Manch ein Leichtbau-Fanatiker, der nach monatelangem Studium von Vergleichsportalen, Katalogen und Fachzeitschriften sein Traumfahrrad aufgebaut hat, stellt überrascht fest, dass das Gesamtpaket deutlich schwerer ist, als die Summe seiner Teile versprach.

Doch wie wichtit ist das Fahrradgewicht?

Mann trägt Faltrad

Dean Mitchell/E+/Getty Images

Falt- und Klappräder sind tragbar und daher natürlich leichter.

Wann spielt das Gewicht des Fahrrads eine Rolle?

Es gibt v. a. zwei Kategorien von Fahrrädern, bei denen Gewicht eine große Rolle spielt. Das sind Kinder- und Rennräder. Denn dass es für ein 20 Kilogramm leichtes Kind schwieriger ist, ein 15 Kilogramm schweres Rad zu bewegen, als für einen Erwachsenen mit 60, 80 oder 100 Kilogramm Körpergewicht, das liegt auf der Hand. Ein geringes Gewicht darf keinesfalls zu Lasten der Stabilität des Rahmens und anderer Komponenten gehen. Hier sollten Käufer auf das GS-Logo achten, gerade bei Kinderrädern.

So oder so ähnlich gilt das auch fürs Rennrad. Die zweite Kategorie, bei der „less is more“ eine wichtige Rolle für die Kaufentscheidung spielt. Das UCI-Minimum für Wettkampfräder von 6,8 Kilogramm stellt hier gewissermaßen den Goldstandard dar, an dem jede Stammtischrunde ihre Räder miteinander misst. Ob das sinnvoll ist? Eine Frage der Perspektive. Jedenfalls sollte der 90-Kilogramm-Athlet, der im Sprint 1.000 Watt und mehr in die Kurbelarme drückt, sein Kreuz eher bei maximaler Rahmensteifigkeit als beim geringem Gewicht machen.

Hobbyathleten, die bei Wind und Wetter unterwegs sind, macht das Mehrgewicht einer modernen Scheibenbremsanlage und voluminöser Reifen sogar schneller. Das gleiche gilt für Komfortextras ebenso wie für einen aerodynamisch optimierten Rahmen. Rennrad- und MTB-Spezialist Philipp Martin von einem Hersteller aus den USA antwortet dann auch eher salomonisch auf die Frage, wieviel das Gewicht beim Renner noch zählt: „Gewicht zählt, ist aber nur eines von mehreren Kriterien, die ein Rennrad schnell machen. Deshalb versuchen wir grundsätzlich eine Modellpalette anzubieten, in der vom Bergfloh zum Bahnsprinter jeder das richtige Rad findet.“ Mehr dazu, wie Sie das richtige Rad finden, lesen Sie auch hier.

Auf das Fahrverhalten kommt es an!

Gewicht zu sparen ist übrigens nicht überall am Fahrrad gleich sinnvoll. Das Fahrverhalten wird unterschiedlich beeinflusst, je nach dem, an welchem Teil des Rades Gewicht eingespart wird.

Mehrgewicht kann auch gut sein

Ein paar Gramm machen beim E‑Bike den sprichwörtlichen Kohl nicht fetter. Dazu sind die Grundgewichte durch Motor und Akku ohnehin zu hoch. Trotzdem taucht die Kategorie „Gewicht“ mehr oder weniger unkommentiert in Testberichten oder Produktbeschreibungen so selbstverständlich auf wie die Angabe des Preises.

Auch an anderen Stellen ist ein gewisses Mehrgewicht gut angelegt, wie z.B. bei einer Vollfederung. Auch andere Extras wie ABS oder Doppel-Akku-System können das Gewicht in die Höhe treiben. Die Fahrsicherheit und der Komfort werden hierdurch ebenfalls erhöht – nicht nur das Gewicht.

Wenn man nur aufs Gewicht in der Produktbeschreibung achtet, bleibt die komplexe Bedarfsanalyse auf der Strecke. Deshalb ist eine individuelle Beratung im Fachgeschäft oder direkt beim Hersteller zu empfehlen. Keinem Berufspendler ist mit einem Rad geholfen, dessen empfindliche Leichtbaukomponenten alle paar Wochen einen aufwendigen Service benötigen und nicht von ungefähr sind bei Weltreisenden Stahlrahmen nach wie vor extrem populär: Sie können im Schadensfall nahezu überall auf der Welt repariert werden.

Gewicht ist nicht das entscheidende Kaufkriterium

Und soll nun geringes Gewicht plötzlich gar nichts mehr zählen? Nein! Man sollte es nur bei der Kaufentscheidung nicht zum letztgültigen Kriterium erheben. Gewicht selbst ist, wie jede messtechnische Größe, nicht immer gleich Gewicht. Serienstreuung, Fertigungstoleranzen und unterschiedliche Messverfahren verfälschen die vermeintlich objektive Zahl. Es soll sogar Hersteller gehen, die grundsätzlich die kleinsten Rahmengrößen ohne Schlauch oder Fett in den Lagern wiegen. Vor allem sind Fahrräder und ihr Zubehör aber zu komplex für die simple Gleichung leichter = besser.

Der Teufel steckt im Detail

Was für Fahrräder gilt, gilt auch für so manches Zubehör. Allen voran für Reifen, die als einzige Kontaktfläche zwischen Rad und Untergrund hohe Lasten zu schultern haben. Ein Cross-Country-Mountainbiker, der um den Sieg sprintet, wird das Risiko eines leichteren und leichter rollenden Reifens mit weniger Pannenschutz für den Renntag eingehen. Ein Familienvater indes, der an seinem freien Tag eine Geländetour unternimmt, wird sicherlich mit dem etwas schwereren und pannensicheren Reifen glücklicher. Und wer im Alltag einen sogenannten „Unplattbar“-Reifen wie verwendet, wird das höhere Gewicht sicher gern verschmerzen, wenn es ihm das Flicken erspart.

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