Von Tumorerkrankungen sind vor allem ältere und hochbetagte Menschen betroffen. Neben dem Krebs kommen altersbedingt oft funktionale, kognitive und psychische Belastungen und Störungen erschwerend hinzu. Aber alt ist nicht gleich alt. Die Einschränkungen sind sehr unterschiedlich gelagert und ausgeprägt. Für die Ermittlung der Gesamtkonstitution stehen spezifische Tests für ältere Patientinnen und Patienten zur Verfügung. Sie unterstützen den Arzt, die Krebstherapie gezielt auf die individuelle Situation des Betroffenen zuzuschneiden. Krebspatienten ab 70 Jahren sollten sich bei den behandelnden Ärzten nach der Möglichkeit einer solchen Testung erkundigen.
Alt ist nicht gleich alt
Der menschliche Alterungsprozess ist komplex. Physiologische Funktionen von Leber, Niere, Herz und Immunsystem nehmen mit dem Alter ab. Muskel- und Knochenmasse sowie Denk- und Gedächtnisleistungen können sinken. Wie schnell und in welcher Form Menschen altern, ist individuell sehr unterschiedlich. Auch die Fähigkeit, altersbedingte Einschränkungen zu kompensieren, kann von Mensch zu Mensch anders sein. Geriatrische Testverfahren für ältere Patientinnen und Patienten helfen bei der Beurteilung der körperlichen und psychischen Verfassung und decken altersbedingte Probleme auf.
Bessere Behandlungsplanung bei Krebs
Körperlich und geistig fitte ältere Patienten vertragen die Krebstherapie in der Regel besser und leben länger als gebrechliche Patienten. Deshalb ist es wichtig, neben den Besonderheiten des Tumors bei der Ausrichtung der Therapie auch den allgemeinen Gesundheitszustand zu berücksichtigen. Wissenschaftliche Daten zeigen: Standardisierte Tests für Ältere führen bei rund einem Viertel der älteren Krebspatienten zu einer Änderung der Dosis, des Therapieintervalls oder der Therapieform. Wegen des nachweislich positiven Effekts auf Überleben und Lebensqualität wurden sie unter dem Fachbegriff „geriatrisches Assessment“ in die onkologischen Leitlinien aufgenommen. Trotz dieser Empfehlungen werden sie allerdings noch zu selten eingesetzt.
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Dr. Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes am Deutschen Krebsforschungszentrum dazu: „Daher raten wir älteren Patientinnen und Patienten oder auch ihren Angehörigen, das Thema „geriatrische Tests“ bei den behandelnden Ärzten anzusprechen – und zwar bestenfalls im Vorfeld der Therapieentscheidung.“ Der Krebsinformationsdienst ist telefonisch täglich von 8 bis 20 Uhr unter 0800-420 30 40 erreichbar. Die Ärztinnen und Ärzte beantworten Fragen aber auch per E-Mail unter krebsinformationsdienst@dkfz.de. Das Informationsangebot ist kostenlos.
Was wird getestet?
Zunächst erfolgt eine Art Schnelltest, auch als geriatrisches Screening bezeichnet. Abgefragt werden Nahrungsaufnahme und Gewichtsverlust in den letzten drei Monaten, Body Mass Index, Alter, die Fähigkeit vom Bett oder Stuhl aufzustehen und nach draußen zu gehen. Es wird dokumentiert, wie viele Medikamente der Patient einnimmt und ob psychologische Probleme vorliegen. Außerdem wird er gebeten, seinen Zustand – im Vergleich zu Gleichaltrigen – selbst einzuschätzen. Anhand des Ergebnisses wird entschieden, ob eine detaillierte Alters-Diagnostik benötigt wird. Ist dies der Fall, werden weitere Tests durchgeführt. Sie beurteilen zum Beispiel die Bewältigung des Alltags, also etwa Ankleiden, Telefonieren oder das Regeln von Bankgeschäften. Weitere Themen sind körperliche, geistige und psychische Gesundheit sowie das soziale Umfeld.
Vorteile für den Patienten?
Krebsspezifische Behandlungen wie Operationen, Chemotherapie, Immun- und Strahlentherapie belasten ältere Patienten und Patientinnen in besonderem Maße. Mithilfe der Tests lässt sich abschätzen, über welche „persönlichen Reserven“ Krebspatienten im Alter verfügen, um eine geplante Krebsbehandlung erfolgreich zu bewältigen. Je nach individuellem Zustand kann die Therapie bestmöglich angepasst, Über- oder Untertherapie vermieden werden.
Auch die Kommunikation zwischen Arzt und Patient profitiert von den Tests: Bei der gemeinsamen Behandlungsplanung können altersbedingte Probleme, aber auch persönliche Werte und Ziele offen benannt werden. Das schafft Vertrauen und gibt Raum für Fragen etwa zu Heilbarkeit, Lebenserwartung und Lebensqualität.