Erich Zeller: Mit dem Fahrrad-Camper in die Freiheit

„Ursprünglich hatte ich vor, ein Tiny House zu bauen“, erzählt Zeller von den Anfängen. Als daraus nichts wurde, ist er 2021 im Internet auf Rene Kreher gestoßen, den „Papst der Fahrrad-Wohnwagen-Bauer“. Die Faszination für das Minimalistische und die Reiseeinschränkungen der Zeit, insbesondere bei Unterkünften, ließen die Idee reifen, selbst einen kleinen Camper aus Holz zu bauen, der schließlich nur noch mit einer Weber-Kupplung an das E-Bike gehängt wird.

Ein echter Hingucker

Unterstützung und die nötige Begeisterung für das Projekt fand der 61-Jährige durch eine Sinsheimer Schreinerei in Person von Naid Deliu. Hier entstand der erste Prototyp auf dem Metallgestell eines alten Kinderanhängers. Mittlerweile wird die dritte Version mit Auflaufbremse sowie PowerBank vermietet, womit das Handy aufgeladen werden kann. Verwendet wird Gabun, zertifiziertes Mehrschicht-Holz aus Italien, das von Grund auf sehr wasserfest ist.

Nur keine Platzangst

Um auf schmalen Wegen ohne Probleme durchzukommen, ist der Anhänger nur 90 Zentimeter breit. „Meine Frau könnte nicht im Camper übernachten“, gibt Zeller zu, der mit ihr seit 10 Jahren in Neckargemünd lebt. Urlaub in zwei bis drei Kubikmeter Raum spricht nicht alle an, eine gewisse Höhlenvorliebe ist hier also von Vorteil. Mit 2,05 Metern Länge und 1,35 Metern Innenhöhe kommt der Camper kompakt daher, ermöglicht aber auch aufrechtes Sitzen (lohnend vor allem bei schlechtem Wetter) und Platz für einen Erwachsenen mit Kind oder Hund. „Wir hatten auch schon die Oma, die mit ihrem Enkel losgezogen ist.“

Ausstattung

Neben dem knapp zwei Meter langen Bett finden sich im Camper auch ein großes Fenster (46 x 33 cm) aus bruchsicherem Plexiglas, ein kleines ausstellbares Bullauge am Heck, LED-Lichter für die Innenbeleuchtung und eine Halterung für den Gaskocher. Unter der hochklappbaren Liegefläche verstecken sich zudem 260 Liter Stauraum. Im neusten Modell gibt es sogar einen kleinen Tisch.

Vermietung an drei Standorten

„Wir haben selbst ein Radwegenetz aus insgesamt 300 km zusammengestellt, die wir unseren Mietern gerne zur Verfügung stellen.“ An den Standorten Neckargemünd, Rimbach und Sinsheim kann der Camper ausgeliehen und wieder abgegeben werden. Wer einen Rundkurs von 220 km absolvieren will, kann so von einem der drei Punkte starten. Entsprechend beträgt die Mindestleihzeit zwei Tage, inklusive Kissen, Bettwäsche und Gaskocher. So geht es beispielsweise die Bergstraße Richtung Darmstadt hinauf, dann nach rechts Richtung Odenwald, wo man am Ende unten am Neckar rauskommt, um rüber in den Kraichgau zu fahren und über den Elsenztalweg wieder nach Neckargemünd zu gelangen.

E-Bike empfohlen

Die Preise beginnen ab 45 Euro/Nacht (Camper), plus 35 Euro/Nacht für das dazugehörige E-Bike. Da der Anhänger auch schon mal auf 80 kg Gewicht kommen kann, macht das Strampeln mit einem normalen Rad auf Dauer keinen Spaß – schon gar nicht bergauf. Vier gefräste Park-Stützen ermöglichen am Pausenort einen festen und ebenen Stand.

Kleine Pilgerreise

Warum die dazugehörige Homepage www.lebens-pilgern.de heißt, wird der Initiator oft gefragt. „Man ist meist allein mit wenig Gepäck unterwegs, am besten auch ohne Smartphone. Da kann man mal schauen, ob man es mit sich selbst aushält.“ Das habe viel vom Pilgern, sagt Zeller, der künftig gerne auch etwas Ähnliches anbieten würde – mit Fragekatalog, der helfen soll, sich selbst zu reflektieren.

Camper selbst zusammenbauen

Wer danach gar nicht mehr auf den kleinen Fahrrad-Camper verzichten will, kann sich das „knuffige kleine Holz-Ei“ auch kaufen. So nennt der studierte Druck- und Medientechniker sein Herzensprojekt im Vergleich zu Wohnwagen. Für rund 6.000 Euro ist der Holzanhänger zu haben, der auf Bestellung sechs bis acht Wochen Bauzeit benötigt. Wer möchte, kann sich diesen auch selbst zusammenbauen. Dafür sollen mit anderen Gleichgesinnten Workshops angeboten werden.
Egal, ob übers Wochenende oder Langzeitliebe: Der Fahrrad-Camper ist in der Region – und darüber hinaus – ein einzigartiges Angebot, das unabhängigem und nachhaltigem Reisen einen ganz eigenen Charme verleiht.