Traumtour für Helden: Löwenstark und himmelhoch

Eine Wanderung der Extraklasse über Stock, Stein und kaiserliche Berge: Lang, mit vier zackigen An- und Abstiegen insgesamt 920 Meter Höhenunterschied – muss man wirklich ein Held sein, um das genießen zu können, wie der Name behauptet? Sicher nicht. Aber Puste und gute Kondition braucht man für die „Heldentour“ auf der Ostalb – und Zeit.

Denn ein Spaziergang ist es nicht. Dafür schenkt die Strecke wunderschöne Erlebnisse in und mit der Natur, Perlen der Kunst und Glanzlichter der Historie.

Schließlich hat der Deutsche Wanderverband sie in seiner Zertifizierung nicht ohne Grund als „Traumtour“ eingestuft. Sie hat außerdem einen weiteren großen Vorteil: Sie lässt sich in zwei Etappen aufteilen und man kann es gemütlicher angehen.

Wanderer auf der Heldentour

MEIN LÄNDLE/Landratsamt Göppingen/Tobias Fröhner

Die Natur am Rande der Heldentour begeistert die Wanderer.

„Steig nuf da Berg, guck naus aufs Land, was mir a schöne Heimat hand!“: Diese Zeilen des Heimatdichters August Lämmle drängen sich förmlich auf. Wer von Nenningen im Lautertal hinauf zum Heldenberg steigt, versteht die Worte. Dem Heldenberg hat die Tour wohl ihren Namen zu verdanken. Im Sommer dürfte man gleich zu Beginn ins Schwitzen geraten, was aber nicht weiter schlimm ist, denn bereits nach einer halben Stunde beginnt schon ein Naturschutzgebiet.

Vor 29 Jahren fand es ob seiner „vernetzten Lebensräume einer Vielzahl von bedrohten Tier- und Pflanzenarten“ Eingang in die entsprechende Liste, und die „vielfältige, ökologisch wertvolle Landschaft mit Heiden, Hangquellmoor, Feucht- und Trockenwiesen, Streuobstwiesen, Hecken, Waldsäumen und naturnahen Waldtypen (vom Schluchtwald bis zum Wald auf trockenwarmen Standorten)“, wie es in der Begründung heißt, begeistert seit eh und je nicht nur die Experten.

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Wanderung auf den Löwenpfaden auf der schwäbischen Alb

MEIN LÄNDLE/Landratsamt Göppingen/Tobias Fröhner

Manchmal eben und breit, manchmal steil und schmal: Die Heldentour ist ebenso abwechslungsreich wie anspruchsvoll.

Träumen am Steilhang

Zum ersten Mal fallen hier die Wacholderheiden ins Auge, die auf der Heldentour immer und immer wieder auftauchen und die Erinnerung an die Blütezeit der Schäferei auf der Schwäbischen Alb lebendig halten. Im 19. Jahrhundert wimmelte es dort nur so vor Schafen, und viele der schwäbischen Wanderschäfer zogen danach sogar bis Paris. Auch wenn die Bedeutung dieses Zweigs der Landwirtschaft seit dem Beginn des Industriezeitalters stark gesunken ist, sieht man die Schafe und ihre Hirten heute noch beziehungsweise wieder auf der Alb.

Wie schon vor Jahrhunderten sorgen sie für das charakteristische Landschaftsbild: Die Schafe fressen auf den Steilhängen, die von den Bauern sonst nicht nutzbar sind, nicht nur wohlschmeckende Kräuter, sondern halten auch das Gras kurz und lassen die meisten kleinen Gehölz-Triebe nicht hochkommen. Wären die wolligen Landschaftspfleger nicht, so fänden sich diese offenen Flächen wohl kaum noch – nach und nach würde alles verbuschen. Den ohnehin schon mageren und trockenen Wiesen entziehen die Schafe darüber hinaus weitere Nährstoffe – und das bietet wiederum Arten ideale Bedingungen, die genügsamer und an diesen Mangel angepasst sind.

Übrigens: Deren Samen verteilen die Schafe über ihren Kot und sichern den Fortbestand. Die Tiere verschmähen kaum etwas – außer zum Beispiel den stacheligen Wacholder. Und diese Abstinenz verschafft dem wiederum perfekte Entfaltungsmöglichkeiten. Mit Konkurrenz muss er ja nicht kämpfen.

Friedhofskapelle Nenningen

MEIN LÄNDLE/Jürgen Germann

Die unscheinbare Friedhofskapelle in Nenningen.

Weiter geht’s bergauf. Und je mehr Höhenmeter sich ansammeln, umso grandioser wird das „Naus-aufs-Land-­Gucken“. Der Blick weitet sich, nicht nur auf den nahen Messelberg, sondern entlang von Eduard Mörikes „blauer Mauer“, dem Albtrauf, bis hinüber zu Limburg, Teck und Hohenneuffen. Im Westen reckt sich mit dem Hohenstaufen sogar ein veritabler Kaiserberg vor dem Horizont in die Höhe.

Auch wenn wohl Friedrich Barbarossa (übrigens in Haguenau im Elsass geboren) der einzige Herrscher des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war, der die Stammburg der Staufer tatsächlich einmal besuchte – ­einen Schwaben kann dennoch ein erhebendes Gefühl überkommen, wenn er sich bewusst macht, dass die Wurzeln dieser Persönlichkeiten, die Europas Geschichte prägten, in diese gerade durch ihre Bescheidenheit faszinierende Umgebung der Ostalb zurückreichen.

Was die Schwäbische Alb noch alles zu bieten hat

Pieta in der Kapelle Nenningen vom Münchner Hofbildhauer Franz Ignaz Günther

MEIN LÄNDLE/Jürgen Germann

Die Friedhofskapelle beherbergt ein Kleinod der Kunstgeschichte: Die Pieta desMünchner Hofbildhauers Franz Ignaz Günther.

Kapelle mit Baum

Kurze Zeit fällt der Blick hinunter in Richtung der ältesten Stauferstadt: So bezeichnet sich zumindest Schwäbisch Gmünd voller Stolz. Anno 1162 (also zur Regierungszeit Barbarossas) hatte der Abt Kraft der Benediktinerabtei Lorch in seinem letzten Lebensjahr ein Dokument unterzeichnet, das heute quasi als Geburtsurkunde der Stadt im Remstal gilt – darin war schon von Gmünder „Bürgern“ die Rede. Der Aussichtspunkt auf dem Sattel zwischen Schwarzhorn und Kaltem Feld ist Idylle pur: Die Reiterleskapelle zieht nicht nur die Einheimischen geradezu magisch an.

Der Romantik des Kirchleins auf dem Felssporn kann sich wohl kaum einer entziehen – zumal sich ein gemütlicher Rastplatz direkt daneben befindet. Es liegt bestimmt auch an der uralten Linde, die nach Schätzungen eines Baumgutachters schon mindestens vier Jahrhunderte auf dem Buckel hat und in ihrem Leben einiges durchmachen musste. Am 16. November 1911 gab es zum Beispiel ein gewaltiges Erdbeben, das als das größte geschichtlich bekannte in ganz Deutschland gilt: Von Braunschweig im Norden bis La Spezia an der ligurischen Mittelmeerküste sowie der zentralfranzösischen Provinz Berry im Westen bis zum Wiener Becken im Osten war es zu spüren. Die Kapelle wurde dabei stark in Mitleidenschaft gezogen, aber vom Schwäbischen Albverein wieder instand gesetzt.

Schwäbische Alb bei Nenningen

MEIN LÄNDLE/Landratsamt Göppingen/Patrick Zanker

Über Nenningen hinweg schweift der Blick in die Weite der Schwäbischen Alb.

Selbst den Nazis widerstand der malerische Baum: Die wollten ihn noch in den letzten Kriegstagen fällen, um mit dem Stamm amerikanische Panzer aufzuhalten. Die umliegenden Bauern hatten indes keine Säge, die diesen Auftrag erledigen hätte können (vielleicht wollten sie ja auch keine haben), und so steht sie immer noch – zwar lädiert, aber voller Stolz.

Auf der Spitze

Stolz kann auch jeder sein, der die restlichen steilen 180 Höhenmeter bis zum Franz-Keller-Haus geschafft hat – höher als die 781,1 Meter des Kalten Felds geht es in ganz Ostwürttemberg nämlich nicht mehr. Kein Wunder mithin, dass dort ein überaus beliebtes Wanderheim des Albvereins steht: Das Franz-Keller-Haus wurde bereits 1910 erbaut, hieß aber zunächst noch Wirtschaft zum Kalten Feld. Erst später wurde es nach dem Heubacher Heimatforscher und Arzt, der auch als „Rosen­steindoktor“ berühmt war, benannt.

Er war 40 Jahre lang Vorsitzender des Nordostgaus des Albvereins. Noch sieben Jahre älter ist die Villa Maus daneben, die erste, viel kleinere Schutzhütte, die errichtet wurde; denn der Berg kann bis weit ins Frühjahr hinein seinem Namen alle Ehre machen. Was wiederum im Sommer angenehme Kühle verspricht.

Wegweiser auf der Löwentour auf der Schwäbischen Alb

MEIN LÄNDLE/Landratsamt Göppingen/Tobias Fröhner

Die Tour ist in zwei Etappen gut zu meistern. Und durchweg ist sie bestens markiert.

Nun wird es gemütlicher, während der Blick wieder über Wacholder streift, hinter dem Kinder so herrlich Versteck spielen können. Das ist der Vorteil der Heldentour (und der gesamten Alb): Nach zum Teil heftigen Anstiegen folgen lange ebene Passagen, Zeit zum Durchschnaufen also.

Wahre Heldinnen

Auf dem Sattel hinüber zum Kreuzberg strebt ein im ersten Moment futuristisch wirkendes Gebilde dem Himmel entgegen. Auf der Heldentour warten nämlich tatsächlich wahre Heldinnen: Carina Vogt war 2014 bei Olympia in Sotschi die erste Goldmedaillengewinnerin im Skispringen überhaupt (und später noch zweimal Weltmeisterin).

Anna Rupprecht gewann 2021 bei der WM in Oberstdorf die Goldmedaille im Mixed-Team-Wettbewerb. Beider Heimatverein ist der Skiclub Degenfeld, der heuer seinen 100. Geburtstag feiert und für ein solch kleines Dorf (heute Stadtteil von Schwäbisch Gmünd) auf eine beachtliche Tradition zurückblicken kann: Schon 1927 richtete es die ersten Schwäbischen Skisprung-Meisterschaften aus, in den 1950er- und 60er-Jahren landeten deutsche Cracks wie Heini Ihle oder Vierschanzentournee-Sieger Max Bolkart nahe der Obstbäume in der Winterhalde und lockten Tausende an den Fuß der Schanze. 1956 schaffte es mit Stefanie Köhrer-Wamsler auch eine Langläuferin zu Olympia in Cortina d’Ampezzo.

Schloss Weißenstein in Nenningen

MEIN LÄNDLE/Landratsamt Göppingen/Patrick Zanker

Schloss Weißenstein aus dem 15. Jahrhundert.

Ausflugstipp Schloss Weißenstein mit KAGEs MIKROVERSUM

Für alle Schweinsteiger

Schmunzeln muss auch, wer hinter Degenfeld erneut bergauf strebt: Da geht es nämlich über die Schweinsteige, und irgendjemand hat auf der Wandertafel zum Namen noch ein R hinzugefügt. In die Fußstapfen des Fußball-Weltmeisters tritt dabei zwar niemand, aber der bolzengerade Weg führt hinauf zur Lützelalb, die es mit 740 Metern fast mit dem Kalten Feld aufnehmen kann. Das ist allemal eine sportliche Herausforderung.

Wenn ein Schwabe in Bayern …

Danach wartet im Tal der nächste geschichtsträchtige Ort: In Weißenstein residierten einst mehrere Linien der Herren von Rechberg. Ein Wilhelm pflegte zum Beispiel offensichtlich gute Beziehungen zu Kaiser Karl IV. und erreichte, dass sein Heimatort schon im zweiten Drittel des 14. Jahrhunderts das Stadtrecht erhielt, was einen angesichts der Größe der Siedlung noch heute durchaus erstaunt. Das Adelsgeschlecht von der Alb pflegte überhaupt gute Beziehungen zu den Top-Adressen seiner Zeit: Graf Gaudenz (1664–1755) brachte es zum Beispiel sowohl beim Erzbischof von Köln als auch beim Kurfürsten von Bayern zum Kammerherren und fungierte am Hof zu München als höchster Beamter und Oberkommandeur der bayerischen Truppen.

Wallfahrtskirche Weißenstein

MEIN LÄNDLE/Jürgen Germann

Ein Idyll am Wegesrand: Weißenstein mit seiner einstigen Wallfahrtskirche.

Auch Maximilian Emanuel Freiherr von Rechberg (1736–1819) machte als Obersthofmeister am bayerischen Hof Karriere. Das sollte sich als Glücksfall für Nenningen erweisen: Aufgrund der anhaltenden Feuchtigkeit in der „kleinen Eiszeit“ kam es in Europa zu verheerenden Missernten. Nach der dritten erhoffte man sich Segen von oben durch den Bau der heutigen Friedhofskapelle. Sie dient als Start und Ziel der Heldentour und ist über ein herrliches Teilstück auf dem Alb-Nordrandweg erreichbar (übrigens eine der schönsten Fernwandertouren überhaupt).

Die Kirche bezahlte seinerzeit den Baumeister, die Dorfbewohner packten mit an und Dorfherr Maximilian sorgte dafür, dass das Material bezahlt wurde. Darüber hinaus beauftragte er den Münchner Hofbildhauer Franz Ignaz Günther, einen der größten seiner Zeit, eine Pieta für die kleine Kapelle seiner Heimat zu schaffen. Kunsthistoriker bezeichnen sein letztes bekanntes Werk aus dem Jahr 1774 als „Höhe- und Endpunkt der deutschen Rokoko­skulptur“.

Es wurde schon bei Ausstellungen in London, Paris und Brüssel gezeigt. Aber an die Wirkung, die es in diesem kleinen, intimen, originalen Ambiente in einer Dorfkapelle entfaltet, wo es allein für sich stehen und zu Herzen gehen darf, kommen selbst die größten Museen nicht heran. Insofern ist vielleicht auch Maximilian Emanuel ein Held.

Löwenfpade - Heldentour Wanderkarte Schwäbische Alb

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Die Heldentour

Start und Ziel: Parkplatz Friedhofskapelle Nenningen (GPS 48.708511, 9.858618)
Strecke: ca. 23 km
Gehzeit: ca. 7 Stdn.
Höhenunterschied: 920 m Auf- und Abstieg
Schwierigkeitsgrad: schwer

Zwei-Tage-Variante:
Tag 1 bis zum Gipfelkreuz am Galgenberg und dann über die Blicklestour hinab nach Nenningen (11 km)
Tag 2 über die Blicklestour wieder bergauf und weiter der Heldentour folgen (16,5 km)

Infos: www.loewenpfade.de

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