Gespaltene Holzblöcke, eine Wüste aus Sägespänen auf dem Boden, benutztes Werkzeug auf der Werkbank – wir befinden uns in der Werkstatt von Micha Reichert. Mit seiner Familie wohnt der Schnitzkünstler in Mönchzell, einem kleinen, ruhigen Dorf etwas abseits von Meckesheim, und teilt sich am Ortsrand eine Halle mit einem Zimmermann. Tritt man ein in die kleine Werkstatt, fällt sofort der Geruch von Holz auf, der an einen üppigen Wald erinnert. Realistische Skulpturen von Waldtieren schauen von einer Empore herab.
Detaillierte Kunst
Eine Bank, die er für einen Kunden anfertigen soll, steht in der Mitte der Werkstatt. Detaillierte Blätter sind in das Holz eingraviert, an den Lehnen kann man schon Fichtenbäume und einen Specht erkennen. Jeder Baum, jedes Stück Holz unterscheide sich vom nächsten, erklärt Reichert, weshalb auch jedes seiner Werke individuell, ein Unikat sei. Er sei perfektionistisch, wolle die Tiere und Pflanzen so realistisch wie möglich, also anatomisch korrekt darstellen und arbeitet deshalb auch mit Vorlagen. An den Wänden seiner Werkstatt hängen laminierte Bilder von Hirschen und Vögeln.
Vor der Bank liegt sein wichtigstes Werkzeug: die Kettensäge. Warum gerade die grobe, große, schwere Kettensäge für solch künstlerische Feinarbeiten geeignet ist, mag zunächst kontraintuitiv wirken. Micha Reichert erklärt, das Arbeiten mit der Säge mache das Werk einzigartig und vor allem greifbar, den Produktionsprozess könne man daher ideal auf Events zur Schau stellen. Auf Meisterschaften, an denen er auch schon teilgenommen hat, muss eine Skulptur in gerade einmal 30 Minuten fertiggestellt sein. Große Skulpturen brauchen meist um einiges mehr Zeit, weshalb er hierfür Geduld lernen musste. Für feinere Arbeiten, an den Augen der Tiere beispielsweise, benutzt er genaueres Werkzeug.
Anfänge
Wie hat das Ganze angefangen? Sein Vater ist Forstingenieur, seine Großväter waren Schreiner sowie Land- und Forstwirt. Schon mit 14 machte Reichert seine ersten Erfahrungen mit Motorsägen. Auch weil er in Mönchzell in einem Holzhaus aufgewachsen und der Wald dort quasi vor der Tür liegt, sei er schon als Junge häufig mit Holz und Holzarbeit in Kontakt gekommen. Reichert empfinde zudem eine tiefe Verbundenheit zur Jagd und den Waldtieren, schon mit 15 machte er seinen Jagdschein. Wo die künstlerische Ader herkomme, wisse allerdings niemand.
Business is Booming
Als während seiner Ausbildung zum Wildpräparator eine Übernahme des Betriebs nicht klappte, machte er prompt sein Hobby zum Beruf. Mit Unterstützung seines Vaters machte Reichert sich als Holzkünstler selbstständig und genießt heute eine hohe Nachfrage und ständige Aufträge. Vor allem bekomme er die Aufträge, die er auch gerne hätte: Anders als andere Schnitzkünstler könne er sich an großen Skulpturen versuchen. Seine Werke verkauft er im vierstelligen Bereich – inzwischen sogar ins Ausland bis nach Amerika.
Micha Reichert arbeitet allein. Manchmal würden ihn Dinge im Alltag oder im Internet inspirieren, meistens aber schnitze er an den Aufträgen von Kunden. Die berät er meist im direkten Gespräch und konzipiert dann ein individuelles, auf den Kunden zugeschnittenes Werk. Inzwischen arbeite er eigentlich nur noch auf Auftragsbasis.
Blick in die Zukunft
Manchmal mache er sich Sorgen, ob er diesen Job bis ins Rentenalter machen könne, erzählt Reichert. Natürlich sei es ein schöner Beruf, er sei aber trotzdem sehr auf die regelmäßigen Aufträge angewiesen. Er träumt von einer eigenen Galerie, würde am liebsten seine eigenen Ideen umsetzen und die Kunstwerke erst im Nachhinein an Interessenten verkaufen, anstatt nur die Aufträge anderer Leute zu bearbeiten. Unter anderem um Menschen den Wald und die Tiere näherzubringen, um einer gewissen Naturentfremdung entgegenzuwirken, habe er sich Ausstellungen zu den Wildtieren Europas, Afrikas etc. überlegt.
Ob es damit klappt, wird die Zukunft zeigen. Sicher ist, dass die Nachfrage erstmal nicht nachlassen wird. Auf seiner Webseite www.michareichert.de kann man die realistischen Skulpturen bestellen, ihn zum Show Schnitzen buchen oder einen hässlichen Baumstumpf von ihm bearbeiten lassen. Außerdem kann man seine Schnitzkünste auf seinem Instagram-Account @micha.reichert bewundern – der hat immerhin schon über 61.000 Follower.