Das Mineralwasser umspült den Körper und lässt ihn wohlig runterkommen

Also zumindest ging es mir so, als ich dem ThermalBad Überkingen meinen ersten Besuch abstattete: Nach einer Minute ertönte ein „Bing“ und ich bewegte mich gemütlich zur nächsten Düse. Und mit mir jede Menge Aquarianer, die auf das Bad Überkinger Thermalwasser schwören. Viele haben ihre ganz speziellen Wochentage, an denen sie sich mit Freunden oder Verwandten dort zum Ausspannen treffen. Das geht immer von Mittwoch bis Sonntag. Auch mit Sauna: mittwochs nur für Damen, sonst können alle schwitzen. Das Schöne am Bad: es ist gemütlich, fast schon familiär, und nicht so überlaufen. Und liegt im Goisatäle: umgeben vom Albtrauf – Natur pur. Ein wirklich schöner Platz zum Entspannen. Ein besonderes Schmankerl: immer donnerstags abends gibt’s Sternebaden inklusive Cocktails schlürfen – eine Attraktion vor allem für die Jüngeren. Viel Spaß dabei!

Wasser gegen Reißmattheis

Das Wasser ist sowieso Bad Überkingens Lebenselixier: Seit über 600 Jahren kommen die Menschen dorthin, um zu kuren. Früher saßen die Leut’ in Holzzubern mit heißem Wasser, um den Reißmattheis zu lindern … oder sie tranken das Sauerwasser, um die Gedärme zu beruhigen. Jahrhunderte lang ging das so. Dazu die gute Luft und das reizarme Klima. Inzwischen hat der Ort als staatlich anerkanntes Heilbad seine besten Jahre hinter sich: keine Kuren, geschlossene Heilquellen und kein Sprudel mehr. Das Überkinger Mineralwasser war das Wasser, mit dem ganz Süddeutschland aufgewachsen ist. Noch heute sagen Wirtsleute in Bayern, wenn man eins bestellt: „Ah, Sie wünschen ein Bad Überkinger.“ Finanziert jahrzehntelang von der Mineralbrunnen AG. Fast ein Viertel der Gemeinde-Fläche nimmt die ehemalige Sprudelfabrik ein. Zu Spitzenzeiten verließen 1,5 Millionen Flaschen täglich den Ort – sie war Europas größter Abfüller. Das Gelände ist bis heute vertraglich an Mineralwasserproduktion gebunden und steht seit vier Jahren leer. Die einen sagen aus wirtschaftlichen Gründen, die anderen aus privaten. Die vielen Quellen sind stillgelegt – darunter auch die berühmte Adelheidquelle. Aber, vielleicht geschieht ja noch ein kleines Wunder …

Ausblick Löwenpfade bei Bad Überkingen

MEIN LÄNDLE/Landratsamt Göppingen

Auf den Löwenpfaden per Pedes mit herrlichen Ausblicken

Nichtsdestotrotz ist Bad Überkingen unglaublich zukunftsorientiert. Die besten Sterneköche Deutschlands lassen ihren Nachwuchs im Ort ausbilden: in der Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe. Sie ist eine von vieren im Land. Die jungen Leute sind heutzutage quasi die neuen Kurgäste: Die Internatsschüler leben vor Ort, kaufen in den Läden ein, nutzen die Gastronomie und das Thermalbad. Die jungen Kochschüler und Serviceleute haben wirklich was auf dem Kasten: egal ob mit oder ohne Fleisch, vegan oder beim Cocktail mixen. Schrill und bunt, gesund und lecker. Wer sie beim Lernen mal beobachten kann, freut sich auf die nächsten Jahre in der Gastroszene. Die guten LehrerInnen von Bad Überkingen arbeiten jedenfalls dran!

Und noch eine Gruppe prägt das tägliche Bild der einstigen Kurstadt. Junge Frauen, oft mit Mützen auf dem Kopf, selbst im Hochsommer. Neue Schritte in Bad Überkingen: Geballte Lebensfreude. Sie alle machen Reha in einem bundesweit einzigartigen Haus: In der Luise-­von-Marillac-Klinik schöpfen junge Frauen nach Brustkrebs mit Körper, Geist und Seele neue Energie. Meine anfänglichen Berührungsängste bringt die Finanzchefin der farbenfrohen Gemeinschaft sofort ins Gleichgewicht: die Vinzentinerin Schwester Rafaela.

„Des isch eine Klinik von Frauen für Frauen. Frauen sind des allerdings überdurchschnittlich gut gewohnt, für andere zu sorgen und immer für alle da zu sein. Und wenn i se frog, die Fraue, ‚Und, wer von Ihne kann gut für sich sorgen?‘, dann sitzen da 15 Frauen, oine vielleicht, die streckt. Ja und au des isch a Ziel von uns, dass die anfanged, für sich zu sorge. I sag immer: ‚Fett Platz nehmen bei sich selber!‘“

Bad Überkingen mit dem Rad entdecken

MEIN LÄNDLE/Landratsamt Göppingen

Per Pedal auf den Löwenpfaden in Bad Überkingen.

Schwester coole Socke

Ne richtig coole Socke, diese Schwester Rafalea. Die Vinzentinerinnen führen auch eine Klinik in Bad Ditzenbach. Die jungen Frauen fühlen sich dort aufgehoben, verstanden und haben ausschließlich Gleichgesinnte um sich rum. Jede kann die Sorgen und Nöte der anderen verstehen; keine ist anders, bloß weil ihr die Haare ausgegangen sind. Als Gast in Bad Überkingen trifft man die Frauen im Außenbereich beim Sport, beim Nordic Walking oder im Café beim Genießen und Lachen. Und bitte: keine Berührungsängste!

Ein Eigengewächs aus dem Ort ist Matthias Walter. Er ist einer, der gern was bewegt. Er kocht mit seinem Team Marmeladen, kreiert Gewürze, plant Events, unterrichtet an der Berufsschule im Ort, gibt auch Kochkurse. Und zwischenrein backt er noch gschwind frische Dinkelseelen. Ein Tausendsassa!

Der ehemalige Sternekoch wollte weg vom Druck, der Leistung und der Perfektion hin zu Spaß, regionaler Wohlfühlküche und der Möglichkeit, dass er und sein Team auch am Wochenende mal frei haben. Er gründete seine Kochschule – und dann kam Corona. Aus der Not eine Tugend machen, ist seine Devise: weil sein direkter Nachbar ein Pflegedienst ist, hat er beides kombiniert und kocht pro Tag inzwischen 300 Mittagessen. Qualitativ hochwertig und vor allem lecker. Und seine Kochkurse sind der Hammer: Der Schwabe lebt für seine Leidenschaften Küche und Bad Überkingen und verpasst dem angestaubten Kurort-Image eine echte Frischzellenkur!

Märzenbecher am Wegesrand

MEIN LÄNDLE/Archiv Gemeinde Bad Überkingen

Blühende Märzenbecher.

Wer frische Luft und Bewegung vereinen möchte: Nirgendwo sonst in der Region ist die Märzenbecher-Blüte so schön, wie in Bad Überkingen. Und – die Löwenpfade rund um den Ort bieten sich an zum Wandern. Einer geht Richtung Türkheim, den südlichen Albtrauf hinauf, oder auf der anderen Seite hoch Richtung Oberböhringen, am „Schillertempel“ vorbei. Der Löwenpfad „Felsenrunde“ wurde von einem Wandermagazin 2018 sogar zum zweitschönsten Wanderweg Deutschlands gewählt: Eindrucksvolle Ausblicke in das idyllische Filstal, gepaart mit abwechslungsreichen Naturlandschaften und vielen Highlights am Wegesrand – mein persönlicher Geheimtipp (siehe Mein Ländle Ausgabe 3/2020).

Aber im Goisatäle finden sich noch viele andere Möglichkeiten: Zwischen Hausen an der Fils und Unterböhrigen liegt beispielsweise der Rohrhof. Die junge Bäurin Laura hält Galloway-Rinder für die Landschaftspflege, hat eine Pferdepension und betreibt zwei Eiermobile. Und sie ist ein herzlicher Mensch, der sich immer über interessierten Besuch freut. Ich hab mich bei ihr und in Bad Überkingen sehr wohl gefühlt – ich bin gespannt, wie’s Ihnen ergeht.

Sonja Faber-Schrecklein

MEIN LÄNDLE

Sie kennt das Ländle wie ihre Westentasche: Sonja Faber-Schrecklein. Nicht nur durch ihre Arbeit als Journalistin und Moderatorin für den SWR, sondern auch ganz privat. Für Mein Ländle hat sie ihre schönsten Erlebnisse an den originellsten Plätzen gesammelt.