Berge der Schwäbischen Alb, Flusstäler des Neckars, die üppigen Waldgebiete im Naturpark Schönbuch, Streuobstwiesen und Weinberge, eine der ältesten Universitäten und historische Altstädte – im Landkreis Tübingen sammelt sich Herausragendes. Die Region ist mit 519,11 km² Fläche zwar der kleinste Kreis des Landes, ist aber trotzdem Heimat für immerhin 239.649 Menschen in 15 Gemeinden, von denen fast 100.000 in der namensgebenden Kreisstadt leben. In Tübingen, der größten Stadt, befindet sich zudem die bekannte Universität, über 20.000 Studenten aus aller Welt sind hier immatrikuliert. Neben charmanten Altstädten und grünen Streuobstwiesen gibt es im Landkreis Tübingen einiges zu entdecken.
Kelten, Römer, Alemannen – eine weitreichende Geschichte
Der Landkreis Tübingen und die umliegende Region wird wiederholt als „Stelenprovinz“ bezeichnet. Das geht zurück auf den ungewöhnlichen Reichtum an keltischen Stelen, hochaufragende Grabmale aus Stein mit menschlichen Geschichtszügen und Ornamenten. Auch altertümliche Grabhügel und Viereckschanzen sind im ganzen Gebiet zu finden.
Nachdem die Römer die Kelten eroberten und sich ansiedelten, haben auch sie ihren Einfluss hinterlassen. Über 90 Fundstellen römischer Ansiedelungen sind bislang bekannt, auch damals technisch fortgeschrittene Römerstraßen wurden angelegt. Die Touristikroute der Römerstraße Neckar-Alb-Aare führt durch Rottenburg.
Um 260 n. Chr. gaben die Römer das Land wieder auf und die Alamannen siedelten sich an. Bis heute kann man den Einfluss an den Endungen der Ortsnamen erkennen: Endungen wie -ingen sind alamannischem Ursprung, bedeuten so viel wie „bei den Blutsverwandten“. Es gibt zudem zahlreiche archäologische Funde aus der Zeit in den vielen Museen zu besichtigen.
Der Landkreis in seiner gegenwärtigen Form
Nachdem das Königreich Württemberg die heutigen Gebiete des Kreises absorbierte und die Oberämter Tübingen und Rottenberg errichtet wurden, wurden beide Oberämter 1934 in Landkreise überführt, 1938 dann erheblich vergrößert. 1973 wurde der Landkreis Tübingen in seiner jetzigen Form im Zuge der Kreisreform gegründet und ist mit gerade einmal drei Gemeinden, die Stadtrecht besitzen, der Landkreis mit den wenigsten dieser Art. Größte Stadt ist Tübingen, Rottenburg und Mössingen sind die einzigen anderen Städte. Autokennzeichen ist TÜ.
Reizende Landschaften rund um den Neckar
Ausgedehnte und artenreiche Naturräume, die Berge an der Trauflinie der Schwäbischen Alb, Flusstäler und Höhenzüge – die Lage des Landkreises hat einiges zu bieten. Zwischen dem Naturpark Schönbuch und der „blauen Mauer“ des Albtraufs im Süden durchbrechen Neckar, Ammer und Steinlach das „Schichtstufenland“, welches die Oberamtsbeschreibung 1867 „eine der reizendsten Partien des Landes“ nannte. Fruchtbare Äcker und Wiesen gibt es sowohl in den oft buchtartig verbreiterten Tälern als auch auf den höher gelegenen Platten und Flächen, die im westlichen Landkreis bereits zum Oberen Gäu zählen.
Erholte und erholsame Natur im Schönbuch
Das Waldgebiet des Schönbuchs ist der erste Naturpark Baden-Württembergs und seit seiner Gründung 1972 ein beliebter Erholungsort. Weil die üppigen Wälder zum Zwecke der Holzbeschaffung für die Bauern und Pfalzgrafen jahrhundertelang massiv gerodet wurden, blieb vom einst dicht mit Eichen und Buchen bestandenen Gebiet wenig übrig. Die Waldweide und die Suche nach Streu der Bauern ging über die Zeit zurück, weshalb sich der Wald inzwischen wieder erholt.
Auf malerischen Wanderungen, von denen einige wie beispielsweise der Herzog-Jäger-Pfad oder die Schönbuchspitzrunde vom deutschen Wanderinstitut als Premiumwanderwege ausgezeichnet wurden, kann man die natürliche Schönheit auf sich wirken lassen. Innerhalb des Naturparks gibt es nicht nur unzählige Kleindenkmale, die auf der Webseite des Naturparks auf einer Karte markiert sind, sondern auch zahlreiche, heimat- und naturkundliche Museen zur Erweiterung des Wissensstandes aufzusuchen. Eine weitere Besonderheit ist das Rotwildgatter: bei angepasstem Verhalten können Besucher die Tiere sogar in freier Wildbahn beobachten.
Das „schwäbische Sauerland“ als geologischer Traum
Aus der Erde im Landkreisgebiet strömt in hoher Konzentration Kohlendioxid. Sprudelnde Quellwasser brodeln aus der Erde, die Kohlensäure begünstigte deren Anreicherung mit wichtigen Mineralstoffen. Die ersten Gemeinden füllten das Wasser aus „Branntweinbrunnen“ in „Sauerschlegel“ ab, Heilbäder, Mineralwasserfirmen und Industriebetriebe siedelten sich im Landkreis an. Im Vorland der Schwäbischen Alb entstanden Kurorte, warben mit den Heilwässern, die Hautprobleme, Wunden, rheumatische Schmerzen etc. lindern sollten. Örtliche Bezeichnungen dafür: „Bläsibad“ oder „Tauchklinge“.
Das Land hat noch eine weitere Besonderheit: Es ist steinreich – zum Bedauern der dort Beheimateten allerdings im wörtlichen Sinne. An oder unter der Erdoberfläche befinden sich Sandstein, Muschelkalk, Gips und Ölschiefer, mit denen früher die Fundamente der Siedlungen gelegt wurden. Fossilien, die letzten Beweise eines einst in dem Gebiet existierenden Ozeans, werden ebenso immer wieder ausgegraben.
Sport, Spazieren und Genießen am Früchtetrauf
Der Landkreis, aufgrund der vielen Streuobstwiesen von der Touristikbehörde auch „Früchtetrauf“ genannt, bietet viele Möglichkeiten zum Radfahren oder Wandern, zum Spazierengehen oder Genießen. 1000km beschilderte Strecke durch Stadt, Wald, Berg und Tal locken täglich Radfahrer auf das Bike, 11 Themenradtouren führen hierbei an wichtigen Orten für Literatur, an Streuobstwiesen, Burgen und Schlössern vorbei. In den bergigen Wäldern können auch Mountainbikefans Abwechslung erwarten.
Wer Wandern oder Spazieren möchte, kommt in und um Tübingen auf seine Kosten. Neben Rundwanderwegen auf dem Land und Premiumwegen im Schönbuch führt zudem der weltbekannte Jakobsweg an Klöstern und Wegekreuzen vorbei. Spazieren kann man vor allem in den idyllischen Altstädten der drei Kreisstädte oder im größten, zusammenhängenden Streuobstwiesengebiet Europas am Rande der Schwäbischen Alb. Genießer können einen Abstecher in einem der vielen Weinlokale einplanen und edlen Wein verkosten.
Universitätsstadt Tübingen: nicht nur für Studenten interessant
Der Dichter Ludwig Uhland oder Nationalspieler Thilo Kehrer – berühmte Persönlichkeiten nannten Tübingen ihre Heimat. Auch Johann Wolfgang von Goethe leistete der kleinen großen Stadt am Neckar einen Besuch – und soll sich an der Stiftskirche übergeben haben, wie es auf einem dortigen Schild etwas vulgärer ausgedrückt heißt. Die zwölftgrößte Stadt ist nicht nur Sitz des Landkreises und gleichnamigen Regierungsbezirkes, sondern beherbergt zudem Stand 31. Dezember 2023 93.615 Einwohner, ein großer Teil davon (in etwa 28.700) sind Studenten der Eberhard-Karls-Universität. Aufgrund der Studenten ist die Stadt mit einem Altersdurchschnitt von rund 40 Jahren eine der jüngsten Städte Deutschlands.
Die Universität prägt die Stadt. „Tübingen hat keine Universität, Tübingen ist eine Universität“, heißt es in einem Bonmot. Die 1477 von Graf Eberhard im Bart gegründete Universität ist eine der ältesten in ganz Deutschland und zählt heute zu den elf deutschen Exzellenz-Universitäten. Das Museum Alte Kulturen im Schloss Hochtübingen beherbergt als weltweit einzige universitäre Einrichtung sogar ein UNESCO-Weltkulturerbe: die 1931 in der Nähe von Heidenheim gefundenen Vogelherdfiguren. Die Figuren aus Elfenbein stammen aus der Altsteinzeit und sind somit die ältesten bekannten Kunstwerke der Menschheit.
Zahlreiche Fachwerkhäuser und enge Gassen machen die attraktive Altstadt aus. Neben dem Rathaus, das in seinen ältesten Teilen aus dem 15. Jahrhundert datiert, ist vor allem die Neckarfront mit dem Hölderlinturm ein beliebtes Fotomotiv. Die berühmte Haaggasse führt entlang des Schlosshanges und ist geprägt von Kneipen, Musik und kleinen Läden. Die Eberhardsbrücke verbindet das eine mit dem anderen Neckarufer und beide mit der bewaldeten Neckarinsel. In Tübingen typische Stocherkähne bewegen sich über den Fluss fort.
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Rottenburg: eine Altstadt mit althergebrachtem Charme
Zu viele Studenten und Touristen in Tübingen? Dann sollte man das 10km entfernte Rottenburg besuchen. War es früher noch eine der bedeutendsten Römerstädte im heutigen Baden-Württemberg, ist die Stadt heute vor allem für das mittelalterliche Flair der schönen Altstadt bekannt. Der Rottenburger Dom St. Martin ist hierbei das Wahrzeichen der Stadt.
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Kirchen und Klöster
Die beiden Städte bildeten Schwerpunkte des Klosterwesens. Sowohl in Rottenburg als auch in Tübingen wurden Klöster und Orden gegründet, die zum Teil bis heute noch bestehen. Der Landkreis verdankt den theologischen Ausbildungsstätten deshalb eine bunte Palette sakraler Baudenkmale. Das bekannteste und auch älteste ist das Zisterzienserkloster Bebenhausen. Das mittelalterliche Gebäude liegt nördlich von Tübingen und ist zu besichtigen.
Einige Städte des Landkreises haben wir bereits porträtiert: