Was haben Spargel und Lilien gemeinsam? Nun ja, die Lilie gilt in Frankreich seit dem Mittelalter als die königliche Blume und Symbol für die Königswürde. Und Spargel (Asparagus officinalis) wurde lange zur Familie der Liliengewächse gerechnet. Ob er deshalb auch als „königliches Gemüse“ bezeichnet wird, ist nicht belegt. Spargelbauern sagen ja, der Spargel sei das königliche Gemüse, weil man sich beim Ernten vor jedem einzelnen verbeugen müsse. Da ist auch was dran.

Klar ist hingegen: Das „weiße Gold“ darf heute im Frühjahr an vielen Tischen nicht fehlen. Aber wer weiß schon, dass die Geschichte des Stangengemüses sogar bis ins alte China reicht? Dort verordneten Heilkundige und Ärzte den Spargel in seiner wild wachsenden Variante vermutlich schon 5000 v. Chr. als Heilmittel gegen Blasenprobleme, Geschwüre und Husten.

Darstellung des Gemeinen Spargels in einem historischen Botanikbuch

Repro: LM

Darstellung des Gemeinen Spargels in einem historischen Botanikbuch

Weit gereist

Belegt ist die Verwendung als Heilpflanze ab dem 5. Jahrhundert vor Christus in Persien und Griechenland. Der Urvater der Ärzte, Hippokrates von Kos beschrieb 460 v. Chr. den wilden Spargel als medizinisch wirksam. Von den Griechen hat der Spargel übrigens auch seinen Namen: aspáragos bedeutet „junger Trieb“, denn verspeist werden damals wie heute die Triebe der Pflanze. Von den Griechen war der Weg zu den Römern nicht weit, und auch der landwirtschaftliche Anbau ist in dieser Zeit erstmals belegt. In Marcus Porcius Catos (234 - 149 v. Chr.) bahnbrechendem Werk „De Agri Cultura“ wird der Anbau von Spargel im Garten erstmals ausführlich erklärt.

Mit den Römern über die Alpen

In der Römerzeit ist der landwirtschaftliche Anbau auch hierzulande erstmals nachweisbar: 1994 entdeckte man bei Ausgrabungen in Trier ein kleines Bleietikett mit der Gravierung "Asparagus". Ebenfalls von dort stammen bronzene Messergriffe in Form von Spargelstangen. Plinius der Ältere beschreibt in seiner „Naturgeschichte“ eine Spargelart aus Obergermanien, die geringerer Pflege als Gartenspargel bedürfe, dabei aber zarter als wilder Spargel sei.

Medizin

Mit dem Niedergang des römischen Imperiums verschwand der Spargel wieder von der Ackerfläche. Erst durch christliche Mönche und die Überlieferung antiker Schriften fand er im frühen Mittelalter wieder den Weg über die Alpen, zunächst erneut als Heilpflanze in den Klostergärten. So wurde im Benediktinerkloster St. Gallen um 900 Spargel für die Klosterapotheke gezogen, spätere Schriften belegten ihn als heilsam gegen Nieren- und Leberleiden. Der Botaniker und Arzt Hieronymus Bock, der aus dem heute nordbadischen Raum stammte, beschrieb ihn 1539 in seinem „New Kreuterbuch“ überdies als wirksame Arznei gegen Fieber und Wassersucht – als Hausmittel gegen Wasser in den Beinen ist der Spargel bis heute bekannt.

Alte Darstellung einer Spargelpflanze

Repro: NM

Darstellung des Spargel aus Hieronymus Bocks "Newes Kreutterbuch"

Spargel-Renaissance

Als Küchengemüse geriet der Spargel hingegen immer mehr in Vergessenheit. Erst im Barock- und Rokokozeitalter erinnerte man sich an den Fürstenhöfen zurück an den Geschmack des aufwändig zu kultivierenden Gewächses, das an den royalen Tafeln eine wahre Renaissance erlebte. Katharina de‘ Medici hatte durch ihre Heirat mit Heinrich II. von Frankreich die Esskultur ihrer Heimat nach Frankreich exportiert. Die Florentiner Küche ging mit der französischen neue, kreative Liaisionen ein, die zum Teil bis heute auf unseren Speisekarten zu finden sind.

Schwäbisches Vermächtnis?

Der erste urkundlich erwähnte Anbau von Spargel in Deutschland ist im fürstlichen Lustgarten zu Stuttgart belegt, und zwar 1565.

... oder Kurpfälzer Stolz?

Etwas weiter nördlich in der Kurpfalz ist der Spargelanbau rund 70 Jahre später erstmals gesichert. Während Kurfürst Karl Ludwig im Heidelberger Schloss residierte, entstand aus den Trümmern des während des 30-jährigen Krieges stark zerstörten Schwetzinger Jagdschlosses ein kleines Schmuckstück, großer Garten inklusive. Dafür brauchte es Personal. So kam es, dass im Jahr 1668 ein Gärtner angestellt wurde, der sich laut „Stellenausschreibung“ auch um „fremde Gewächse“ wie „Caulifoli (Blumenkohl), Artischocken, Spargel (…)“ zu kümmern hatte. Noch heute gilt die Gegend rund um Schwetzingen als Paradies für Spargelkenner.

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Italienisches Temperament

Mit dem Pfälzischen Erbfolgekrieg war es mit dem Spargelanbau erst einmal vorbei; die Kurfürsten hatten andere Sorgen als den Ackerbau. Das Schwetzinger Schloss wurde zerstört, der Spargel kam erst später wieder aus Italien zurück: Anna Maria Luisa de‘ Medici, Urenkelin von Katharina und die Frau von Kurfürst Johann Wilhelm, stammte aus einem der reichsten Häuser Europas. Zwar regierte „Jan Willem“ nicht von Mannheim oder Heidelberg, sondern von Düsseldorf aus, das Schwetzinger Jagdschloss ließ er ab 1697 trotzdem wieder aufbauen und zwar wesentlich größer als zuvor. Anna Maria wiederum war ein Kind Italiens, von der Residenzstadt Florenz waren es rund 150 Kilometer bis nach Ravenna, bereits zu Römerzeiten eine Spargelhochburg.  Es steht also zu vermuten, dass auch an Johann Wilhelms Tisch das Stangengemüse serviert wurde.

Die Mahlzeiten zu Hofe bestanden in der Hauptsache aus Fleisch, Gemüse wurde als Beilage gereicht, so auch der damals noch dominierende grüne Spargel.  Ein Indiz dafür, dass der an der Tafel der Adligen des Südens beliebt und bekannt war, ist auch das Auftreten des Gemüses in der Kunst. Spargel findet sich sowohl auf zeitgenössischen Stillleben als dekoratives Element, als auch in der Porzellankunst der Zeit. Die industrielle Herstellung von Fayencen und Porzellan war hierzulande erst kurze Zeit zuvor entdeckt worden und das zerbrechliche Material besonders teuer und dementsprechend beliebt beim Adel. Man sprach auch vom „weißen Gold“, ganz ähnlich wie später beim Spargel.

Aus den Sammlungen der Staatlichen Schlösser und Gärten stammen zwei „Spargelbünde“ aus Straßburger Fayence aus der Mitte des 18. Jahrhunderts aus der Frankenthaler Porzellanmanufaktur von Kurfürst Carl-Theodor. Auch sie sind noch grün, denn der heute in Deutschland beliebte, noch aufwändiger zu kultivierende weiße Bleichspargel ist ein Kind der Neuzeit: Er kam flächendeckend erst Anfang des 19. Jahrhunderts in Mode.

Schaugerichte aus Porzellan im Schloss Favorite Rastatt

Martine Beck Coppola/SSG

Porzellan-Terrinen aus Frankenthaler und Straßburger Produktion lassen vermuten, dass am Hofe Carl Theodors auch Spargel auf den Tisch kam.

Und auch hier spielt Schwetzingen eine Rolle. Was hundert Jahre zuvor noch ausschließlich dem Adel vorbehalten war, wurde nun – passend zum allgemein einsetzenden Demokratisierungsprozess – breiten Bevölkerungsschichten zugänglich.  1875 gründete Max Bassermann in Schwetzingen seine Konservenfabrik, worin man sich ganz dem industriellen Verarbeiten und Konservieren des „königlichen Gemüses“ widmete. So konnte der Spargel überall in Deutschland und unabhängig von der Saison genossen werden.

Forschergeist

1910 legte der Großherzoglich-badische Hofgärtner Gustav Adolf Unselt im Schwetzinger Schlossgarten erneut große Spargelkulturen an und begann dort mit groß angelegten Zuchtversuchsreihen. Seine akribische Dokumentation von Wachstumsraten und Erträgen der hiesigen Sorten, verwendeter Düngemittel und Wetterverhältnisse legten in vielerlei Hinsicht den Grundstein zum modernen Spargelbau. Qualität und Ertrag der Spargelernte stiegen dadurch kontinuierlich an.  1917 brachte er seine Forschung sogar in Buchform: „Die Steigerung der Spargelerträge – eine wichtige Aufgabe für Spargel-Züchter und -Pflanzer“ lautete der programmatische Titel der Schrift, die in ganz Deutschland beachtet wurde.

Aus seinen Zuchtversuchen gingen später die beiden bis heute beliebten ertragreichen Spargelsorten „Schwetzinger Meisterschuss“ (1952), den ersten Hybridspargel sowie 1975 die erste rein männliche Sorte „Lukullus“ hervor, die von seinen Nachfolgern in der Saatzuchtanstalt der Badischen Landwirtschaftskammer (heute: Südwestdeutsche Saatzucht) entwickelt wurden. Über den Meisterschuss heißt es heute: „Eine altbewährte Sorte mit hoher Zuverlässigkeit, die sich durch einen üppigen Wuchs auszeichnet und durch ihre hohe Krankheitstoleranz seit vielen Jahren einen festen Platz im Spargelanbau erobert hat.“

Nach wie vor wichtig

Zwar haben sich heute vielerorts ertragreichere Sorten vorwiegend niederländischer Züchtungen durchgesetzt, aber viele Sterneköche und Spitzengastronomen im Ländle schwören weiter auf den Meisterschuss, der im Gegensatz zur Massenware auf den Feldern durch Geschmack besticht. Spargel zählt heute zu den wichtigsten Gemüsesorten in Baden-Württemberg und hat zeitweise die Salate und Kohlarten in Sachen Anbaufläche abgelöst. Im Nordbadischen und im Breisgau finden sich die Schwerpunktregionen, wobei die Südbadener inzwischen den spargelhistorisch bedeutsameren Nordteil in Sachen Anbau abgelöst haben. Kurzum: Spargel aus dem Ländle ist eine echte Erfolgsgeschichte.