Das gesammelte Wissen über diese Zusammenhänge wird auch als Phytotherapie bezeichnet. Auch heute noch genießt dieser Ansatz eine hohe Anerkennung. Etwa 25.000 Pflanzen mit potenziellem medizinischem Nutzen sind bekannt, allein in Deutschland wachsen über 440 anerkannte Arzneipflanzen.

Vor- und Nachteile der Phytotherapie

Angeboten werden Phytotherapien in Form von Bädern, Inhalationen, Gurgellösungen, Kaltauszügen, Aufgüssen und Tees. Demgegenüber stehen moderne Medikamente: sie sind das Ergebnis von Forschung und Wissenschaft und versprechen eine maximal effektive Behandlung. Für viele Menschen liegen die Vorteile der natürlichen Alternative klar auf der Hand: Pflanzliche Arzneimittel zeigen oftmals weniger Nebenwirkungen als synthetisch hergestellte Arzneimittel und haben dabei doch ein breites pharmakologisches Anwendungsgebiet. Sie ist als Alternative zur Schulmedizin daher besonders bei Menschen beliebt, die Angst vor starken Nebenwirkungen haben. Die Phytotherapie eignet sich vor allem bei Krankheiten mit leichten Symptomen.

Arzt zerstößt Heilppflanzen im Mörser

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Vor allem unkomplizierte Infektionen können vom Arzt zunächst phytotherapeutisch behandelt werden.

Auch wenn es in vielen Fällen bisher noch zu wenig wissenschaftliche Beweise zur Wirkweise der Pflanzenheilkunde gibt, geht man davon aus, dass sie gut verträglich und wirksam ist. Dafür sprechen auch die Erfahrungswerte. Für Experten, wie Prof. Dr. Dr. h.c. Matthias F. Melzig von der Freien Universität Berlin bieten Naturheilverfahren insbesondere die Chance, der Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen entgegen zu wirken. Er argumentiert auf Grundlage von Studienergebnissen der vergangenen 20 Jahren, dass vor allem bei unkomplizierten Infektionen zunächst phytotherapeutisch behandelt werden sollte. Dabei verweist er auf die antimikrobielle Wirkung vieler Pflanzenstoffe und zeigt auch die Möglichkeit einer kombinierten Therapie mit Antibiotika, um deren Wirkung zu verstärken.

Allergische Reaktionen auf Heilpflanzen nicht ausgeschlossen

Bei einer Behandlung mit der Phytotherapie gibt es jedoch auch einige Nachteile zu beachten. So können unter Umständen allergische Reaktionen oder unerwünschte Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten hervorgerufen werden. Ein Beispiel ist Johanniskraut, welches die Wirkung der Anti-Baby-Pille abschwächen kann. Von einer Selbstmedikation sollte daher auch bei vielen Naturheilmitteln abgesehen werden. Was ebenfalls nicht vergessen werden darf: auch pflanzliche Drogen können überdosiert werden, wobei es zwischen unwirksam und toxisch oft ein schmaler Grat ist. Die wichtigsten natürlichen Arzneimittel sind in der Apotheke erhältlich, wohingegen Produkte aus unklaren Quellen leider mitunter verunreinigt und von minderwertiger Qualität sein können.

Anwendungsbereiche von Phytopharmaka

Das breite Anwendungsgebiet natürlicher Wirkstoffe zeigt sich bereits anhand einiger Beispiele:

  • Lindenblüten gegen Erkältungen
  • Kümmel gegen Blähungen und Krämpfe
  • Salbei gegen Halsschmerzen und Entzündungen der Mundschleimhaut
  • Brennnessel zum Entwässern
  • Lavendel gegen Ängste und innere Unruhe
  • Johanniskraut gegen saisonale Stimmungsschwankungen (Wechselwirkungen beachten!)
  • Baldrian, Hopfen, Passionsblume und Melisse zur Entspannung
  • Bärentraubenblätter bei Blasenentzündung
  • Gewürznelken bei Zahn- und Kopfschmerzen
  • Zwiebeln bei Hals- und Ohrenschmerzen sowie Insektenstichen
  • Arnika bei Prellungen und Verstauchungen
  • Sonnenhutkraut bei Erkältungssymptomen

Zwölf der besten Heilpflanzen inkl. Rezepten zum Selbermachen

Die Natur und Pflanzen als Vorlagengeber für Arzneimittel und Medikamente

Interessanterweise basieren viele schulmedizinische Arzneimittel auf pflanzlichen Wirkstoffen. So etwa der in Aspirin enthaltene Wirkstoff Acetylsalicylsäure, welcher natürlicherweise in Weidenrinde vorkommt, weshalb schon die alten Germanen und Kelten auf ihr kauten, um Schmerzen zu lindern. Im letzten Jahrhundert begann man mit dem Isolieren bestimmter Stoffe. Im Rahmen dessen wurden die pflanzlichen Stoffe extrahiert und synthetisch nachgebaut.

Als Begleiterscheinung bekamen ursprünglich als ungefährlich eingestufte Stoffe plötzlich ein neues Gefahrenpotenzial, weil sie nicht mehr in einem Vielstoff-Gemisch, sondern isoliert und in konzentrierter Form eine giftige Wirkung erzielen können – so beispielsweise die Wallwurz, die äußerlich und verdünnt angewandt keine gesundheitlichen Probleme hervorruft, in konzentrierter Form und bei innerer Anwendung aber giftig für die Leber ist. Natürliche Wirkstoffe sind also nicht per se weniger gefährlich, insbesondere wenn sie in industriell verarbeiteter Form dargeboten werden. In vielen Fällen und bei richtiger Anwendung können Naturheilverfahren aber eine schonende Alternative zur chemischen Medikation darstellen.

Blühender Salbei im Garten

GMH/Bettina Banse

Das Aroma von Salbei und seine heilsame Wirkung sind Gründe genug, ihn im Garten anzupflanzen. Das Blau seiner Blüten ist aber auch sehr erfreulich.

Mutter Natur auf der Spur – Naturheilmittel aus Pflanzen

Immer mehr Menschen möchten einen „sanften“, natürlichen Weg gehen, was ihre Medikamente betrifft und greifen zu pflanzlichen Alternativen. Bei Erkältungskrankheiten, Magenbeschwerden, Schlafproblemen und anderen leichten Krankheiten haben sich naturheilkundliche Mittel bewährt. Doch wer blickt noch durch im Dschungel von Homöopathie, Phyto- oder Gemmotherapie? Hier eine kurze Übersicht:

Frau trinkt Infused Water

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Viele schwören auch auf grüne Smoothies. Auch hier kann man Heilpflanzen beimischen, wie Beispielsweise die Brennessel.

Heilwirkung durch Potenzierung: Klassische Homöopathie, Komplexhomöopathie und anthroposophische Arzneimittel

Der Arzt Samuel Hahnemann entwickelte die Lehre der Homöopathie Ende des 18. Jahrhunderts. Sie basiert auf den drei Grundlagen Ähnlichkeitsprinzip, Arzneimittelprüfung und Potenzierung. So wird die Wirkung eines Stoffes am gesunden Menschen geprüft, um Symptome, die dieser auslöst, im Krankheitsfall mit einer potenzierten Version dieses Stoffes zu therapieren. Die Potenzierung geschieht durch Verdünnung, Verschüttelung oder Verreibung.

Die klassische Homöopathie behandelt Krankheiten mit über 2000 Einzelmitteln, die nicht nur aus Pflanzen, sondern auch aus tierischen sowie mineralischen Substanzen oder erkranktem Gewebe – so genannte Nosoden – gewonnen werden. Um das individuelle Mittel bei einer chronischen Krankheit zu finden, führt ein klassisch ausgebildeter Homöopath ein längeres Anamnesegespräch mit dem Patienten. Dann kommen auch höhere Potenzen zum Einsatz als zum Beispiel bei akuten Erkältungskrankheiten. Hochpotenzen werden seltener oder manchmal auch nur einmalig eingenommen. Homöopathische Mittel gibt es nicht nur als Globuli, sondern auch in Tablettenform, als Lösung oder Verreibung.

Bei der Komplexhomöopathie werden mehrere potenzierte Einzelmittel gemischt, die sich gegenseitig verstärken sollen. Sie werden meistens im Akutfall und nach klinischen Diagnosen verordnet, ohne längere Anamnesegespräche. Daher sind sie auch zur Selbstmedikation geeignet.

Auch die anthroposophische Medizin bedient sich potenzierter Einzel- und Komplexmittel – diese machen aber nur einen Teil der Gesamttherapie aus, die u.a. auch aus Körper- und Kunsttherapie besteht, wie zum Beispiel Bädern, Massagen oder Heil-Eurythmie. Der ganzheitliche Ansatz versucht „den Menschen als leibliches, seelisches und geistiges Wesen zu begreifen und dementsprechend Diagnostik und Therapie an einem umfassenden Menschenverständnis zu orientieren“.

Übrigens profitieren nicht nur wir, sondern auch unsere Vierbeinigen Freunde von der Naturheilkunde.

7 naturheilkundliche Therapieverfahren bei Tieren

Homöopathische Medikamente für Hunde

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Die Kraft der Knospen: Gemmotherapie

Eine jüngere Methode der Pflanzenheilkunde ist die Gemmotherapie: Sie wurde in den 1950ern vom belgischen Arzt Pol Henry entwickelt. Dabei symbolisiert die Knospe einer Pflanze (lateinisch „gemma“) deren Lebens- und Wachstumskräfte. In der Gemmotherapie soll damit die zelluläre Ebene des Körpers angesprochen werden, über die alle Wachstums- und Reperaturmechanismen laufen. Gemmotherapeutische Mittel werden aus frischen Knospen in einer Alkohol-Glycerin-Lösung mazeriert.

Verfahren der Alchemisten: Spagyrik

Die Spagyrik (griechisch „spao „= trennen, „ageiro“ = vereinen) wurde von alchemistisch arbeitenden Heilern im Mittelalter entwickelt. Diese zerlegten pflanzliche oder mineralische Substanzen in ihre Einzelbestandteile, sortierten diese nach „wertvoll“ oder „nutzlos“ und fügten die therapeutisch wertvollen Inhaltsstoffe schließlich wieder zusammen. Dafür bedarf es mehrstufiger Aufbereitungsprozesse wie Gärung, Destillation und Veraschung. Die dadurch erhaltene Substanz soll therapeutisch wirksamer sein als die gesamte Pflanze.

Das Gehirn wird von Düften beeinflusst

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Lavendel wirkt beruhigend und ausgleichend.

Mehr als Duft: Aromatherapie

Der französische Chemiker René-Maurice Gattefossé experimentierte Anfang des 20. Jahrhunderts mit Pflanzenessenzen und erkannte deren therapeutische Wirksamkeit. Die reinen Aromaöle sind hoch konzentriert und sehr potent, wenn sie zum Beispiel über Haut oder Atemwege aufgenommen werden. Die Düfte regen das limbische System an und können zur Steigerung des Wohlbefindens eingesetzt werden.

Mehr zum Thema Aromatherapie

Aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung können manche ätherischen Öle auch zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden, da sie zum Beispiel antibakterielle, antivirale oder pilzhemmende Wirkungen haben. Dies ist in Deutschland aber nur erlaubt, wenn sie von Ärzten oder Heilpraktikern verordnet werden.