Da ist Musik drin ... Baden-Württemberg ist Heimat für viele berühmten Musikschaffenden der unterschiedlichsten Genres. Neben Heidelberg und Stuttgart als Geburtsstätten des deutschen Hip-Hops bietet das Bundesland mit Mannheim, Karlsruhe oder Bietigheim-Bissingen aber auch weitere Hochburgen der Musik. So ergibt sich eine melodische Landschaft, die die Kultur Baden-Württembergs zum Vibrieren bringt. Doch die Geschichte der Musik im Süden reicht noch viel weiter zurück. Eine Zeitreise.
Die Wurzeln reichen weit, weit zurück bis in die Ur- und Frühgeschichte und zeigen, dass bereits die Ureinwohner im Ländle Musik in die Wiege gelegt bekamen. Denn bereits in der Steinzeit wurde hier musiziert. Das beweisen die 40.000 Jahre alten Flöten- und Flötenfragmente, die im Lonetal im Kreis Heidenheim auf der Schwäbischen Alb entdeckt wurden. Sie können heute im Urgeschichtlichen Museum in Blaubeuren bestaunt werden. Ihr Fundort, Vogelherd, Bockstein und Hohlenstein sind drei Höhlen im Lonetal, die aufgrund der Vielzahl an Urzeit-Funden 2017 zum UNESCO Welterbe „Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb“ ernannt wurden.
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Immer die alte Leier ...
Im Archäologischen Landesmuseum in Konstanz kann man die Geschichte Baden-Württembergs von der Stein- bis in die Neuzeit erleben und im Geschichtsarchiv stöbern. Besonders interessant: Die „Leier von Trossingen“, die im Grab eines merowingischen Adeligen gefunden wurde. Das Instrument wurde auf 560 n. Chr. datiert und ist abgesehen von den sechs Saiten und Saitenhalter komplett erhalten. Die starken Gebrauchsspuren lassen darauf schließen, dass schon im 6. Jahrhundert im Südwesten intensiv musiziert wurde. Ihr Fundort Trossingen ist bis heute eine Musikstadt geblieben, neben der Hochschule für Musik haben und hatten hier zahlreiche Musikinstrumentenhersteller ihren Sitz. Etwa jeder fünfte Arbeitsplatz in Trossingen hängt mit der Musik zusammen.
Mittelalterliche Liebeserklärungen
Wir springen weiter: Im Mittelalter war Musik Teil der Unterhaltungskultur - als Teil des sogenannten Minnesangs. Inhalt der Lieder ist allgemein die Liebe, wobei diese von Herzschmerz zur absoluten Glückseligkeit alles umfassen kann – oft sogar in einem einzigen Stück. Die umfangreichste Sammlung dieser Musik befindet sich in Heidelberg. Dort liegt der Codex Manesse, die wohl bedeutendste Liederhandschrift des Mittelalters. Auf 426 Seiten aus Pergament kann dort reich illustriert mittelhochdeutsche Poesie gelesen werden. Auch die Manesse-Liederhandschrift ist Weltkulturerbe: 2023 wurde sie ins internationale UNESCO-Register des Weltdokumentenerbes (Memory of the World) aufgenommen.
Mozart in der Kurpfalz
Weiter auf unserer kleinen Zeitreise geht es mit einem der wohl bekanntesten Komponisten der Welt. Zwar ist der Name von Wolfgang Amadeus Mozart untrennbar mit seinen österreichischen Heimatstädten Salzburg und Wien verbunden, doch das kleine "Wolferl" reiste bereits als Sechsjähriger gemeinsam mit seinen Eltern und älteren Schwester Maria Anna (Nannerl) durch Europa. Im Juli 1763 machten die Mozarts im Gasthof „Zum Roten Haus“ in Schwetzingen Station. Im Schloss von Kurfürst Carl Theodor wird zur Feier des Konzerts der beiden Mozart-Kinder der Spielsaal zur musikalischen Akademie. Später kam Mozart erneut in die kurpfälzische Stadt, unter anderem um sich dort den Schlossgarten anzuschauen. Bis heute ist Schwetzingen mit den SWR Festspielen, dem größten Klassikfestival Europas und der Mozartgesellschaft ein Hotspot für klassische Musik.
Im Herbst 1778 suchte Mozart in Mannheim Trost, nachdem seine Mutter überraschend gestorben war. Dort komponiert er sein berühmtes Flötenkonzert und verschiedene Sonaten für Violine und Klavier. Eine große Inspiration für seine Werke soll die Hofkapelle „Mannheimer Schule“ gewesen sein, die zusammen mit ihrem Gründer Johann Stamitz als größte und berühmteste Europas gilt. Im Barockschloss Mannheim, wo Mozart damals weilte, können Besuchende heute im Rahmen des „Erlebnisraums Hofmusik“ seine Musik entdecken.
Komponieren auf hohem Niveau
Eine ungewöhnliche weitere Komponistin hat das Land mit Marianne Kirchgeßner zu bieten: Sie wird 1770 in Waghäusel bei Bruchsal geboren und avancierte zur erfolgreichsten Glasharmonikavirtuosin ihrer Zeit. Als Folge einer Krankheit verliert sie mit vier Jahren ihr Augenlicht, was sie von einer Musikkarierre aber nicht abhält. In Karlsruhe wird sie von Kapellmeister Schmittbauer auf der Glasharmonika ausgebildet und tritt 1791 ihre erste Konzertreise an, auf der sie mit nur drei Auftritten das Publikum begeistern kann. Ihr außerordentliches Talent spricht sich herum, weshalb sie im Laufe ihres Lebens in London, Wien, Kopenhagen, Prag und Holland spielen darf.
Klangvolles Mannheim
Nicht zuletzt wegen der "Mannheimer Schule" wird Mannheim im Jahr 2014 von den Vereinten Nationen zur „UNESCO-City of Music“ gekürt. Von Johann Stamitz bis Apache 207 – die Großstadt bietet ein vielfältiges Musikspektrum, wie sonst nur wenige in Deutschland. Musikkultur kann bei der Mannheimer Music Week, bei zahlreichen Konzerten in der SAP-Arena und bei Festivals auf dem Maimarkt-Gelände wie dem Maifeld Derby oder dem Zeltfestival Rhein-Neckar erlebt werden.
Pop akademisch
Unter dem Motto „We are people who design the future of music“ bildet die Pop-Akademie Baden-Württemberg in Mannheim die kreativen Künstler von morgen aus. Eine der erfolgreichsten Absolvent*innen ist Alice Merton („No Roots“), aber auch Indie-Größen wie Get Well Soon und Wallis Bird oder Popstars wie Joris haben ihr Handwerk in Mannheim gelernt.
Söhne Mannheims
Eine weitere bekannte Gruppe aus der Quadratestadt trägt ihre Herkunft im Namen: Schon seit 1995 macht die multikulturelle Truppe Musik in wechselnden Besetzungen - aktuell mit 10 Mitgliedern. Ihr Sound: Eine Mischung aus Soul, Hip Hop, Rock und Reggae und damit eine ganz eigene Art der Popmusik. In „Meine Stadt“ heißt es „Meine Stadt holt ihren Mann heim/ Ganz egal, wo er auch ist“ - eine lyrische Liebeserklärung an die Heimat.
Karlsruhe – Schule und Festival
Wer Musik von Grund auf lernen möchte, hat dazu auch in Karlsruhe die Möglichkeit: Die Hochschule für Musik ermöglicht Studierenden optimale Berufsperspektiven. Neben den Abschlüssen Bachelor und Master gibt es zusätzlich die Möglichkeit, das Studium mit einem Solistenexamen zu absolvieren oder sogar zu promovieren. Auch in Sachen Musikjournalismus hat die Hochschule die Nase vorn.
Großes Fest
In Baden-Württemberg werden jährlich über 50 Musikfestivals veranstaltet. Ein Highlight darunter: „Das Fest“, das bereits seit 1985 jedes Jahr Ende Juli stattfindet. Im Mittelpunkt steht die viertägige Bühnenshow, bei der kleine und große Künstler*innen aus dem regionalen, nationalen und internationalen Raum auftreten. Die Günter-Klotz-Anlage mit dem "Mount Klotz" gibt dazu eine spektakuläre Kulisse und viele der Angebote sind auch kostenfrei.
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Schlagerlegende
Auch in Sachen Schlager hat das Ländle einiges zu bieten: Zum Beispiel Tony Marshall. Die Schlagerlegende wird am 3. Februar 1938 in Baden-Baden als Herbert Anton Bloeth geboren und schließt mit 27 Jahren seine Ausbildung zum Opernsänger an der Karlsruher Musikhochschule ab. Sein erster Schlager „Schöne Maid“ ist der Beginn einer Erfolgskarriere, in der er insgesamt rund 20 Millionen Tonträger verkauft. Zahlreiche weitere Hits singt der Multiinstrumentalist in acht Sprachen. In späteren Jahren brilliert er als Tevje im Musical Anatevka und als Papageno in der "Zauberflöte" auch im Klassik-Metier. Seinem Ruf als Schlager-Garant für gute Laune wird er bis ins hohe Alter gerecht: Noch im Dezember 2022 absolvierte er - bereits von einer Krankheit gezeichnet - seinen letzten Auftritt - ein Weihnachtskonzert im Kreise seiner Familie und Freunden. Auch nach seinem Tod 2023 besteht die Marshall-Dynastie weiter: Denn auch Tonys Söhne Marc und Pascal sind in seine Fußstapfen getreten.
Schwaben macht die Welle
In den 80er Jahren löst die „Neue Deutsche Welle“ den Schlager als deutschsprachiges Pop-Genre ab. Die Textinhalte sind oft humorvoll, entsprechen dem Zeitgeist der 80er und handeln von den schönen Seiten des Lebens.
Mit Hubert Kah aus Reutlingen und dem Stuttgarter Peter Schilling kommen wohl zwei der ganz großen Namen aus Baden-Württemberg, die die NDW mitgeprägt haben. In mehreren europäischen Ländern schwebt Schilling mit seinem großen Hit "Major Tom" ganze acht Wochen auf Platz 1 – es ist die meistverkaufte Single des Jahres 1983. „Sternenhimmel“ auf Hubert Kahs Album „Ich Komme“ von 1982 wird ebenfalls ein riesen Erfolg und ist ein Paradebeispiel für die Lebensfreude in den Texten der NDW.
Hip-Hop-Kulturerbe
Hip Hop hat seinen Ursprung in den späten 1970er Jahren in den USA und schafft in den Achtzigern dann auch den Sprung über den Teich nach Deutschland - nicht zuletzt durch die hier zahlreich stationierten US-Amerikaner. In Heidelberg, wo auch viele GIs im US-Hauptquartier ein Zuhause auf Zeit finden, entsteht so die Keimzelle des deutschen Hip Hops. Mit "Advanced Chemistry" um die MCs Torch, Toni L und Linguist gründet sich Ende der 80er eine der ersten deutschsprachigen Hip Hop-Gruppen, die auf dem Gebiet Maßstäbe setzt. Ihr Song "Fremd im eigenen Land" von 1992 ist darüber hinaus ein Statement in Sachen politischer Rap und multiethnischer Popkultur - und sicherlich ein Grund dafür, dass der Heidelberger Hip Hop 2023 zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe erkoren wurde.
Fantastisch
Auch weiter südlich, in der Landeshauptstadt, spielen Beats und Reime eine große Rolle: Gerade zu Beginn, aber auch noch heute ist Stuttgart Hochburg des Hip-Hops und hat eine Liste an bekannten Namen aus der Szene hervorgebracht.
1986 finden sich hier Michael Bernd Schmidt alias Smudo und Andreas Rieke alias And.Ypsilon als "Terminal Team" zusammen, 1989 kommen Michael "Michi" Beck und Thomas D.(ürr) dazu und machen so das fantastische Kleeblatt komplett. Vom ersten Auftritt auf einer Palettenbühne in einem ehemaligen Kindergarten im Stuttgarter Stadtteil Wangen bis zum ersten Top Ten-Hit ist es nicht weit: 1992 schreiben die "Fantas" mit „Die da?!“ einen Ohrwurm, der durch Radio und TV in den Köpfen bleibt. Damit erreicht ein deutscher Hip-Hop-Song erstmals kommerziellen Erfolg – und das aus dem Herzen Baden-Württembergs.
Ein Hip-Hop-Freundeskreis
Der Erfolg der Fantastischen 4 zieht Kreise, auch wenn viele nachkommenden Rapper dem kommerziellen Erfolg der Vier nicht viel abgewinnen können. So auch der junge MC Max Herre und seine beiden Freunde Don Philippe und DJ Friction, die sich 1996 entschließen, eine eigene Band namens „Freundeskreis“ zu gründen. Ihre Songs sind sozialkritisch und schaffen im deutschen Raum eine neue musikalische Jugendkultur. Positive Rückmeldung aus dem Mainstream bekommt die Gruppe vor allem mit „A-N-N-A (Wenn der Regen fällt)“, der Song landet auf Platz 6 der deutschen Singlecharts. Mit der "Kolchose" gründen sie mit weiteren Szeneaktiven, darunter Afrob und die Massiven Töne, ein eigenes Netzwerk, das zum Vorreiter in Sachen Hip Hop-Kultur wird - die Kritik an den Fantas wird übrigens spätestens dann hinfällig, als Freundeskreis, wie auch später Max Herre als Solokünstler beim Fanta-Label Four Music unterkommen.
Kleine Stadt mit großen Namen
20 Kilometer nördlich von der Hip Hop-Hochburg Stuttgart liegt Bietigheim-Bissingen. Von der beschaulichen Kreisstadt mit rund 43.000 Einwohner*innen mit ihrer grün bepflanzten und vom Mittelalter geprägten historischen Innenstadt würden wohl die wenigsten annehmen, dass eine ganze Reihe berühmter Musiker*innen hier ihre Wurzeln hat.
Musik PUR
Ganz vorne mit dabei: PUR. Die Band, die spätestens 1995 mit „Abenteuerland“ zur erfolgreichsten deutschsprachigen Popband wird, begeistert ihre Fans noch heute. Zum Anlass des 30-jährigen Jubiläums des Songs gehen die Musiker 2025 auf Tour durch alle Bundesländer.
Camouflage
Auch eine Band aus einer ganz anderen Musikrichtung hat ihre Wurzeln in Bietigheim-Bissingen. 1983 formieren sich Heiko Maile, Marcus Meyn, Oliver Kreyssig und Martin Kähling als „Licenced Technology“. Ein Jahr später steigt letzterer aus der Synthie-Popband aus, die restlichen Mitglieder nennen sich in Camouflage um. Die Debüt-Single „The Great Commandment“ wird nicht nur in den USA (Platz 1 der „Billboard Singles“) ein Hit, weitere folgen.
Rap-Sound der Zukunft
Auch Shindy ist in Bietigheim-Bissingen aufgewachsen und kommt bereits in seiner Kindheit viel mit Musik in Kontakt. Mit 12 fängt er an zu rappen und veröffentlicht von 2013 bis 2018 seine Songs unter Bushidos Label „ersguterjunge“. Auch Rapper RIN ist in Bietigheim-Bissingen geboren. Sein musikalischer Werdegang fängt im Japangarten mit einem Freestyle an. 2016 schafft er in Zusammenarbeit mit Yung Hurn seinen Durchbruch. „Bianco“ wird mit über fünf Millionen Aufrufen „Deutschrap-Single des Jahres“. „Gefühl steht bei mir über allem“, so RIN über den Schreibprozess seiner Lieder – ein Gegenbild zur typischen Protzerei der Deutschrapszene.
Der Mann mit der Maske
Und wenn es um Rap des letzten Jahrzehnts geht, darf natürlich auch Cro nicht fehlen. Der ist zwar nicht in Bietigheim, sondern 1990 im schwäbischen Mutlangen geboren und in Böbingen im Remstal aufgewachsen, inzwischen einer der international erfolgreichsten Acts im Pop-Business und längst kein Geheimtipp mehr. Sein Markenzeichen: Die Pandamaske, die er bis heute auf der Bühne trägt. Auch hier zeigt sich: Der Kreativität im Musik-Ländle sind keine Grenzen gesetzt.