Der Neckartalradweg begleitet einen Fluss, der als Rinnsal im Moor beginnt und dann zu einer der größten Wasserstraßen des Landes wird.
Ja, wo entspringt er denn nun wirklich, der Neckar? Ein verwittertes Schild am Rande eines mystischen Moorsees weist auf seinen Ursprung hin. Hier im Schwenninger Moos, in einem Biotop am Rande der Stadt, soll seine Quelle sein. Es ist ein kleines Suchspiel, bis man hierherfindet. Zumal die Wege im Naturschutzgebiet für Radfahrer gesperrt sind.
Doch der Fußweg lohnt sich. Wie in einer kanadischen Wildnis sieht es hier aus, ein Stück urwüchsige Natur, das man inmitten dieses dicht besiedelten Raumes so kaum vermutet hätte. Die Frage freilich, wo der Neckar anfängt, lässt sich auch hier nicht abschließend klären.
Der Zwist um die Quelle
Szenenwechsel! Rund 1,5 Kilometer weiter, im Schwenninger Stadtpark Möglingshöhe, plätschert Wasser aus einer Betonwand heraus. Eine lauschige Umgebung mit einem kleinen See, einer Liegewiese und einer Erklärungstafel: „Das ist des Neckars Quelle“, steht darauf zu lesen. Der württembergische Herzog Ludwig hat das 1581 so verfügt, mehrere seiner Kollegen haben es bestätigt. 2010, zur Landesgartenschau in Schwenningen, wurde die Quellfassung erneuert.
Man grinst ein wenig angesichts solcher Spitzfindigkeiten. Der Auftakt zur Radtour entlang des Neckars hätte langweiliger ausfallen können. So beteiligt man sich an einem Rätselraten, das nun schon seit Jahrhunderten andauert. Zuletzt wurde die Neckarquelle 1934 ins Moos zurückverlegt.
Dem Neckar selbst kann das nichts anhaben. Ihm geht es besser denn je an seinem Quellort in Schwenningen. Jahrzehntelang floss er dort unterirdisch durch die Stadt, lieblos verdolt wie viele andere Wasserläufe. Doch mit den Renaturierungsmaßnahmen ab 2002 wurde er wieder freigelegt. Ein putziges Bächlein, das den Radfahrer auf seinen ersten Kilometern begleitet.
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Der Neckartal-Radweg ist der zweitlängste Radweg in Baden-Württemberg. Er beginnt in der Doppelstadt Villingen-Schwenningen, die Baden (Villingen) und Württemberg (Schwenningen) in sich vereinigt. Der ADFC hat ihn mit vier Sternen ausgezeichnet, entsprechend gut sind Beschilderung und Belag, fast sämtliche Abschnitte verfügen über eine Asphaltdecke.
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So geht es von Schwenningen in Richtung Rottweil, die erste von acht Etappen. In Deißlingen beginnt das Rinnsal erstmals einem Fluss zu gleichen, in Bühlingen schießt die Eschach so viel Wasser zu, dass der Neckar diese Bezeichnung dann auch wirklich verdient.
Älteste Stadt Rottweil
Rottweil liegt auf einem Höhenzug über dem Neckartal, der Weg in die Innenstadt ist eine der wenigen Steigungen, die man überwinden muss. Man wird dafür mit einer Altstadt belohnt, die malerischer nicht sein könnte. Bunte alte Bürgerhäuser säumen die Straßen, verziert mit Wappen und Erkern. Rottweil gilt als älteste Stadt Baden-Württembergs, schon die Kelten und Römer siedelten hier, und einige ihrer Nachfahren betreiben Eisdielen, die man sich nicht entgehen lassen sollte.
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Gut 600 Höhenmeter verliert der Neckartal-Radweg auf der Strecke, es geht also tendenziell bergab. Muss man dennoch den Berg hoch, liegt das oft an den Ortschaften, die erhaben über seinem Ufer thronen: Horb zum Beispiel, dessen Oberstadt man sich ebenso wenig entgehen lassen sollte, wie jene von Bad Wimpfen.
In Horb macht der Neckar einen Knick und fließt nach Nordosten weiter. Nun kann man auch das eine oder andere Boot auf seiner Oberfläche entdecken. In Tübingen werden daraus Stocherkähne, die Fahrt über den Neckar entlang des Hölderlinturms und der Platanenallee auf der Neckarinsel gehört zu den liebsten Freizeitbeschäftigungen der Studenten und Touristen.
Industrie und Weinberge
Eine Fachwerkstadt nach der anderen: Nürtingen, Plochingen und Esslingen. Ab Plochingen ist der Neckar schiffbar. Von nun an gehören die Staustufen zum Landschaftsbild, transportieren Lastkähne Rohstoffe und Waren übers Wasser. Kurz vor Stuttgart gleicht das Neckarufer einem einzigen Industrieareal, gesäumt von den Produktionsstätten großer Automobilfirmen.
Es ist eine eigentümliche Welt zwischen Tradition und Moderne. Vorne die Gewerbegebiete und ein paar Kilometer weiter alte Weindörfer, die ihren urigen Charme behalten haben. Der Wein bleibt ein Begleiter, immer ausgedehnter werden die Steillagen. Selbst in der Landeshauptstadt Stuttgart wächst er an den Hängen.
„Wilder Geselle“ der Kelten
Die mannigfaltige Nutzung hat dem Neckar nicht nur gutgetan. Schlechte Wasserqualität, begradigter Verlauf, monotone Ufer: Es stand lange Zeit nicht gut um den „wilden Gesellen“, wie der Neckar, abgeleitet vom keltischen Begriff „Neccarus“, übersetzt eigentlich heißt.
Doch es tut sich was, Stück für Stück werden Teile des Flusses wieder an die Natur zurückgegeben. Die Zugwiesen in Ludwigsburg zum Beispiel. Hier brüten heute wieder Eisvögel, können Fische über einen natürlichen Bachlauf die Schifffahrtsschleuse umgehen. Ein wunderbarer Ort für eine Rast auf dem Radweg, wer will, kann sich am Wochenende von Zugwiesen-Guides durch die Natur führen lassen.
Zwischen Burgen und Wäldern
Auch in Heilbronn hat der Neckar ein neues Gesicht bekommen. Mit der Bundesgartenschau wurde das alte Hafenareal in eine attraktive Uferlandschaft verwandelt, nun kann man dort promenieren und am Fluss den Tag ausklingen lassen. Heilbronn markiert den Übergang vom Schwäbischen ins Fränkische. Ganz am Ende wird der Neckar ein Kurpfälzer beziehungsweise ein Badener.
Es ist das Land der Burgen und der Wälder, der steilen Sandsteinfelsen und der Adelssitze, die nun links und rechts am Ufer stehen. Die Kaiserpfalz in Bad Wimpfen macht den Anfang, dann folgen die Burgen Guttenberg, Horneck und Hornberg. Immer wieder sieht man nun Greifvögel über das Tal schwingen, die Schauvorführungen auf Burg Guttenberg gehören zu den großen Attraktionen im Neckartal.
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► Deutsche Greifenwarte auf der Burg Guttenberg
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In Eberbach macht der Neckar dann abermals einen Knick, diesmal in Richtung Westen. Er ist nun auf der Zielgeraden, mit einem Finale, das majestätischer nicht sein könnte. Wie Bäume an einer Allee folgt nun eine Burg der anderen, eingebettet in die baumreichen Hänge des Odenwalds.
In Neckarsteinach sind es gleich vier Burgen an der Zahl. Die Stadt in Südhessen ist einer der ganz wenigen Neckaranrainer, die nicht in Baden-Württemberg liegen.
Kombination von Schiff und Rad
Eine durchaus reizvolle Variante kann es sein, auf diesen letzten Kilometern Rad und Schiff zu kombinieren. In der Saison verkehrt die Neckarschifffahrt ab Heidelberg in regelmäßigen Abständen, viele der Ausflugsschiffe nehmen auch Fahrräder mit. Dann ist Heidelberg erreicht, ein Inbegriff der Romantik bis heute, mit einem Schloss, das als stolze Ruine über dem Neckartal thront.
► Schiffahrten auf dem Neckar (Kurpfalz Personenschiffahrt)
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Werbehinweis
Wer den Aufstieg nicht scheut, geht auf die andere Talseite hoch zum Philosophenweg und genießt den Traumblick auf Fluss und Altstadt. Nun ist das Ziel nicht mehr weit: Mannheim. In der alten Barockstadt erprobte einst Freiherr von Drais die Urform des Fahrrads. Es war der Anfang einer Entwicklung, deren Ende in Zeiten von Pedelec und E-Bike noch lange nicht abzusehen ist.
Mündung in den Rhein
Am Ende ist nun aber der Neckar: Im Nordwesten Mannheims fließt er in den Rhein. Der Vater aller Flussläufe nimmt den „wilden Gesellen“ in sich auf und zieht mit ihm in Richtung Nordsee weiter. Wer will, kann ihm natürlich auch dabei mit dem Rad folgen.
Der Neckartal-Radweg
Start: VS-Villingen/Bahnhof
Ziel: Mannheim
Gesamtstrecke: 370 km
Fahrzeit: 8 Tagesetappen
Höhenmeter: 1070
Schwierigkeit: leicht bis mittel
Anreise
Die meisten Städte am Neckar sind gut mit der Bahn zu erreichen. Auf mehreren Etappen, wie etwa der ersten und der letzten, gibt es Zugverbindungen, die parallel zum Radweg verlaufen und auch Fahrräder transportieren: www.bahn.de
Die Radtour
Der Neckartal-Radweg ist rund 370 Kilometer lang und verliert im Verlauf 600 Höhenmeter. Etwa 1000 Höhenmeter Aufstieg sind dennoch zu bewältigen. Der Radweg ist vom ADFC mit vier Sternen ausgezeichnet, es gibt eine kostenlose Faltkarte mit Höhenprofil und Etappenbeschreibung: www.neckartalradweg-bw.de
Radtourenbuch
Detailgenaue Informationen mit ausführlichen Karten und Streckenbeschreibungen enthält der Bikeline-Führer „Neckartal-Radweg“ aus dem Verlag Esterbauer,
ISBN 978-3-85000-784-9.
Einkehr
Gasthausbrauerei Neckarmüller in Tübingen: Rustikales Ambiente mit deftigen Speisen und hausgebrautem Bier: www.neckarmueller.de
Italian Steak Restaurant Picasso in Bad Wimpfen: Gemütliches Lokal mit exzellenter Küche in der Altstadt: www.steakrestaurant-
picasso.de
Allgemeine Auskunft
Geschäftsstelle Neckartal-Radweg
Reinsburgstraße 97
70197 Stuttgart
Telefon 0711 50479416
www.neckartalradweg-bw.de