Adel verpflichtet, das sagt sich so leicht. Aber als ich vor einigen Jahren eine Serie mit dem SWR über den Weinadel aus Baden-Württemberg drehen durfte, bekam ich erst eine Vorstellung davon, was es zum Beispiel bedeutet, regelmäßig 600 Fenster in einem Schloss putzen zu lassen oder einfach nur, ein Schloss im Winter zu heizen! Die Pflicht, Traditionen zu erhalten, bleibt eine Herausforderung. Und manchmal denke ich sogar, in Amerika oder in anderen europäischen Ländern wüssten sie solche Bemühungen ganz anders zu schätzen. Auf den Weingütern im Ländle können Sie die Erfolge dieser Mühen selbst würdigen – und verkosten.

Video: Weingut Markgraf von Baden - Weinanbau mit Tradition

Weingut Markgraf von Baden

Schon in den 1990ern übernahm Prinz Bernhard in noch jungen Jahren die Verantwortung für das geschichtsträchtige Haus Baden.
Nachdem sein Vater Max Markgraf Ende des vergangenen Jahres verstarb, trägt er jetzt den Titel „Bernhard Markgraf von Baden“. Aus meiner Sicht gibt es keinen besseren Besitzer, Verwalter, Arbeitgeber und Motivator. Er pflegt die fast 1000-jährige Tradition des Hauses penibel und führt es feinfühlig in die Zukunft.

► Hier erfahren Sie mehr über die Person und die Rolle von Markgraf Bernhard im Hause Baden

Obwohl Herr über viele Standbeine, liegt dem Markgrafen der Weinbau besonders am Herzen. Hätten Sie gewusst, dass einer seiner Vorfahren, nämlich Großherzog Carl Friedrich von Baden, die ersten Gutedel-Rebstöcke vom Genfer See ins Markgräflerland brachte? Dass der weit gereiste Großherzog den ersten reinsortigen Rebberg 1782 mit Riesling im Gewann Klingelberger in Durbach pflanzen ließ? Oder dass circa 150 Jahre später der Gutsverwalter vom Weingut Schloss Salem Johann Baptist Röhrenbach den damals verbotenen Müller-Thurgau bei Nacht und Nebel per Ruderboot über den See aus der Schweiz holte? Nebenbei gesagt: Der Müller-Thurgau findet auf den dortigen Moränenschotterböden ideale Bedingungen. Die Weine bestechen mit ihrer floralen Art und sind wirklich ein Erlebnis.

Bernhard Markgraf von Baden und sein jüngerer Bruder Prinz Michael

MEIN LÄNDLE, Weingut

Unterstützt wird Bernhard Markgraf von Baden von seinem jüngeren Bruder Prinz Michael

Heute gehört das Weingut Markgraf von Baden mit stattlichen 140 Hektar zu den größten und qualitativ herausragenden Weingütern. So wurde es 2012 mit dem großen Ritterschlag der Weinwelt, der Aufnahme in den VDP, den Verband der Deutschen Prädikatsweingüter, belohnt. Ein Abstecher in das wunderschöne Schloss Salem mit seiner beeindruckenden Parklandschaft lohnt ebenfalls. Ein Erlebnis ist auch der Besuch des atmosphärischen Torkels mit der monumentalen historischen Weinpresse.

Schloss Staufenberg thront über Durbach

Das andere historische Weingut Schloss Staufenberg in Durbach thront majestätisch ganz oben auf dem Berg. Von dort aus haben Sie den schönsten Ausblick in ganz Baden: einen atemberaubenden Blick in die Rheinebene. Neben der Vinothek erfreut sich vor allem auch die Weinstube ganz besonderer Beliebtheit. Zu den wunderbaren Rieslingen und Spätburgundern bekommen Sie dann auch noch das passende Essen serviert.

Wander-Tipp für Weinkenner: Der Durbacher Weinpanoramaweg

Schloss Staufenberg mit Weinbergen

MEIN LÄNDLE, AdobeStockC-Schüßler

Vom Weingut Schloss Staufenberg in Durbach genießt man die Aussicht in die Rheinebene

Weingut Freiherr von Gleichenstein

Zauberhaft zwischen Dorf und Reben liegt das wunderschöne Weingut von Gleichenstein. Mit den hohen alten Mauern sieht es aus wie ein „Clos“ in Frankreich. Im 17. Jahrhundert erwarb Johann Jakob Dischinger das ehemalige Benediktiner Hofgut. Nach seinem Tod 1713 übernahm seine Ehefrau Eleonora das Gut.

Für damalige Zeiten etwas ungewöhnlich, ging der Besitz an ihre Tochter Philippina und anschließend an deren Tochter Franziska über. Sie heiratete Freiherr Johann Conrad Gleichauf von Gleichenstein. Ihr gemeinsamer Sohn Ignaz von Gleichenstein, ein sehr erfolgreicher und weit gereister Jurist, verstarb leider viel zu früh. Wieder ging der Besitz in Frauenhand über, an seine Witwe Anna und 41 Jahre später an deren Tochter Anna. Was kompliziert klingt, soll eigentlich nur zeigen: Es war für damalige Verhältnisse ungewöhnlich, dass das Kleinod so lange in den Händen von Damen lag.

Johannes von Gleichenstein verkostet Rotwein im Weinkeller

MEIN LÄNDLE, Weingut

Johannes von Gleichenstein in seinem sehenswerten Barriquekeller

Hans-Joachim Freiherr von Gleichenstein, der Vater des jetzigen Besitzers, stellte den bis dahin gemischten landwirtschaftlichen Betrieb ganz auf Weinbau um und erweiterte die Rebflächen von ursprünglich 3 auf 23 Hektar. Wenn auch sehr jung, war es für den Sohn selbstverständlich, den Betrieb im Jahr 2003 zu übernehmen. Seither konnten der smarte Johannes und seine sympathische Frau Chrissi ihr Weingut um beste Lagen erweitern; sie verfügen inzwischen über stolze 45 Hektar Reben.

Ihr Schwerpunkt Burgunderweine, ob Weiß-, Grau-, Spätburgunder oder Chardonnay, findet am Kaiserstuhl optimale Bedingungen. Leichte zugängliche Weine mit animierender Frucht und große, charaktervolle und sehr langlebige Weine kassieren zahlreiche Auszeichnungen, die beweisen, dass der Baron alles richtig macht. Etwa der erste Platz für den 2011er Baron Philipp Spätburgunder Oberrotweiler Eichberg trocken beim Roten Lagencup im vergangenen Jahr in der Kategorie „10 Jahre gereift“.

Tipp: Unterwegs auf der Württemberger Weinstraße

Weingut Herzog von Württemberg

Auch der Hochadel Herzog von Württemberg kann auf fast 1000 Jahre Geschichte zurückschauen. Der Wein ist bis heute ein wichtiges Standbein und wird gegenwärtig von Michael Herzog von Württemberg auf höchstem Niveau weitergeführt. Sein vielleicht berühmtester Vorfahr, König Wilhelm I., prägte den Weinbau wesentlich. Im Jahr 1824 legte er zum Beispiel fest, dass nur noch hochwertige Rebsorten und nicht mehr im „gemischten Satz“ gepflanzt werden sollen, was bis dahin üblich war. Vom Rhein ließ er Rieslingreben kommen, die in Württemberg schnell auf große Akzeptanz stießen.

Auch der Ausbau war ihm wichtig. Wenn im Herbst die Trauben in den Keller kamen, wurden sie schon nach Ort und Rebberg selektiert, und für mehr Sauberkeit ließ er die Fässer vor der Befüllung mit Schwefel ausbrennen. Seine Aufmerksamkeit galt aber nicht nur den eigenen Rebbergen. 1854 initiierte er die Gründung der ersten Winzergenossenschaft.

Herzog Michael von Württemberg in seinem Weinberg

MEIN LÄNDLE, Weingut

Herzog Michael legt bei der Weinlese auch selber Hand an.

Herzog Michael ist es gelungen, dieses jahrhundertealte Weingut an der Spitze zu halten. Er legt jedoch immer Wert darauf, dass er das seinem großartigen Team verdankt. So wurden er und sein Team in den letzten Jahren mit Auszeichnungen und Weinpreisen geradezu überschüttet: dem ersten Platz der Rotweincuvée „Dux“ beim „Deutschen Rotweinpreis“, einem der wichtigsten Weinwettbewerbe; dem ersten Platz beim Focus Weintest für die Rotweincuvée „Ducissa“ und ganz aktuell beim AWC Vienna, dem größten internationalen Weinwettbewerb, mit der Auszeichnung „Best red wine of the year 2022“ (Bester Rotwein 2022).

Eigene Eichen, bestes Barrique 

Seine Barriques lässt Herzog Michael aus dem Bestand eigener Eichen herstellen. Es braucht große Sorgfalt und Fachverstand. Das 150 bis 200 Jahre alte Holz muss möglichst gerade gewachsen sein und wenig Astlöcher aufweisen. Nach Jahren der Lagerung verarbeitet es dann die Tonnellerie François Frères zu Fässern. Nach einigen Jahren Erfahrung weiß Kellermeister Joachim Fischer, welche Weine sich in welchen Fässern optimal entwickeln.

Weingut Graf Neipperg

Im dicken Gemäuer des Schlosses in Schwaigern wirkt alles noch echt und ungekünstelt. Die Grafen Neipperg gehören ebenfalls zum deutschen Hochadel, obwohl österreichisches Blut in ihren Adern fließt. Immer wieder wird berichtet, dass die Grafen Neipperg den Lemberger aus Österreich nach Württemberg gebracht haben sollen. In Österreich als Blaufränkisch bekannt, zählt er dort zu den hochwertigsten Rotweinen.

Paradesorte Lemberger

Ich kann das nur mit Inbrunst bestätigen. Zu meinen größten Aha-Erlebnissen gehörte eine Weinprobe, an der ich vor circa 20 Jahren teilnehmen durfte, und bei der Graf Karl-Eugen von Neipperg einen 1953er und einen 1971er Lemberger aus seinem Keller öffnete. Nie hätte ich es zuvor für möglich gehalten, dass diese Weine nach so vielen Jahren ein solch großes Potenzial besitzen. Noch heute erinnere ich mich, wie frisch sich der 1953er präsentierte, ohne Brauntöne, im Duft erinnernd an frische Himbeeren, Rosen, Bergamotte und geräucherten Speck … noch immer gehört dieser Lemberger zu meinen Traumweinen.

Graf Karl-Eugen von Neipperg mit Sohn im Weinkeller

MEIN LÄNDLE, Weingut

Perfektes Team: Graf Karl-Eugen von Neipperg mit Sohn

Wenn der Vater mit dem Sohne 

Vor drei Jahren stieß Erbgraf Philipp zu Neipperg zum familiären Betrieb. Vater und Sohn haben gemeinsam Spaß daran, immer noch ein bisschen weiter an den Qualitätsschräubchen zu drehen. Der Lemberger liegt dem Sohn nach wie vor am Herzen, wie allen Familienmitgliedern. Aber auch die Burgunderweine rücken mehr in den Fokus, vor allem in den höheren und kühleren Lagen. Mehr denn je beschäftigen sich die Grafen Neipperg mit den Böden, halten Brachezeiten ein und verwenden guten Kompost. Entsprechend dem Klimawandel variieren sie auch den Lesezeitpunkt, wovon vor allem die Weißweine profitieren. Eine teilweise verkürzte Lesezeit bedingt natürlich mehr Personal … wie gesagt – Herausforderungen.

Tipp: Wein. Wald. Wohlfühlen - Wanderausflug in den Naturpark Stromberg-Heuchelberg

Sommelière Natalie Lumpp

MEIN LÄNDLE/Hennig Damasko

Die Baden-Badenerin hat als Sommelière in renommierten Restaurants den Gästen die besten Tropfen empfohlen und kredenzt.

Natalie Lumpp

Die Baden-Badenerin hat als Sommelière in renommierten Restaurants wie der Traube Tonbach in Baiersbronn den Gästen die besten Tropfen empfohlen und kredenzt. Heute ist sie als freie Weinberaterin tätig, sie schreibt Kolumnen und gibt ihr Wissen als Weinexpertin auch im Fernsehen weiter – und in Mein Ländle.

Weinregionen in Baden-Württemberg

Weinbaugebiete in Baden-Württemberg auf einen Blick: