Morgens ins Büro kommen und exakt acht Stunden Arbeit mit genau festgelegten, immer gleichbleibenden Aufgaben ableisten – diese Art der Berufstätigkeit dürfte bald museumsreif sein. Es war die Corona-Pandemie, die mit flächendeckendem Homeoffice viel Tempo in die Veränderung der Arbeitswelt gebracht hat.
Begonnen hat alles aber schon viel früher. Fachleute sprechen schon seit einigen Jahren von „New Work“: Arbeit wird räumlich, zeitlich und inhaltlich flexibler. Vernetztes Denken, lösungsorientiertes Handeln und die Organisation in Projektgruppen lösen starre Hierarchien und Aufgabenbeschreibungen ab.
Video: New Work einfach erklärt
Selbstorganisation ist gefragt
New Work bedeutet eine große Chance für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, selbstbestimmter zu arbeiten, bringt aber auch Schwierigkeiten mit sich. So ermöglichen Homeoffice und flexible Arbeitszeiten, den eigenen Biorhythmus oder die Bedürfnisse des Familienalltags besser zu berücksichtigen. Andererseits leiden manche darunter, dass die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit entfällt. Auch Teams stehen im New Work vor neuen Herausforderungen: Wie lässt sich die Zusammenarbeit organisieren, wenn nicht alle am selben Ort sind?
„Klare Absprachen sind hier das A und O - schließlich lassen sich Aufgaben nicht per Zuruf von Schreibtisch zu Schreibtisch verteilen“, weiß Personalexpertin Petra Timm. Und auch wenn es eine große Auswahl digitaler Tools für die Projektarbeit gibt: Wichtig ist, dass sich alle im Team auf die gewählten Methoden einlassen. Denn auf eines kommt es im New Work vor allem an: auf die Bereitschaft, ständig dazuzulernen.
Pluspunkt für Arbeitgeber, die flexible Arbeitszeiten und -Orte anbieten
Kein langer Arbeitsweg, keine festen Anfangszeiten: Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wissen die Flexibilität von Homeoffice mehr zu schätzen als etwa einen teuren Dienstwagen – das fand eine-Studie zum Thema „Was Arbeitgeber attraktiv macht“ heraus. „Die Schlüsselfaktoren ‚Angenehmes Arbeitsklima, ‚Flexibilität und ‚Work-Life-Balance gehören seit Jahren zu den fünf wichtigsten Punkten. Der Trend geht eindeutig in Richtung New Work, also mehr zeitliche und räumliche Flexibilität bei steigender Eigenverantwortung“, so Petra Timm.
Das gilt umso mehr, seit viele Angestellte erstmals die Vorteile des Homeoffice erfahren durften: Es hilft Eltern dabei, flexibler auf die Bedürfnisse ihrer Familie einzugehen, es ermöglicht oft ein konzentrierteres Arbeiten als im Großraumbüro, und die Lebenszeit, die sonst auf den Arbeitsweg entfällt, lässt sich prima auch anders nutzen. Viele Angestellte erklären, sie möchten auch in Zukunft zumindest gelegentlich von zu Hause aus arbeiten. Arbeitgeber, die ihren Angestellten diese Möglichkeit einräumen und die entsprechenden digitalen Rahmenbedingungen schaffen, werden also künftig bei Bewerbern punkten.
Homeoffice ist praktisch - und praktikabel
Zwischendurch die Waschmaschine anwerfen, dem Kind die Matheaufgabe erklären und bei knurrendem Magen schnell ein Brot in der Küche schmieren. Viele haben diese Vorteile inzwischen zu schätzen gelernt. Für andere heißt es allerdings, mit dem Laptop am Küchentisch sitzen und Rückenschmerzen bekommen, ständig von Familienmitgliedern unterbrochen werden – und immer die Versuchung, doch noch schnell etwas fertig zu machen und den Feierabend zu verschieben. Das Homeoffice verlangt Angestellten eine gute Selbstorganisation ab.
Aber auch Arbeitgeber müssen sich aktiv darum kümmern, entsprechende Strukturen zu schaffen. „Um Überbelastung vorzubeugen und das Risiko für Burnout zu minimieren, sind Führungskräfte und Personalverantwortliche gefordert, ihre Mitarbeiter nicht nur organisatorisch, sondern auch emotional zu begleiten und zu unterstützen“, gibt Petra Timm zu bedenken. „Achtsamkeit für die individuelle Situation sowie Offenheit für mögliche Anpassungen sind dabei ausschlaggebend.“
An vielen Stellen braucht es aber auch in der Gesellschaft noch ein Umdenken. So benachteiligen die Regeln der gesetzlichen Unfallversicherung beispielsweise das Arbeiten am häuslichen Arbeitsplatz. Wer sich z. B. zwischen zwei Meetings im Homeoffice ein Brot schmiert und dabei stürzt, bekommt kein Geld von der Unfallversicherung – beim Kaffeeholen im Büro dagegen schon. Es ist zu hoffen, dass diese Bedingungen auf Dauer angeglichen werden.
Was sich Arbeitnehmer wünschen
Rund die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland sind mit ihrer Work-Life-Balance grundsätzlich zufrieden – also der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Das hat der → XING Arbeitsmarktreport 2024 (extern) gezeigt.
Als größte Hürden für die Work-Life-Balance werden Stress, fehlende Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung und daraus resultierend zu wenig Zeit für Hobbys und Freizeit genannt. Fehlende Kinderbetreuung für Eltern ist dabei ein großes Thema, wenn es um die Vereinbarkeit von Job und familiären Pflichten geht. So beklagt etwa jeder sechste eine fehlende Kinderbetreuung.
Privat geht jetzt vor
„Beschäftigte in Deutschland sind weniger denn je bereit, ihr Privatleben ihrem Job unterzuordnen“, sagt Thomas Kindler, Managing Director des Jobs-Netzwerks XING. „Wir sehen in vielen Regionen Deutschlands, dass sich das Stresslevel der Beschäftigten auf einem hohen Niveau einpendelt. Viele belastet die Vereinbarkeit von Job und Familie, sie spüren den Fachkräftemangel in ihrem Arbeitsalltag und den wirtschaftlichen Druck in ihrem Unternehmen. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sich darum zu kümmern.”
Mehr Gehalt
Was muss passieren, damit das Arbeitsleben für viele attraktiver wird? Top-Antwort: mehr Gehalt. In Zeiten der Rezession überrascht das wenig. Die Hälfte der Befragten wünscht sich eine bessere Bezahlung. Mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit – beispielsweise durch mehr Gleitzeit – finden Beschäftigte besonders attraktiv, eine bessere Work-Life-Balance durch eine kürzere Arbeitswoche oder mehr Urlaubstage steht ebenfalls hoch im Kurs.
„Unternehmen haben wirksame Mittel in der Hand, um den Fachkräftemangel abzufedern. Anreize für Mehrarbeit wie attraktive Vergütungen und Arbeitszeitmodelle mit möglichst viel Flexibilität zahlen auf die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen ein. Hier ist ein Umdenken gefragt – und das besser heute als morgen“, so Kindler.
Video: Welchen Mehrwert unsere Arbeit heute für morgen hat
Mehrarbeit? Nein danke!
Getrieben vom Fachkräftemangel und der wirtschaftlichen Rezession klagen rund 30 Prozent der Befragten über eine erhöhte Arbeitsbelastung. Fast genauso viele sprechen von schlechter Stimmung im Unternehmen und fast jeder Vierte von einem erhöhten Stresslevel. Kein Wunder, dass sich die meisten Beschäftigten schwer tun, mehr zu arbeiten, um den Wohlstand dieses Landes zu sichern, wie es einige Ökonomen fordern. Der Fragestellung „Glauben Sie, dass es eine Notwendigkeit zur Mehrarbeit gibt, um einem drohenden wirtschaftlichen Abschwung und Wohlstandsverlust entgegenzuwirken?“, stimmen nur 42 Prozent der Befragten zu. Im Gegenteil: Die Hälfte würde persönlich sogar gern weniger arbeiten als bisher.
Jobs werden als sicher erachtet
Das Thema Jobsicherheit treibt deutlich weniger Beschäftigte um als vielleicht gedacht. So sorgt sich nur jeder Zehnte um seinen Job und fürchtet, dass sein derzeitiger Arbeitsplatz langfristig nicht sicher ist.
In den westdeutschen Bundesländern ist fast jeder zweite Befragte mit seiner heutigen Homeoffice-Regelung nicht zufrieden. Dabei gibt fast ein Fünftel der Erwerbstätigen an, sie können zwar die Hälfte ihrer Zeit remote arbeiten, wünschen sich aber mehr. Und jeder Vierte hat bisher keine Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten, würde dies aber gerne tun.