelszenen schmücken die Kirchenfenster.

So wartet am Rasthof Baden-Baden ein futuristisches Gotteshaus auf Gläubige ebenso wie auf Kunst- und Architekturbegeisterte, auf Reisende mit dem Bedürfnis nach Besinnung unterwegs, aber auch auf „nur“ Neugierige, die sich bei einer Pause von dem eigentümlichen Bau am Fahrbahnrand angezogen fühlen.

Wer will, betrachtet sie als Symbol für die Frohe Botschaft: Gott ist immer bei dir, sogar bei der Pinkelpause an der Autobahn.

Ein Päuschen bei Sankt Christopherus

Die Autobahnkirche befindet sich beim Rasthof Baden-Baden. Sie wird in Fahrtrichtung Karlsruhe (Mehr über die Fächerstadt Karlsruhe lesen Sie hier) über die gleichnamige Autobahn-Ausfahrt angefahren, dort stehen ausreichend Lkw-, Pkw- und Bus-Parkplätze zur Verfügung. In Fahrtrichtung Freiburg bitte auf dem Rasthofgelände parken und von dort wenige Meter zu Fuß gehen oder an der Ausfahrt Rastatt-Süd (Mehr über Rastatt lesen Sie hier) ab- und Hinweisschildern nachfahren. Besuche von außerhalb der Autobahn, also auch für Fußgänger und Radfahrer, sind möglich: über die Mittenfeldstraße in die Straße „An der Autobahnkirche“, dort gibt’s für Kirchenbesucher Pkw-Parkplätze.

Öffnungszeiten
täglich 8–20 Uhr

Gottesdienste
Sonntag 11 Uhr Gottesdienst,
18 Uhr Sonntagsvesper und Komplet,
Mittwoch 19 Uhr Abendlob/Vesper
(Februar–Oktober)

Führungen
Für Gruppen ab 5 Personen, Dauer ca. 45 Minuten. Die Führungen sind kostenlos, Spenden für die Autobahnkirche sind erwünscht. An Sonn- und Feiertagen finden keine Kirchenführungen statt.

Zum Ausflugsziel in unserem Freizeitplaner

Aktuelle Informationen finden Sie unter www.autobahnkirche-baden-baden.info.