Besigheim ist für seine gut erhaltene historische Innenstadt weit über die Region hinaus bekannt. Der Ruhm der Stadt reicht weit. Sehr weit. Bis in die Weltpolitik.
Am 29. Januar 1729 erblickte in Besigheim ein gewisser Johann Conrad Wölfle das Licht der Welt. 280 Jahre lang interessierte das außerhalb von Besigheim niemanden groß. Auch war ihm selbst bestimmt nicht bewusst, was es für jenes Land später einmal bedeuten würde, dass er im Alter von 21 Jahren nach Amerika auswanderte und seinen Nachnamen in Wolfley umbenannte.
Aber bleiben wir vorerst bei den Anfängen, bei der erstmaligen Erwähnung des sehenswerten Ortes, der sich damals noch Basincheim schrieb.
Zwischen Turm und Tunnel
Kein Geringerer als der spätere Staufer-Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1122–1190) unterzeichnete im Jahre 1153 die Schenkungsurkunde für einen badischen Markgrafen. Ja, ganz richtig, Barbarossa hat Besigheim verschenkt. An Baden. Aus heutiger Sicht: Gott sei Dank. Denn der Gutshof, um den es damals ging, wurde zur Keimzelle dessen, was heute zu den am besten erhaltenen mittelalterlichen Stadtkernen in Süddeutschland zählt.
Wer weiß also, ob die Kleinstadtperle ohne Barbarossas Großzügigkeit überhaupt in dieser Form entstanden wäre? Eine Stauferstele – eines von 38 Denkmälern, die Europas herausragendste Stauferstätten kennzeichnen – steht deshalb seit 2011 vor einer der Sehenswürdigkeiten Besigheims, dem sogenannten Steinhaus.
Es ist Teil der Oberen Burg, dazu gehört auch das obere Stadttor und der markante, weithin sichtbare, 36 Meter hohe runde Wachturm. Von dem wissen wir immerhin, dass darin mal ein Turmwächter namens Schoch gelebt und gewacht haben muss; nach ihm ist der Schochenturm nämlich benannt. Ein Theaterbesuch der Besigheimer Studiobühne ist ebenfalls lohnenswert.
Es gab auch eine Untere Burg, von der aber heute nur noch der kleinere Bruder des Schochenturms erhalten ist, gleichermaßen rund, fast gleich hoch, nur ohne Dach.
Der Waldhornturm dient heute als Aussichtsturm. Dazwischen liegen ganz idyllisch die hübsch herausgeputzten und gut erhaltenen Fachwerkhäuser der Altstadt, mit ihrem schmucken alten Rathaus am Marktplatz, dem historischen Marktbrunnen und der gotischen Stadtkirche Sankt Cyriakus mit dem imposanten Holzaltar.
Stadtmauer in Besigheim bietet wunderschöne Aussicht
Dass die hohen Stadtmauern anno 1805 auf die halbe Höhe abgetragen, einige Tortürme entfernt und Durchbrüche angelegt wurden, tut dem Reiz der Stadt keinen Abbruch. Der Abbau führte stattdessen in der erhabenen Hügellage mitten im Neckarbecken zu einer atemberaubenden Rundum-Aussicht, nicht nur auf die malerische nähere Umgebung mit den Weinbergen, sondern weit darüber hinaus auf den Welzheimer Wald, die Löwensteiner Berge, ins Stroh- und Zabergäu und selbst bis zum dahinterliegenden Nordschwarzwald oder auf die Region Stuttgart. Damit die Bundesstraße den Anblick nicht stört, hat man sie 1991 unter die Altstadt verlegt, sie unterquert Besigheim seitdem in einem Tunnel.
Wer auf den zahlreiche Treppen durch die steilen Häuserschluchten wandert, braucht einen langen Atem. Als Ausrede, um zwischendurch zu verschnaufen, dienen interessante Perspektiven, die sich durch die außergewöhnliche Bebauung bieten. Mancher Balkon, den man von unten gar nicht sieht, bietet sicher beste Aussicht – ganz unbeobachtet fühlt man sich dabei wohl nie. Wer Höhenangst hat, sollte den einen oder anderen Anstieg meiden, so steil geht es hier zu. Die verwinkelten, engen Gässchen erwecken dagegen Neugier. Wohin sie wohl führen?
Enzbrücke in Besigheim: Brücke mit Hand und Fuß
Die Enzbrücke existiert schon lange Zeit. 1581 WAR DAS IAR: / DO DISE BRVCK ER/BAVET WAR, erklärt die Inschrift. Eine weitere weist darauf hin, dass sie Ende des Zweiten Weltkriegs zerstört und danach wieder aufgebaut wurde. Immerhin hat sie heute buchstäblich Hand und Fuß: Zwei überdimensionale Hände weisen links und rechts der Brücke den Weg in die Altstadt. Sie gehören ebenso wie die beiden zugehörigen Füße zum plastischen Werk des Künstlers Gunther Stilling.
Sie sind Teil des Besigheimer Skulpturenpfads, der zum 850-jährigen Bestehen der Stadt geschaffen wurde. Genau wie das 20 Tonnen schwere historische Brückenteil an der Enz oder der knallrote „Flossi“, eine von der bekannten, in Gemmrigheim geborenen Künstlerin Rosalie gestaltete Skulptur, die mit ihren flossenartigen Extremitäten die Stadtmauer zum Rathaus hochzuklettern scheint. Keine Frage, Besigheim ist sehenswert.
Auch für einen längeren Aufenthalt gäbe es Gründe. Immerhin trägt die Stadt seit 2005 das Prädikat „Staatlich anerkannter Erholungsort“, nicht zuletzt, weil sie fast vollständig von Wasser umgeben ist. Die Enz nähert sich von Osten und macht kurz vor der Stadt einen Schlenker, um in einem großen Bogen den östlichen und den nördlichen Teil zu umplätschern, bevor sie im Nordwesten in den Neckar fließt. Gefühlt noch in Besigheim, aber knapp 100 Meter jenseits der Stadtgrenze liegt die Enzmündung offiziell auf der Gemarkung des Nachbarortes Walheim. Auch der Neckar mäandert im Westen fröhlich vor sich hin und legt im Stadtgebiet eine beachtliche 180-Grad-Schleife hin, wie er es kurz davor bei Mundels- und Hessigheim bereits getan hat. Diese Neckarschleife prangt auf unzähligen Besucherfotos.
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Apropos Hessigheim, dort liegt die Kelter der Felsengartenkellerei Besigheim, erkennbar an einer Eidechse im Signet und ausgelagert vor die Tore der engen Stadt, wiederum nur in geringer Entfernung. Im Frühjahr 2021 wurde sie von „Mundus Vini“, einem internationalen Weinwettbewerb, zum wiederholten Male als beste Winzergenossenschaft Deutschlands ausgezeichnet. Was nicht nur am Wein aus den berühmten Steillagen der Besigheimer Neckarkurven liegt, sondern inzwischen auch an dem aus Bad Cannstatt, denn das dortige „Weinfactum“ hat sich den Besigheimer Weingärtnern angeschlossen. Neben den Mitgliedern der Genossenschaft gibt es hier auch zahlreiche weitere Winzer. Sie bestellen am kurvenreichen Neckar die terrassierten Weinberge, die der Stadt die malerische Umgebung verleihen.
Das traditionelle Winzerfest hat Kultstatus erreicht und bildet alle zwei Jahre den Höhepunkt im „Festles“-Kalender. Besenwirtschaften passen nicht nur wegen des Weines, sondern auch wegen des gleichen Anlauts prima hierher. Obwohl der Name Besigheim nicht etwa vom Kehrwerkzeug kommt. Vielmehr leitet sich „Bääsga“, wie es die Einheimischen nennen, von einem früheren Sippenchef namens Baso ab.
Apropos Sippenchef oder Regierungschef – von der württembergischen Kleinstadt zurück zur Weltpolitik und zum ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama. Selbst ihm ist Besigheim ein Begriff, seit anlässlich seines Deutschland-Besuchs im Jahre 2009 bei der Ahnenforschung herauskam, dass er tatsächlich deutsche Wurzeln hat: Sein sechster Urgroßvater war nämlich ein gewisser Johann Conrad Wolfley, aka Wölfle.
Wer weiß, ob es bis heute einen afroamerikanischen US-Präsidenten gegeben hätte, wenn dieser Wölfle damals nicht im Alter von 21 Jahren nach Amerika ausgewandert wäre. Am 29. Januar 1729 wurde er geboren – in Besigheim.
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