Unterwegs ist man auf malerischen Routen durch die Reben und die vielen Weindörfer, die einen ausführlichen Stopp wert sind. Über den Dächern von Oberrottweil wachsen Palmen und Pfirsichbäume. Sonnenblumen recken ihre Hälse nach oben, Eidechsen sausen zwischen den Steinen umher. Mit viel Glück kann man sogar eine Smaragdeidechse entdecken: Am warmen Kaiserstuhl fühlt sich der blaugrüne Exot so wohl wie in Südeuropa, wo seine eigentliche Heimat ist.
Video: Badischer Weinradweg
Der Radweg geht durch eine malerische Gasse abseits der Hauptstraße. Überall duftet es nach frisch gepressten Trauben. In den Hofeinfahrten stehen Mini-Traktoren, mit denen die Winzer ihre Ernte einbringen. Im Herbst herrscht hier ein emsiges Treiben, ein Gewusel mit Dutzenden von Helfern, die Bottich um Bottich in die Kelter fahren.
Weinberge und Lösswege
Oberrottweil liegt im Herzen des Kaiserstuhls, eine Teilgemeinde von Vogtsburg, die eingerahmt ist von Weinbergen und Lösshohlwegen. Am Straßenrand verkaufen sie auch Tafeltrauben und natürlich eine Auswahl der zurückliegenden Wein-Jahrgänge: Müller-Thurgau, Spätburgunder, Ruländer und Silvaner.
Der Kaiserstuhl liegt auf der zweiten Etappe des neuen Badischen Weinradwegs. 2020 eröffnet, durchmisst er Baden-Württemberg einmal komplett von Süd nach Nord. Eine 460 Kilometer lange Genusstrecke, die durch einige der schönsten Landschaften von Deutschlands drittgrößtem Weinanbaugebiet führt. Im Osten liegt der Schwarzwald und im Westen der Rhein, weiter nördlich folgen Kraichgau, Kurpfalz und die Bergstraße.
Video: Vulkane, Wein und Sonne - der Kaiserstuhl
Am Kaiserstuhl macht der Radweg einen kleinen Schlenker in Richtung Frankreich. Das Inselgebirge kurz vor der Grenze ist eine Welt für sich, eine terrassierte Kulturlandschaft, die zuweilen Ähnlichkeit mit asiatischen Reisfeldern hat. Die Gegend gehört zu den wärmsten Regionen in Deutschland, regelmäßig werden hier Rekordtemperaturen gemessen.
Gutedel für den Gaumen
Die zweite Etappe des Badischen Weinradwegs beginnt in Schallstadt. Zuvor hat man schon die Gutedel-Lagen im Markgräflerland kennengelernt sowie die reizvolle Altstadt von Staufen im Breisgau. Wen es nun eher in Richtung Schwarzwald zieht, der kann die Alternativ-Strecke über Freiburg und das Glottertal wählen. Alle anderen nehmen den Weg in Richtung Tuniberg und Kaiserstuhl.
Das Münstertal
In Staufen im Breisgau lohnt sich ein Abstecher ins Münstertal. Dort ist vor allem die Abtei Sankt Trudpert sehenswert, das älteste Kloster im Schwarzwald, das noch immer in Betrieb ist. Man kann dort auch übernachten: www.muenstertal-staufen.de, www.kloster-st-trudpert.de
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Herrliche Abfahrten
Vielleicht hätte man hier doch lieber ein E-Bike wählen sollen. Allerdings ist die Steigung kurz nach Ihringen die wirklich einzig nennenswerte Strapaze auf dem Weg durch das Mini-Gebirge. Man schlängelt sich so durch, wird immer wieder belohnt mit herrlichen Abfahrten und gut asphaltierten Feldwegen, die wie geschaffen sind für Freizeitradler ohne Stollenreifen.
Nur die Beschilderung ist zuweilen etwas irritierend. Hier hätte man sich eine dichtere Abfolge der roten Markierung mit dem weißen Radler gewünscht. Man findet sich trotzdem zurecht, wenn man nur immer auf der Radhauptroute bleibt und zur Sicherheit ein detailliertes Tourenbuch oder GPS-Daten im Gepäck hat.
Malerisches Burkheim
Am Kaiserstuhl folgt ein Weindorf aufs andere. Bickensohl, Oberrotweil, Bischoffingen, Burkheim. Burkheim ist das Juwel unter den Weinbaugemeinden, ein farbenprächtiges Ensemble aus Fachwerk- und Renaissancebauten, vornehmen Weingütern und alten Gaststätten. Zuweilen wird es auch als „badisches Rothenburg“ bezeichnet.
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Auf jeden Fall ist es einen Abstecher wert, denn der Ort liegt nicht direkt an der Radroute. Die zwei Kilometer Umweg lohnen sich jedoch, auch weil tagsüber viele der Wirtschaften geöffnet haben. Unter Lindenbäumen kann man hier im Freien sitzen, einen frischen Apfelsaft oder einen Schluck Weißwein genießen.
Kapelle im Weinberg
Eine Einkehr der ganz anderen Art erwartet die Radfahrer zwischen Jechtingen und Sasbach. Hier lädt eine schneeweiße Kapelle inmitten der Weinberge zum Verweilen ein. Die Tür ist offen, und das kühle Innere an heißen Tagen eine wunderbare Wohltat. 1952 wurde das kleine Kirchlein erbaut, in den ländlichen Regionen spielt Frömmigkeit bis heute eine große Rolle.
Ein echtes Kuriosum ist das, was ein paar Kilometer weiter in den Weinbergen platziert wurde. Auf einer Anhöhe bei Leiselheim steht ein sieben Meter hoher Stuhl in der Botanik. Zum Ortsjubiläum 2005 wurde er dort aufgestellt, entsprechend der Weinlage, die die Bezeichnung „Gestühl“ trägt. Für alle anderen ist es schlicht der Kaiserstuhl selbst, den sie hier zu sehen bekommen, das passende Symbol für eine Gegend, die etwas ganz Besonderes ist.
Die Winzer von Durbach
Bei Riegel vereinen sich Haupt- und Nebenroute wieder. Hier beginnt die dritte Etappe des Badischen Weinradwegs. Sie führt bis Gengenbach und markiert den Übergang in die Ortenau, eine der bekanntesten Weinbauregionen Badens. In der Ortenau liegt auch das berühmte Durbach, seine örtliche Weinbaugenossenschaft zählt 80 Vollerwerbslandwirte und mehr als 200 Nebenerwerbswinzer.
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Gengenbach
Malerische Altstadt mit einem Narrenmuseum im Niggelturm. Von dort hat man auch eine tolle Aussicht. Bekannt ist Gengenbach auch für sein Kloster und seinen Weihnachtsmarkt, aus der Rathausfassade wird dann ein riesiger Adventskalender: www.gengenbach.info
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Man kann so einiges lernen auf dem Badischen Weinradweg. Zum Beispiel, dass Baden-Baden nicht nur eine Kurstadt ist, sondern auch ein eigenes Rebland besitzt (Neuweier, Steinbach, Varnhalt). Erstaunlicherweise darf hier sogar der Wein in Bocksbeutelflaschen abgefüllt werden, die ansonsten den Franken vorbehalten sind. Eine Ausnahmereglung, die sogar vom Bundesgerichtshof bestätigt wurde.
Gipfeltreffen in Oberderdingen
Bei Karlsruhe verabschiedet der Radler sich vom Schwarzwald. Die Hügel rechts des Rheins werden nun flacher und gehören zum Kraichgau. Eine Mischlandschaft, in der sich nicht nur Baden und Württemberg begegnen, sondern auch deren Weinbauregionen: In Oberderdingen treffen Badische und Württembergische Weinstraße aufeinander, es gibt sogar Winzer am Ort, die Reben dies- und jenseits der alten Landesgrenze haben.
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Der Letzenberg
Die Wallfahrtskapelle auf dem Letzenberg im Kraichgau ist ein Kleinod, das den Anstieg lohnt. Von oben hat man einen weiten Blick ins Land und die umliegenden Weinberge. Ein Erlebnis ist dort auch die Pferdewallfahrt am letzten Sonntag im September.
Oberderdingen ist auch eine Übernachtungsstation auf dem Badischen Weinradweg. Hier beginnt Etappe Nummer 7, die schnurstracks nach Wiesloch in die Kurpfalz führt. Dort gibt es einen Winzerkeller und unweit davon ein Winzermuseum in Schloss Rauenberg.
Winzermuseum Rauenberg
Im Schloss der Weinstadt Rauenberg werden die Tradition des Weinbaus und des Dorflebens in der Region dargestellt. Geöffnet jeden ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr.
Die Zielgerade: Der letzte Abschnitt des badischen Weinradwegs führt von Wiesloch an die hessische Landesgrenze, direkt durch Heidelberg hindurch. Dort hat sich der Zwerg Perkeo einen Namen gemacht, weil er angeblich das große Fass allein auszutrinken vermochte. Knapp 220 000 Liter passen hinein, es ist eine der Touristenattraktionen des Heidelberger Schlosses, dessen romantische Ruine hoch über der Altstadt und dem Neckartal liegt.
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Achtung, die Hessen kommen
Dossenheim, Schriesheim, Hirschberg und Weinheim heißen die Weinbauorte an der badischen Bergstraße. In Weinheim wird sie gleich von zwei Burgen bekrönt. Wenige Kilometer weiter in Laudenbach endet der Badische Weinradweg – und nebenbei auch das Land Baden-Württemberg. Der nächste Ort, Heppenheim, gehört schon zu Hessen.
Wer bis hierher gekommen ist, weiß, wie sehr sich Baden in die Länge zieht. Langweilig ist es allerdings trotzdem nicht. Das liegt nicht nur an den Weinen, sondern auch an Land und Leuten. Die reden mit und ohne Alkohol ganz gerne und pflegen ihre Mundart mindestens so sehr wie ihre Reben.
Der Badische Weinradweg kompakt
Start: Grenzach-Wyhlen
Ziel: Laudenbach
Gesamtstrecke: 463 km
Höhenmeter: 3351, 3517
Fahrzeit: 8 Tagesetappen Schwierigkeit: leicht bis mittel
Anreise
Sowohl der Start in Grenzach-Wyhlen als auch das Ziel in Laudenbach sind mit der Bahn zu erreichen. Das gilt auch für fast sämtliche Etappenziele unterwegs. Eine Ringbahn (Kaiserstuhlbahn) fährt einmal um den Kaiserstuhl herum.
Die Radtour
Der Badische Weinradweg führt auf asphaltierten Wegen und Nebenstraßen durch die Reblagen. Eine Mischung aus hügelig und flach, ein E-Bike kann nicht schaden. Es gibt bei Schwarzwald Tourismus und in den Tourist-Informationen eine kostenlose Karte, die aber nicht sehr detailliert ist. Weitere Informationen, Übernachtungs- und Einkehrtipps auf der Internetseite: www.badischer-weinradweg.info
Einkehr
Winzerhaus Rebstock in Oberbergen: Die einfache Variante der Sternegastronomie von Franz Keller am Kaiserstuhl ist einen Umweg wert.
Löwen in Staufen: Historisches Gasthaus mitten in der Altstadt, hier soll sich der legendäre Doktor Faustus in die Luft gesprengt haben.
Übernachten
Hotel Restaurant Rebstock in Durbach: Hotel und Restaurant auf hohem Niveau und in malerischer Lage am Rande der bekannten Weinbaugemeinde in der Ortenau.
Allgemeine Auskunft
Schwarzwald Tourismus GmbH, Wiesentalstraße 5, 79115 Freiburg, Telefon 0761 896460, www.schwarzwald-tourismus.info