„Heimat ist nicht nur der Ort, an dem wir aufgewachsen sind, sondern auch ein Gefühl, das wir vermitteln wollen“, erklärt Marcel Eßlinger. Zusammen mit Raphael Heiche und Rouven Richter gründete er 2017 die Heimat Distillers in Schwaigern. Die drei haben sich vor allem der Herstellung von Rum und Gin verschrieben.

Heimat und Regionalität gehören für das Trio dabei ganz klar zum Konzept. „Der Name soll ausdrücken, dass man beim Genuss der Produkte daran denkt, wo man eigentlich herkommt. Der Geschmack, der Geruch sollen Kindheitserinnerungen und der Name Assoziationen wecken, wie: Wo sind meine Wurzeln?“, so Eßlinger.

Schon der Oma immer fleißig mitgeholfen

Rouven Richter wuchs quasi mit dem Destillieren auf. „Meine ersten Berührungspunkte waren tatsächlich schon in Kindheitstagen. Als kleiner 'Kerle' war ich bei der Oma schon immer beim Destillieren mit dabei und hab ihr fleißig geholfen, die Kessel zu füllen, die Äpfel oder auch die Kräuter zu sammeln“, berichtet er. Sein Geschäftspartner Marcel Eßlinger betrachtet sich wiederum eher als „Quereinsteiger“ in der Branche, hat aber auch schnell die Faszination des Destillierens für sich entdeckt.

Der Dritte im Bunde, Raphael Heiche hatte seine ersten Berührungen mit Gin in der Gastronomie als Barkeeper. Begeistert von der Spirituose wollte Rapahel eigene Maßstäbe setzen und mit der beim Schwiegervater vorhandenen Destille wurde dies auch möglich.

Marcel Eßlinger (li.), Rouven Richter (Mitte) und Raphael Heiche (re.) gründeten 2017 ihre Destillerie "Heimat Distillers".

Heimat Distillers

Marcel Eßlinger (li.), Rouven Richter (Mitte) und Raphael Heiche (re.) gründeten 2017 ihre Destillerie "Heimat Distillers".

Von Jahr zu Jahr wurde das Unternehmen erfolgreicher. Dabei war es nie wirklich vorgesehen, einen breiten Markt abzudecken. Denn die ersten Flaschen sollten eigentlich nur dem Eigenbedarf dienen, quasi aus Freude am Destillieren.

Doch dann kam alles anders: „Es war nie so, dass wir gegründet haben, um daraus ein Geschäft zu machen, von dem wir leben können. Diese Dimensionen waren überhaupt nicht absehbar. Anfangs wollten wir nur einen Gin für den Eigenbedarf produzieren. Doch bereits nach zwei Jahren hatten wir unsere gut bezahlten Jobs gekündigt und uns mit einer eigenen Destille in einem alten Natursteinwerk selbstständig gemacht. Aktuell, also fünf Jahre nach Gründung, sind wir acht Personen in Vollzeit plus Werkstudenten, mit einem breit aufgestellten Sortiment, welches international mehrfach ausgezeichnet wurde. Und das alles entstand aus der Idee, neue Maßstäbe zu setzen, die heimatlichen Botanicals wie bei einem Spaziergang durch die Heimat in einen Gin zu packen. Daher auch der Name Heimat Gin“, erklärt Rouven Richter.

Was sind Botanicals?

Botanicals sind nichts anderes als „natürliche Drogen“, die dem Gin zugegeben werden, wie Wurzeln, Kräuter, Rinden, Zimt, Wacholder oder Gewürze. „Alle botanischen, also pflanzlichen, Zutaten, die für den Gin verwendet werden, nennt man Botanicals“, so Richter.

Über Nacht ging's los

Hier in der Destille stellen sie ihre Produkte her.

Heimat Disitllers

Hier in der Destille stellen sie ihre Produkte her.

Am Ende sei es ein Facebook-Post gewesen, mit dem die drei voller Stolz ihren Heimat Gin präsentierten. Freunde und Bekannte wollten daraufhin auch ein Exemplar und so kam eins zum anderen. „Über Nacht waren die ersten 50 Flaschen weg. Und so ging das auch die folgenden Wochen weiter, dass mir viele Leute Nachrichten geschrieben haben, die auch einen Heimat Gin wollten“, blickt Eßlinger zurück. „Es war eher ein Pull-Prinzip und kein Push-Prinzip. Wir haben nicht versucht, auf den Markt zu drängen. Die Nachfrage war einfach da und wir haben sie bedient“, erinnert sich Richter.

Der Heimat Vogelfrei ist ein alkoholfreier Gin.

Heimat Distillers

Der Heimat Vogelfrei ist ein alkoholfreier Gin.

Nach dem Heimat Gin folgte Produkt um Produkt. Immer wieder tüfteln die drei an neuen Kreationen. So kam 2020 der alkoholfreie Gin „Heimat Vogelfrei“ auf den Markt. Im Sommer 2021 folgte der Rum Ramero, mit welchem die drei bei den World Spirit Awards die Goldmedaille holten.

Die Besonderheit am Ramero: Es ist ein vollständig in Deutschland gereifter Rum. „Das ist insofern interessant, als die Rumproduktion normalerweise hauptsächlich in Südamerika stattfindet. Dadurch unterscheidet sich unser Rum klar von den internationalen Mitbewerbern“, so Richter.

Raritäten aus dem Fasslager und ein Gin mit „Wow-Effekt“

2022 wurde ein weiterer Blended Rum, der Double Blend, auf den Markt gebracht und im Rum-Bereich soll es auch weitergehen, hieß es damals. „Wir bringen unsere ersten Single Cask Abfüllungen, das sind besondere Fässer, also Raritäten, die besondere Eigenschaften haben“, erklärt Richter. Auch für den alkoholfreien Markt gibt es schon wieder eine neue Idee: „So viel sei verraten: Es wird ein Gin mit Wow-Effekt. Gibt es so in der Form noch nicht.“ 

eine Flasche Heimat Aperitivo im Korb

Heimat Distillers

Der Heimat Aperitivo beinhaltet vor allem Roséwein, Gin und schwarze Johannisbeere.

Im Frühjahr 2023 brachten die Heimat Distillers außerdem noch einen eigenen Aperitif heraus, den Heimat Aperitivo. Er reiht sich nahtlos ins Konzept ein, „weil er sau lecker und regional ist“, betont Richter. Dabei handelt es sich um eine Zusammensetzung aus Roséwein, Gin und eigenen Destillaten. „Wir wollten einfach ein richtig leckeres Produkt machen, das ausschließlich aus regionalen Produkten entsteht. Das war der Grundgedanke. Es sollte saisonal sein, zum Sommer passen und Spaß machen.“

Alles natürlich

Künstliche Aromen wie bei vielen anderen Aperitivos waren für die drei dabei ausgeschlossen. Sie wollten eine natürliche Aromen-Welt schaffen, und das ist ihnen gelungen. „Es ist genau das perfekte Getränk für einen schönen warmen Sommerabend“, verspricht Richter.

Neu: alkoholfreier Rum

Eine weitere Neuheit ist der alkoholfreie Rum HEIMATVOGELFREI SUGAR CANE. Die alternative Zutat für alkoholfreie Drinks. Kein Shot, kein Alkohol. Aber als Mix in Cocktails und Longdrinks ein echtes Geschmackserlebnis.

Für den Gin sind vor allem die Botanicals, also botanischen Zutaten wichtig.

Heimat Distillers

Die in der Region frisch gesammelten Kräuter sollen das Heimatgefühl in die Flasche bringen.

In jeder Flasche soll stets auch das Heimatgefühl erlebbar sein. Viele Zutaten, wie die Kräuter, die in die Produkte gemischt werden, kommen aus der näheren Umgebung. Auch im Herstellungsprozess zeigt sich das: Werden beim Heimat Gin Äpfel naturbelassener Wiesen, frischer Thymian oder Wiesensalbei verwendet, so wird der Ramero blanco in frisch entleerten Rotweinfässern gereift, die von Winzern aus der Region stammen. „Auf diese Weise kriegen wir unsere Heimat-Note mit in den Rum hinein“, betont Richter.

Aufgabenverteilung

Die drei sind ein eingespieltes Team, kennen sich seit ihrer Kindheit. Jeder hat sein Fachgebiet. Im Unternehmen gibt es daher auch klare Aufgabenverteilungen. „Ich bin für die Destillation verantwortlich, für die Produktion, fürs Lager, also für alles praktische Umsetzen, dass das Produkt am Ende in der Flasche landet“, fasst Richter zusammen.

„Ich komme ursprünglich aus dem Vertrieb und kümmere mich hier auch um den Vertrieb, aber auch um Personalmanagement. Schwerpunktmäßig sorge ich dafür, dass die Flasche am Ende im Regal steht“, erzählt Eßlinger. Raphael Heiche wiederum kümmert sich vor allem um den Bereich Marketing, Einkauf, Gestaltung.

Der Ramero blanco hat Gold bei der Spirituosenweltmeisterschaft 2022 gewonnen.

Heimat Distillers

Der Ramero blanco hat Gold bei der Spirituosenweltmeisterschaft 2022 gewonnen.

Den klassischen Tagesablauf in dem Sinne haben die drei nicht. „Natürlich gibt es ein paar Bereiche, wenn es um aktuelle Aufträge geht, wo es jeden Tag dasselbe Spiel ist“, so Eßlinger. Doch an sich bringt jeder Tag wieder andere Aufgaben mit sich.

Ein gemeinsamer Start

Doch einen festen Ankerpunkt haben die drei, den gemeinsamen Start morgens um 8 Uhr mit einem Briefing, um zu sehen, welche besondere Aufgaben anstehen, ob ein Tasting vorbereitet werden muss, ob Kunden oder Lieferanten zu Besuch kommen, was abgefüllt werden muss, was vom Versand her wichtig ist, was vertriebstechnisch wichtig ist. „Das Briefing am Morgen ist sehr wichtig, weil wir keine klassischen Routinen haben jeden Tag“, meint Richter.

Bei Kombi-Tastings, bei dem sowohl Rum- als auch Gin-Produkte probiert werden, können Besucher einen Einblick hinter die Kulissen der Heimat Distillers gewinnen. Das Tasting findet in „zwei unterschiedlichen Welten“ statt, wie Eßlinger verrät und wird mit einer Führung durch das Gebäude kombiniert.

Der Gin wird in der Brennerei verkostet, der Rum direkt im Fasslager. Dabei werden weitere spannende Hintergrundinfos zu Herstellung vermittelt. „Wir erklären hier immer am Geschehen, was eigentlich passiert“, erläutert Richter.

Positives Fazit

Auf die sechs Jahre seit Gründung blicken die drei positiv zurück, gerade weil es anfangs gar nicht die großen Erwartungen gegeben hat. „Es hat sich Jahr für Jahr weiterentwickelt. Jedes Jahr kamen neue Kunden dazu, die uns einen Push gegeben haben. Wir haben einfach versucht, unsere Hausaufgaben gut zu machen“, meint Eßlinger.

Video: Ein Blick hinter die Kulissen

Natürlich gab es auch Herausforderungen zu meistern. Wie überall hat auch hier die Pandemie für Umsatzeinbußen gesorgt. Doch die drei wurden kreativ und entdeckten eine Marktlücke, gab es schließlich zu Beginn der Pandemie vielerorts einen Versorgungsengpass mit Desinfektionsmittel. „Wir haben uns dann reingehangen und in zwei Wochen ein komplett neues Produkt aus dem Boden zu stampfen. So kam es zu unserem Heimat-Desinfektionsmittel“, berichtet Richter.

Die Idee lag laut Richter auch auf der Hand: „Wir hatten Alkohol, wir hatten auch die nötigen Mitarbeiter. Wir konnten hierbei nachhaltig arbeiten, weil wir die Nebenprodukte vom Destillieren mit verwenden konnten. Dadurch konnten wir uns auch noch durch einen schönen Geruch von anderen Produkten auf dem Markt differenzieren.“

Auf diese Weise konnte man auch alle Mitarbeiter durch die Pandemie bringen. Inzwischen beschäftigt man fünf Vollzeitmitarbeiter. Hinzu kommen weitere Minijobber oder Hilfskräfte, je nach Bedarf und Auftragslage.

Authentizität als Erfolgsgeheimnis

Trotz des Erfolges bleiben die Heimat Distillers demütig. „Wir sind sehr dankbar für alles. Wir haben von Anfang an einfach das gemacht, worauf wir Lust hatten, Dinge, die zu uns passen“, meint Richter. Diese Authentizität sieht er auch als Erfolgsgeheimnis: „Die Leute suchen vielleicht auch genau diese Authentizität, dass jemand das macht, worauf der Lust hat.“

Rouven Richter, Raphael Heiche und Marcel Eßlinger, die drei Gründer der Heimat Distillers, bringen gern die Heimat, also die frischen Zutaten der Streuobstwiesen, in die Flasche.

Heimat Distillers

Rouven Richter, Raphael Heiche und Marcel Eßlinger, die drei Gründer der Heimat Distillers, bringen gern die Heimat, also die frischen Zutaten der Streuobstwiesen, in die Flasche.

Bei den Heimat Distillers sollen die Besucher hinter die Kulissen blicken können. Die Welt dort soll erlebbar werden. „Deswegen haben wir auch die Destille, das Fasslager vor Ort (laut eigener Aussage das größte Fasslager in Süddeutschland), wo die Leute vorbeikommen können. Wir wollen das auch weiter ausbauen. Die Leute sollen sagen: „Da gehe ich hin. Da hab ich ein kleines Erlebnis. Da kann ich probieren. Da kann ich Zeit verbringen, mitten in der Natur“, meint Eßlinger.