Kleine Städte – großer Charme – Dieter Buck kennt sie. Der Wanderpapst hat auch seinen Streifzügen durch Baden-Württemberg nicht nur die großen Metropolen im Ländle erkundet, sondern häufig die kleineren Städte, die ebenso mit Geschichte, Sehenswürdigkeiten und kleinen und großen Geheimtipps glänzen. In seinem Buch Kleine Städte – Großer Charme, malerische Stadtperlen in Baden-Württemberg (J. Berg Verlag) hat er 40 von ihnen porträtiert. Die Nussbaum-Leserinnen und Leser nimmt er mit auf eine Tour durchs malerische Gernsbach.
Perle des Murgtals
In Gernsbach, auch die „Perle des Murgtals“ genannt, kann man nicht nur schöne Fachwerkhäuser sehen, sondern hier kommen auch Blumenfreunde auf ihre Kosten: In den Sommermonaten zwischen Juni und September ist die Stadt mit zahlreichen Beeten mit Cannas geschmückt. Und auch der Katz‘sche Garten ist ein Gartenparadies. Die 1219 erstmals urkundlich erwähnte Stadt wurde von den Grafen von Eberstein gegründet. Bedeutend und reich wurde sie durch den Holzhandel der 1488 gegründeten Murgschifferschaft. Zurückgeworfen wurde die Entwicklung Gernsbachs dagegen durch einen Großbrand 1417, den Dreißigjährigen Krieg und der Pfälzische Erbfolgekrieg. 1660 gelangte die Stadt unter die Verwaltung von drei Vögten, und die Häuser Baden und Württemberg sowie das Fürstbistum Speyer hatten je ein Amtshaus in der Stadt. 1803 kam sie an Baden.
Schlendern zwischen Fachwerkhäusern
Wir starten unseren Rundgang an der bereits 1505 erwähnten und 1823 bis 1825 erbauten Stadtbrücke. Hinter ihr an der Kreuzung der Waldbachstraße mit der Hauptstraße stehen Fachwerkhäuser und Gebäude aus der Gründerzeit (1870) sowie der Kondominatsbrunnen (1511). Seine Wappen erinnern daran, dass einst die Herrschaft über die Stadt zwischen den Grafen von Eberstein und den badischen Markgrafen geteilt war. Die Hauptstraße bringt uns nach rechts zum Alten Rathaus, einem der bedeutendsten Renaissancegebäude in Süddeutschland. Es wurde 1617/18 im Auftrag des mächtigen Murgschiffers und Holzhändlers Johann Jakob Kast durch den Heidelberger Hofbaumeister Johann Schoch errichtet. Durch den kupfergedeckten Eckerker und die geschmückten Fenster und Giebel ist es wohl das schönste Haus der Stadt. Seit Ende des Dreißigjährigen Krieges dient es als Rathaus. Der gotische Marktbrunnen (1549) auf dem Marktplatz ist mit einer Renaissancesäule und einem barocken Nepomuk aus dem 17. Jahrhundert geschmückt.
Kleine Städte - Großer Charme von Buck, Dieter
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Kornhaus und Wolkensteiner Hof
Etwas weiter steht rechts das 1471 als Kaufhaus des Korn- und Fruchtmarktes erwähnte Kornhaus, das nach dem letzten großen Stadtbrand (1798) nach Plänen des Karlsruher Architekten Friedrich Weinbrenner erbaut wurde. Danach sehen wir links den Wolkensteinischen Hof, der auf den Freiherrn Christoph von Wolkenstein, einen Nachfahren des Südtiroler Minnesängers Oswald von Wolkenstein, zurückgeht. Dieser hatte 1600 die Gräfin Maria von Eberstein geheiratet und sich kurz darauf eine Residenz im Renaissancestil erbaut. Diese wurde im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688–1697) durch französische Truppen fast vollständig zerstört. Der heutige Bau mit seinen sandsteinumrahmten Fenstern stammt von 1798.
Zwischen den Bürgerhäusern eine Kirche, am Schluss ein Garten
Die Liebfrauenkirche steht dahinter an der höchsten Stelle der Altstadt. Sie wurde 1380/90 erbaut und 1833 erweitert. Vielleicht ging sie aus einer früheren Burgkapelle hervor. Ihr Turm war in die Befestigungsanlage eingebunden. Noch Anfang des 18. Jahrhunderts stand auf ihm zum Schutz der westlichen Flanke der Stadtmauer ein Geschütz. Im Turm findet man ein Heiliges Grab aus dem 15. Jahrhundert. Sehenswert sind die spätgotische Pietà (um 1500), drei Heiligenfiguren und die Glasfenster (15. Jh.).
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Rechts an der Kirche vorbei kommen wir zum Storchenturm. Er ist mit einem badischen Wappen versehen und stand einst vor dem oberen Stadttor. Wir gehen nun zurück und biegen nach dem Wolkensteinischen Hof nach rechts in die steil abwärts führende Turmstraße ein. Vorbei an den Kellern des Wolkensteinischen Hofes und dem alten Gefängnis erreichen wir die Storrentorstraße, biegen rechts und gleich wieder links ab in die Waldbachstraße. Hier steht rechts das ehemalige Spital, das 1654 mitsamt einer Lohmühle an eine Rotgerberfamilie überging.
Stadtmauer
Nach links abwärts kommen wir zum Rest der 1219 erstmals erwähnten Stadtmauer, die einst einen Zwinger, vier Tore und mehrere Türme besaß. Außerdem finden wir hier eine 1620 erbaute oberschlächtige Mühle, die letzte ihrer Art in Baden. Zudem sitzen auf der Mauer zwei mächtige Zehntscheuern. Sie gehen auf das 16. Jahrhundert zurück, die jetzigen Gebäude stammen aber von 1764 und 1784.
St. Jakobskirche
Danach biegen wir rechts ab in die Ebersteinstraße. Die 1219 und 1243 erwähnte St. Jakobskirche wurde in der Reformationszeit von beiden Konfessionen genutzt, ist aber seit 1640 evangelisch. Sie besitzt eine monumentale Westfassade, die zwischen 1467 und 1471 erbaut wurde. Von 1771 stammen die Decke im saalartigen Langhaus mit dem bemalten Spiegelgewölbe und der barocke Dachreiter. Der spätgotische Chor besitzt ein Sternrippengewölbe. Die Innenausstattung geht auf das 15. und 16. Jahrhundert zurück, wobei das kunstvolle Sakramentshäuschen und das ebersteinische Epitaph besonders interessant sind. In der Krypta unter dem Chor hatten die Grafen von Eberstein ihre Grablege.
Schlossstraße
Über die Ebersteintreppe erreichen wir die Schlossstraße, wo wir uns rechts halten. Nun spazieren wir durch die mittelalterliche Vorstadt, die „Gass“, in welcher Handwerker und kleine Händler saßen, zum Amthof des Domstifts Speyer. Es ist ein mächtiges Gebäude mit Kellern, einer Küferei und Wohnung für den Vogt und wurde 1556 zur Verwaltung des Weinzehnten erbaut. Nach ihm gehen wir auf der Ebersteinbrücke über die Murg und durch die Hildastraße zum Kurpark. Danach spazieren wir zurück zur Igelbachstraße und nach rechts zum Ausgangspunkt.
Katz'scher Garten
Vorher sollte man allerdings noch den Katz'schen Garten in der Bleichstraße besuchen. Er wurde im Auftrag der einst reichen Murgschifferfamilie Katz 1803 von einem italienischen Gartenbauarchitekten im Stil des Spätbarock angelegt und ist mit vielen Kunstwerken von der Spätgotik bis zum Jugendstil ausgestattet. Heute finden wir hier eine außergewöhnliche Flora mit südländischen Pflanzen wie Palmen, Bananen, Feigenbäumen u. ä., dazu einen mächtigen Mammutbaum. Und was zu diesem herrlichen kleinen Park passt, sind noch einmal die oben erwähnten Cannas, die seit 2004 von Juni bis September die Innenstadt schmücken.
Video: Imagefilm der Stadt Gernsbach
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Lage/Einwohnerzahl
Gernsbach liegt im Murgtal im Nordschwarzwald südöstlich von Rastatt an der B462. Es hat 14 100 Einwohner.
Highlights
Das aus der Renaissance stammende alte Rathaus.
Tipp
Im Katz’schen Garten relaxen – optimalerweise in der Zeit, in der die Cannas blühen – und danach im Zentrum einen Kaffee trinken.
Informationen
Verkehrsamt Gernsbach, Igelbachstraße 11, 76584 Gernsbach. Telefon 07224 64444, www.gernsbach.de, touristinfo@gernsbach.de
Der Text wurde folgendem Buch entnommen:
Dieter Buck:
Kleine Städte – Großer Charme
Malerische Stadtperlen in Baden-Württemberg
192 Seiten, ca. 190 Abbildungen, Format 16,8 x 24,1 cm, Hardcover. J. Berg, München, 2023. ISBN: 9783862469109. 24,99 €