LOKALMATADOR.DE: Herr Buck, auch wenn Sie sie sicher schon oft beantworten mussten: Die Frage nach dem „Wie“– wie kam es zu ihrer Karriere als Wanderbuchautor?
Dieter Buck: Ich war vor - mittlerweile - Jahrzehnten als Künstler tätig und hatte dadurch viel Kontakt zur heimischen Tageszeitung. Deren beliebte Wandertipps endeten eines Tages. Als ich wegen einer Ausstellung wieder einmal Kontakt zur Redaktion hatte, habe ich gefragt warum. 'Weil der bisherige Autor altershalber nicht mehr kann', war die Antwort. Meine spontane Reaktion in meinem jugendlichen Leichtsinn: 'Soll ich euch welche liefern?'. 'Ja gerne, mach mal', war die Antwort. So ging's los und es wurde eine Serie. Nach einiger Zeit dachte ich, es ist doch schade, wenn die Wanderungen einmal erscheinen und die mühselig erstellten Touren dann vergessen sind. Es wäre doch schön, wenn mal ein Buch daraus würde. Also fragte ich bei einem der damals bekannten Wanderführerverlage nach. Und wie durch ein Wunder konnte der Autor der Wanderführer für die Schwäbische Alb altershalber gerade zu der Zeit auch nicht mehr. Also übernahm ich das. Und dann ging es aufwärts, es folgte Buch um Buch bis zu den heutigen mindestens 160.
LM: Eine beeindruckende Zahl ...
Buck: Ehrlich gesagt war es weniger mein Verdienst, sondern mehr das unverschämte Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Platz zu sein. Heute trage ich „Titel“ wie „Wanderpapst" oder wie ich auch schon gelesen habe „Wanderlegende“. 2019 erhielt ich vom Tourismus-Verband Baden-Württemberg e.V. dessen Verdienstmedaille. Einerseits wegen Förderung des Wandertourismus, andererseits wegen meinen Verdiensten um die Verbindung Anreise mit dem ÖPNV und Wandern.
LM: Schmeichelt Ihnen das, wenn Sie Formulierungen wie den „Wanderpapst“ lesen?
Buck: Natürlich fühlt man sich geehrt, es ist ja auch eine Anerkennung. Aber ich liege jetzt nachts nicht wach deswegen (lacht).
Video: Dieter Buck bewegt
LM: Sie waren ja aber auch schon vor Ihrer Zeit als Wanderbuchautor wandern – sonst hätten Sie ja damals sicher auch nicht die Wandertipps in Ihrer Zeitung vermisst. Woher rührt diese Begeisterung?
Buck: Das hat sich – nach der üblichen pubertätsbedingten Abneigung zum Wandern – so in meinen Zwanzigern allmählich entwickelt bis zur heutigen Begeisterung. Wobei ich sagen muss, dass meine Begeisterung für die Natur eigentlich auch in den wanderfernen Zeiten immer präsent war – ich habe also nicht bei Null angefangen, als ich wieder loslegte.
Bücher von Dieter Buck
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LM: Inzwischen haben Sie auch mit Ihrer Tochter Melanie Bücher veröffentlicht. Oft geht es ja Kindern von Wanderfreunden so, dass sie das irgendwie alles anstrengt mit den Eltern … Das war bei Ihnen offensichtlich anders?
Buck: Das war die übliche Entwicklung: Nach begeistertem Mitwandern als kleines Kind hörte das pubertätsbedingt auf. Ich habe aber keine Zwang ausgeübt, weil ich von mir selbst wusste, dass das überhaupt nichts bringt. Ihre Begeisterung für Wandern und Natur kam dann später von alleine wieder, völlig ohne mein Zutun. Heute ist sie – nach einem völlig anders geartetem Studium - u.a. ausgebildete Waldpädagogin und Waldbaden-Coach. Es ist allerdings auch bekannt, dass Menschen, die Natur und Wandern schon als kleine Kinder mit den Eltern erleben, nach einer gewissen Zeit der Abstinenz leicht dazu zurückkehren. Weil sie halt noch aus ihrer Kindheit wissen, wie schön das ist. Leid tun einem nur diejenigen, die das als Kinder nicht erleben und auch überhaupt kein Gefühl für so etwas haben. Die fangen als Erwachsene, wenn überhaupt, gefühlsmäßig bei Null an. Das ist schwierig.
LM: Wenn Sie auf Tour sind: Was bedeutet Wandern für Sie?
Buck: Entspannung, Freude an der Natur. Da bin ich Künstler geblieben. Ich ziehe das Genießen einer schönen Landschaft und das Fotografieren derselben - zum Zeichnen und Malen fehlt mir leider die Zeit - allen sportlichen Zielen, die manch andere antreiben, bei weitem vor. Ganz abgesehen von den naturkundlichen und historischen Sehenswürdigkeiten unterwegs, eine Sache, die mich von Anfang an interessiert hat.
LM: Sie dokumentieren Ihre Touren ja ausführlich. Wo steht der Kilometerzähler denn aktuell?
Buck: Ich bin derzeit bei Wanderung Nr. 4220. Wobei ich jahrelang meine alpinen Touren nicht mitgezählt habe. Wenn man eine durchschnittliche Länge von geschätzt 11 Kilometern nimmt, sind das etwa 46.420 Kilometer. Grobe Schätzung.
LM: Zu Ihrem 60. Geburtstag - inzwischen auch schon wieder ein paar Jahre her - erschien ein Buch mit Ihren 60 Lieblingstouren. Kamen in den letzten siebeneinhalb Jahren noch welche dazu – oder planen Sie zum 70. noch mal eine Neuauflage?
Buck: Ich bin derzeit geschätzt bei zwischen 160 und 170 Büchern. Dabei sind auch einige Bücher, bei denen ich nicht der einzige Autor bin. Völlig eigene Bücher sind es vielleicht 150. Und genau zu dieser Zahl bereitet mein Verlag gerade ein Jubiläumsbuch vor, das noch vor dem Sommer erscheinen soll.
LM: Nach so vielen Jahren unterwegs im ganzen Land – haben Sie eine ganz spezielle Tour, quasi ihre „All time Favourite“-Tour im Land?
Buck: Eigentlich nicht – wenn man das ganze Jahr, sicher mindestens 300 Tage, im ganzen Land, zwischen Odenwald und Bodensee, zwischen Ortenau und Oberschwaben unterwegs ist, sieht man so viele schöne Landschaften, dass man keine als „die schönste“ bezeichnen mag. Eigentlich schade drum. Aber ich bin eigentlich nie „just for fun“ unterwegs. Selbst wenn, schreibe ich trotzdem auf was ich gemacht habe, denn irgendwann kann ich es verwenden.
LM: Wie würden Sie Baden-Württemberg als Reiseland beschreiben?
Buck: Vielfältig. Vielfältiger vielleicht als jedes andere Bundesland. Die haben zweifelsohne auch ihre schönen und wunderschönen Ecken. Aber wenn man an die landschaftliche Vielfalt von Baden-Württemberg denkt, das kann wohl keiner toppen: Man nehme nur die Mittelgebirge: Schwäbische Alb, Schwarzwald, Schwäbisch-Fränkischer Wald, Odenwald. Die Nutzungsunterschiede: Wald, Landwirtschaft, Weinbau. Den Unterschied zwischen dichten, urwaldartigen Wäldern, den kargen Landschaften wie z.B. auf der Alb, den Weinbaulandschaften, den Seen wie dem Bodensee – für sich sicher Sehenswürdigkeiten, die alleine in Konkurrenz mit ähnlichem in anderen Bundesländern stehen. Bei uns gibt es diese Vielfalt aber in einem Bundesland. Ich glaube nicht, dass da ein anderes Land mithalten kann.
LM: Wie planen Sie eine Wanderung?
Buck: Ich laufe ja nicht blindlings los, sondern habe fast immer ein Buch oder einen Zeitungsartikel im Kopf. Das Ziel ist also in etwa definiert. Dann nehme ich die Karte und schaue, was es dort für Wanderwege gibt. Dann suche ich mir eine Rund- oder Streckenwanderung aus, die von der Länge her passt und schaue, ob es unterwegs oder in der Nähe irgendwelche naturkundlichen oder historischen Sehenswürdigkeiten gibt, die man „mitnehmen“ kann. Zum Glück sind wir hier mit hervorragenden Karten verwöhnt.
LM: Nimmt man die Welt als Wanderbuchautor anders wahr?
Buck: Ja, sicher. Man nimmt sie bewusster wahr, weil man sie ja beschreiben muss. Ich sage immer, ich erleben meine Wanderungen dreimal: Einmal in der Vorbereitung, einmal beim wandern, einmal beim Aufschreiben, wenn die ganze Tour noch einmal wie ein Film vor mir abläuft. Eigentlich sogar ein viertes Mal, wenn man die Tour bei der Fertigstellung für ein Buch noch einmal durchgeht.
LM: Corona hat dem Wandern ja einen regelrechten Boom beschert. Wie beobachten Sie den Trend?
Buck: Stimmt hundertprozentig. Ich habe es im Frühjahr 2020 beobachtet. Ich bin ja eigentlich jeden Tag unterwegs. Normalerweise treffen Sie wochentags vielleicht mal einen Rentner, der sein Zamperl spazieren führt. Seit letztem Frühjahr sind aber auch unter der Woche unzählige Menschen unterwegs, von denen man meint, dass sie altersmäßig eigentlich arbeiten müssten. Und die Hotspots kann man seither an Wochenenden nur noch meiden. Schön für den Wandersport, schade aber für die Menschen, die gerne die Natur für sich alleine genießen. Aber man ist halt nicht alleine auf der Welt.
LM: Was mögen Sie selbst gar nicht beim Wandern?
Buck: Asphaltwege, Straßen- oder Industrielärm, Wege durch hässliche Industriegebiete. All das, was sich halt nicht immer ganz vermeiden lässt.
Wandertipp Buck bwegt - mit der Gäubahn ins Gäu
LM: Sie sind gebürtiger Stuttgarter, leben dort noch heute – warum zieht es Sie nach Ihren Wanderungen – die ja durchaus auch ins Ausland führen – immer wieder zurück in die Heimat?
Buck: Stimmt, ich habe auch über den alpinen Raum Bücher geschrieben. Salzburg, Kärnten, Allgäu, Vorarlberg, Südtirol. Alles wunderschöne Gegenden. Aber hier lebe ich halt, lebt meine Familie. Es gibt keinen Grund, woanders hinzuziehen. Obwohl ich viele Gegenden wüsste, wo ich mich auch wohlfühlen würde. Aber eines würde mir überall fehlen: Die oben beschriebenen Vielfalt. Und Stuttgart hat in Baden-Württemberg einen großen Vorteil: Es liegt doch relativ zentral. Ob ich nun in den Odenwald fahre oder an den Bodensee, ins Rheintal oder in württembergische Allgäu. Es ist überall gleich weit – oder nah, wie man es will.
LM: Muss man als Wanderer eine gewisse Heimatverbundenheit mitbringen?
Buck: Es ist sicher kein Muss, erleichtert aber vieles. Und wenn das Herz dabei ist, fallen die Recherchen schon leichter bzw. weiß man vieles schon. Wobei Heimatverbundenheit meines Erachtens eine relativ enge Sache ist: Für mich wäre das ein Radius von vielleicht 50 Kilometer um meinen Wohnort – alles was weiter weg ist, sind für mich keine heimatlichen Gegenden, sondern schöne Wandergegenden, ich denen ich gleichermaßen fremd wie daheim bin.
LM: Käme für Sie eigentlich auch mal ein Strandurlaub in Frage?
Buck: Nein, nie. Nichts gegen den Strand. Aber das wäre mir viel zu langweilig. Nach einem halben Tag würde ich mir sagen: Alles gesehen und erlebt, und was jetzt? In den Jahren, in denen ich auch nicht wandernd unterwegs war, war ich oft in Ländern mit berühmten Stränden. Ich habe Südfrankreich, Spanien, Portugal, Italien intensiv bereist, bin auch in Küstenstrichen unterwegs gewesen. Aber an einen Strand hat es mich nie gezogen. Wir haben die Kultur, die Sehenswürdigkeiten, das Lebensgefühl aufgesogen, was sollten wir dann am Strand herumliegen?