Der Geruch von Diesel liegt in der Luft, es rattert, röhrt und zischt. Spektakulär wälzen sich knapp 14 Tonnen Gewicht auf übergroßen Reifen über die sensationelle Steigung von 45 Grad – also 100 Prozent: und zwar im Rückwärtsgang! Allein das ist ein Anblick, der für offene Münder sorgt, hier auf dem Außengelände des Gaggenauer Unimog-Museums. Doch der Star des Augenblicks kann noch mehr.  Satte 231 PS hat das gelbe Geschoss unter der Haube, wird mit 70 Prozent Gefälle und mehr als 20 Grad Schräglage fertig – sehr zur Freude der Insassen, die sich darin über den Parcours schaukeln lassen.

Der Mythos lebt

Um das „Universal-Motor-Gerät“ – kurz Unimog – ranken sich viele Mythen. Es ist lebende Legende und im wahrsten Sinne des Wortes unsterblich. Seine Langlebigkeit – mehr als 30 Jahre Einsatz sind keine Seltenheit – ist sein Markenzeichen, seine Unverwüstlichkeit und Stabilität machen den Truck mit dem Stern auf der Haube zum Kultobjekt und verschaffen dem „Moggele“ eine große Fangemeinde auf der ganzen Welt.

Unimog Museum Gaggenau: Ausstellungsraum

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Unimog in allen Varianten - die Welt des Allround-Fahrzeugs ist vielfältig und farbenfroh.

Die Eier legende Wollmilchsau

„Er kann eigentlich alles, aber der eigentliche Mythos ist: Er kommt dahin, wohin andere nicht kommen“, so fasst Hildegard Knoop ihre Faszination für das Kraftpaket auf vier Rädern zusammen. Als die langjährige SWR-Journalistin vor elf Jahren im Unimog-Museum, das sich auch immer mit der Industriegeschichte der Region beschäftigt, eine Ausstellung über die Glasbläser-Kultur im Murgtal gestalten sollte, war das der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Denn Knoop verliebte sich auch in den Unimog, mit dem sie bis dahin keine großartigen Berührungspunkte hatte, wie sie im Gespräch verrät. Und kam so zu ihrem Job.

Heute ist die Geschäftsführerin des Museums freilich Expertin auf dem Gebiet, und in Sachen Zahlen, Daten und Fakten macht der studierten Germanistin ohnehin niemand was vor. „Ich bin über die Geschichte zum Unimog-Fan geworden. Weil er aus einem gewissen Zeitgeist heraus entstanden ist. Man brauchte damals etwas, mit dem man alles machen kann – eine Eier legende Wollmilchsau eben. Ganz wie das Museum“, lacht Knoop.

Unimog Museum Gaggenau: Historisches Schulungsgebäude

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Das historische Schulungsgebäude beherbergt heute unter anderem die Museumsleitung.

Facettenreich

In der Tat: Am Eingang des Murgtals vor den Toren Gaggenaus gelegen, beherbergt dieses nicht nur die Tourist-Info der Region und ist Ausgangspunkt für viele Wanderungen, sondern ist mit integriertem Shop, Ausstellungshalle und dem Außengelände, mietbaren Räumen und der Werkstatt Anlaufpunkt für Touristen und Unimog-Fans aus der ganzen Welt. Das Ganze auf historischem Grund: Hier, wo früher die Unimog aus dem Gaggenauer Werk auf ihre Praxistauglichkeit geprüft wurden, wird die Legende wachgehalten, auf dem „meist gepflügten Acker Baden-Württembergs“, wie Hildegard Knoop verrät.

Familientradition

Die ist ohnehin immer mittendrin. „Hallo Günter, was macht die Schulter? Was steht heute an?“ „Fahrertraining, zweimal“, lautet die Antwort. Günther, das ist Günther Ebert, einer der vielen Freiwilligen, ohne die hier gar nichts laufen würde. Dass das Museums-Team im Grunde eine große Familie ist, hat historische Gründe.

Unimog Museum Gaggenau: Werkstatt

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Mehr als ein Museum: In der Werkstatt werden historische Typen des Unimogs bis heute auf Vordermann gebracht und der museumseigene Fuhrpark in Schuss gehalten.

Unzertrennlich

Knapp 50 Jahre waren Gaggenau und der Unimog quasi unzertrennlich – 1951 verließ im dortigen Daimler-Benz-Werk der erste U 2010 die Montagehalle, nachdem die Produktion aus dem schwäbischen Göppingen wegen steigender Nachfrage in die Hände der Daimler Benz AG ging. Über die Jahrzehnte entwickelte sich der kleine, wendige, geländegängige Nutz-Lkw zur Allzweckwaffe – vom Militär bis zum Forstbetrieb wollten alle einen Gaggenauer. 2001 dann die Entscheidung aus Stuttgart: Die Fertigung soll künftig im rheinland-pfälzischen Wörth stattfinden. Für viele Werksmitarbeiter schwer zu ertragen, hieß es doch „Gaggenau isch Unimog. Unimog isch Gaggenau“. Um die Legende zu bewahren und dem unverwüstlichen Lkw ein angemessenes Andenken zu bewahren, entstand schon bald die Idee, ein Museum zu bauen.

Von Fans für Fans

Gesagt, getan: Der Gründung eines gemeinnützigen Vereins im Jahr 2002 folgt vier Jahre später die Eröffnung des Museums, auf den Tag genau 55 Jahre nachdem hier der erste Unimog vom Band rollte. Die Besonderheit: Das Museum ist kein Firmenmuseum, wie man vermuten könnte, sondern ein rein privater Betrieb. Quasi von Enthusiasten für Enthusiasten. Zwölf hauptamtliche und mehr als 100 ehrenamtliche Mitarbeitende sorgen dafür, dass in Gaggenau die Räder rollen. Und natürlich die Fans. Der Unimog-Club Gaggenau mit mehr als 8.000 Mitgliedern auf der ganzen Welt ist Anteilseigner des Museums. Alttypenberatung für Besitzer und potenzielle Neukäufer, ein Fachverlag für Pläne und Betriebshandbücher – alles passiert hier vor Ort.

Unimog Museum Gaggenau: Mythos Unimog

Unimog Museum

Ein Bild aus den Anfängen: Der Mythos Unimog lebt bis heute.

Technik hautnah

„Wir wollen hier eine ganze Unimog-Welt schaffen“, erklärt Hildegard Knoop. Dass das gelungen ist, ist offensichtlich: Heute ist das Museum Hommage an den Unimog und Ort für Industriegeschichte zugleich. Hier kann man Technik hautnah erleben. Was macht die kleinen und großen Kraftpakete so einzigartig? Ein Querschnittmodell gibt Aufschluss über das Innenleben. Verschiedene Modelle zeugen von der Vielseitigkeit: Von der Schneefräse über den Hochgebirgs-Omnibus bis hin zum bulligen MB-trac 1800, der „Black Beauty“, dem letzten Flaggschiff made in Gaggenau, ist alles dabei.

Prototypen und Gipfelstürmer

Auf Zeitreise durch die Geschichte geht es mit dem 1948er-Prototyp U6, mit dem alles begann, über den Boehringer-Unimog 70200 von 1950. Und mit dem Original-Fahrzeug der Expedition zum Ojos del Salado ist sogar ein echter Gipfelstürmer und Weltrekordler vertreten: 6.694 Meter, höher kam nie ein motorisiertes Fahrzeug.

Unimog Museum Gaggenau: Weltrekordfahrzeug

Fabian Duschl/U5023

Gipfelstürmer: Dieser Unimog hält den Höhenrekord für Landfahrzeuge
Unimog Museum Gaggenau: Prototyp U6

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Mit dem U6 fing alles an: Als landwirtschaftliches Nutzfahrzeug nach dem Krieg in Schwäbisch-Gmünd konzipiert, trat der Unimog seinen Siegeszug an.
Gaggenau: Unimog Museum

jr/NM

Auch ein echter Filmstar ist in Gaggenau am Start. Dieses umgebaute UNIMOG-Exemplar spielte eine Rolle im Blockbuster "Transformers - The Last Knight" an der Seite von Mark Wahlberg.
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Auf die Piste

Auf dem Parcours hat am Tag unseres Besuchs Frieder Behringer das Sagen. Seit er seinen Bahnhofskiosk geschlossen hat, ist der Rastatter regelmäßig hier auf der Piste unterwegs. Sein Gefährt liebte er schon als Kind. „Ich hab mir ein Virus eingefangen, und das heißt Unimog“, lacht er, während er den Truck mit ruhiger Hand und ruhigen Füßen routiniert über die Strecke lenkt. Auch Günter Ebert treffen wir wieder. Geduldig dirigiert er vom Beifahrersitz aus die Anstrengungen eines Fahrers, den Parcours zu meistern. Da ist Fingerspitzengefühl gefragt, denn auch ein Unimog-Motor lässt sich abwürgen. Das ist besonders abenteuerlich, wenn es am höchsten Punkt der Steigung passiert. Doch dank der kräftigen Bremsen ist auch das kein Problem, schnell ist das Kraftpaket wieder in der Spur und rollt gemächlich den Hang hoch.

Video: Mit Hildegard Knoop über den Parcours

Viel vor

„Es gibt die legendäre Antwort des damaligen Chefkonstrukteurs auf die Frage, wie alt denn ein Unimog wird – ,Keine Ahnung, wir bauen ihn ja erst seit 60 Jahren‘“, fasst Hildegard Knoop die Quintessenz des Mythos zusammen. Fest steht: Gesprächsstoff über den Unimog gibt es hier noch mehr als genug für kommende Generationen – seit diesem Jahr sogar auf noch mehr Raum, denn es geht noch größer ...

Unimog Museum Gaggenau: Anlage

Hans-Peter Hegmann

Perspektivwechsel: Am Tor zum Murgtal gelegen, lockt das Museum mit großer Innen- und Außenfläche. Links im Bild: Der 2023 fertig gestelle Anbau.
Unimog Museum Gaggenau: Außengelände

Unimog Museum

Berganfahrt leicht gemacht: Über Stock und Stein geht es auf dem Geländeparcours für die Besucherinnen und Besucher.
Unimog Museum Gaggenau: Außenparcours

Unimog Museum

Auf dem Außenparcours kann man selbst einmal Beifahrer im Unimog sein.
Unimog-Museum Gaggenau: Außenparcours

jr/NM

Im Rückwärtsgang die Steigung hoch: Für einen UNIMOG kein Problem
Unimog Museum Gaggenau: Außenparcours

jr/NM

Über Stock und Stein: Dem geländegängigen Allzweckmonster ist keine Steigung zu steil.
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21 Monate wurde seit 2020 vor den Toren Gaggenaus gegraben, geschraubt und gebohrt. Bis es dann am letzten Januarwochenende hieß: "Doppelt gemoggelt". Doppelt so groß, doppelt so viel zu sehen, doppelt so viel zu erleben – so kann man zusammenfassen, was die Besucherinnen und Besucher ab sofort am Tor zum Murgtal erwartet. Und zum Start bietet das Museum „Das Beste aus dem Unimog-Museum” – denn so heißt die aktuelle Ausstellung, mit der der Trägerverein den Reigen auf der neuen Fläche eröffnet. Reinschauen lohnt sich also auch doppelt!

Weltenbummler unter sich

Wie wäre es zum Beispiel mit einem Ausflug am letzten Juli-Wochenende? Beim Weltenbummlertreffen am letzten Juli-Wochenende kommen jedes Jahr Abenteurerlustige und ihre „Allradler“ zu einem besonderen Treffen zusammen. Die Teilnehmenden aus ganz Deutschland und anderen Teilen der Welt nehmen dabei Hunderte Kilometer Anfahrtsweg auf sich, um dabei zu sein. Darunter sind bekannte Gesichter und Fahrzeuge, die dem Museum in Gaggenau schon seit vielen Jahren die Treue halten, aber wie in jedem Jahr auch wieder viel Neues.