Kaum sprießen die Pilze, zieht es die Sammler hinaus in die Welt der Krausen und Kappen. Die meisten stürzen sich  aber nur auf Steinpilze und  Pfifferlinge – ein Fehler.

Die wichtigste Regel

Essen Sie nur Pilze, die Sie absolut sicher kennen. Lassen Sie vorsichtshalber Ihre Pilzfunde von einem Experten wie einem Pilzsachverständigen prüfen. Wir übernehmen keine Haftung und keine Gewähr für die inhaltliche und sachliche Richtigkeit, Genauigkeit und Zuverlässigkeit dieser Angaben und Abbildungen.

Lassen Sie sich nicht von furchterregenden Namen erschrecken. Der Flockenstielige Hexenröhrling, die Totentrompete und die Blutrotfleckende Koralle haben zwar gruselige Namen, schmecken aber herausragend. Damit Sie gewappnet sind und wissen, wann sich das Zugreifen lohnt, hier einige ­sichere Erkennungsmerkmale:

Die Blutrotfleckende Koralle (Ramaria sanguinea) verfärbt sich, sobald man sie erntet, an der Basis dunkelkarminrot. Das ist ihr wichtigstes Merkmal, um sie von ähnlichen, teilweise giftigen Korallenpilzen zu unterscheiden. Roh ist sie tatsächlich giftig, kross angebraten aber ein unvergleichlicher Genuss. Der Haken: Sie ist, wie die meisten anderen Korallenpilzarten auch, nur selten zu finden und daher zu schonen.

Totentrompeten Craterellus cornucopioides

Geraldine Friedrich

Bei Totentrompeten (Craterellus cornucopioides) handelt es sich um gute Speisepilze der Familie der Pfifferlingsverwandten.
Pfifferling (Cantharellus cibarius) und Totentrompete (Craterellus cornucopioides)

Jörg Batschi

Pfifferling (Cantharellus cibarius) und Totentrompete (Craterellus cornucopioides).
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Die düster anmutende Totentrompete heißt so, weil ihre Form an das Instrument erinnert und sie grau bis schwarz gefärbt ist. Sie galt lange als „Trüffel der Armen“. Als Würzpilz eignet sie sich gut zum Trocknen, lässt sich aber frisch auch als Zugabe für ein Risotto verwenden. Totentrompeten wachsen im Oktober und November in Laub- oder Laubmischwäldern, vorrangig auf Kalkböden unter Buchen und Eichen. In manchen Jahren treten sie massenhaft auf, in anderen fehlen sie ganz. Die Toten­trompete ist eng verwandt mit dem Pfifferling, der seinen Namen dank seines pfeffrigen Geschmacks bekommen hat. Übrigens: Sämtliche deutsche Pilznamen sind sogenannte Trivial­namen, die nicht überall gleich lauten. Eindeutig zuzuordnen sind immer nur die lateinischen Namen.

Flockenstieliger Hexenröhrling Neoboletus luridiformis

Jörg Batschi

Ein Flockenstieliger Hexenröhrling (Neoboletus luridiformis), deutlich zu erkennen an den roten Flöckchen auf dem Stiel.
Netzstieliger Hexenröhrling Boletus luridus

Jörg Batschi

Der Netzstielige Hexenröhrling (Boletus luridus) ist auch ein guter Speisepilz.
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Die deutsche Endung „ling“ bedeutet bei Pilzen übrigens immer „sowie“ oder „macht etwas wie“. Der Flockenstielige Hexenröhrling verfärbt sich an verletzten Stellen binnen Sekunden tief dunkelblau, weshalb er früher als verhext galt. Für Pilzkenner ist er in Scheiben geschnitten und knusprig angebraten eine Delikatesse, die mit dem Geschmack des Steinpilzes locker mithalten kann. Sein festes Fleisch schmeckt nussig und sein Fruchtkörper ist im Unterschied zum Steinpilz selten von Maden zerfressen. Hexenröhrlinge finden sich auf sauren Waldböden, häufig da, wo auch Heidelbeeren wachsen. Sie erscheinen bereits Anfang Mai und sprießen noch bis November. Auf den ersten Blick ähnelt der Hexenröhrling dem ungenießbaren Schönfußröhrling; Letzterer hat aber keine roten Poren, sondern gelbe. Der Netzstielige Hexen­röhrling hat ein rotes Netz auf dem Stiel, er ist grundsätzlich essbar. Noch nicht ganz geklärt ist, ob er bei gleichzeitigem Alkoholgenuss Giftreaktionen auslöst.

Schopftintling (Coprinus comatus)

Jörg Batschi

Auch Schopftintlinge (Coprinus comatus) sind essbar.
Maronenröhrling (Xerocomus badius)

Jörg Batschi

Der Maronenröhrling (Xerocomus badius).
Steinpilz Boletus edulis

Jörg Batschi

Ein Steinpilz (Boletus edulis).
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Die Pilzarten Krause Glucke, auch Fette Henne genannt, Heringstäubling, Schleiereule und Kuhmaul sind ebenfalls gute Speisepilze. Sie haben tierische Namen, weil ihr Aussehen oder Geruch – mal eindeutig, mal braucht es viel Fantasie – Ähnlichkeiten mit dem Geruch des entsprechenden Tieres aufweist. Zum Beispiel riechen die Heringstäublinge wirklich nach Fisch, aber bei der Schleiereule erinnert vorwiegend das Muster an den Vogel. Die Krause Glucke ähnelt äußerlich eigentlich eher einem Schwamm.

Austernseitlinge (Pleurotus ostreatus)

Jörg Batschi

Austernseitlinge (Pleurotus ostreatus) auf einem Stamm.
Trompetenpfifferling Craterellus tubaeformis

Jörg Batschi

Trompetenpfifferlinge (Craterellus tubaeformis).
Fichtensteinpilze Boletus edulis

Jörg Batschi

Fichtensteinpilze (Boletus edulis) zählen zu den begehrtesten Speisepilzen, aber es lohnt sich auch, andere Arten zu sammeln.
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Wer eine findet, sollte den zerbrechlichen Fruchtkörper vorsichtig abschneiden, in zwei Zentimeter dicke Scheiben schneiden, anschließend mit heißem Wasser überbrühen und den Pilz erst dann reinigen. Das hat zwar den Nachteil, dass lebendige Pilzbewohner nicht immer entfliehen können, aber den Vorteil, dass die Glucke nicht schon bei der Zubereitung in tausend Teile zerbricht. Den Pilz sollte man mindestens zehn Minuten in Öl scharf anbraten. Die Krause Glucke (Sparassis crispa) wächst als Schwächeparasit ausschließlich am Fuß von Kiefern. Die ersten gibt es im Juli, die späten zeigen sich im November. Bei den mehrere Kilogramm schweren Rekord­exemplaren, die gerne mit Foto des Finders in Zeitungen gemeldet werden, handelt es sich übrigens oft um die weniger schmackhafte Breitblättrige Glucke (Sparassis laminosa).

Übrigens: Der Lieblingspilz der Deutschen ist der Champignon.

Kampf den Klischees: Pilze richtig sammeln

Falsch ist:

„Pilzgerichte darf man nicht aufwärmen.“ – Vermutlich entstand diese Ansicht dadurch, dass früher bereits zubereitete Pilze nicht ausreichend gekühlt und daher wieder aufgewärmt zu Übelkeit und Erbrechen führten. Das Gericht war jedoch wegen der falschen Lagerung verdorben, nicht weil es aus Pilzen bestand. Pilzgerichte können ohne Probleme bis zu 24 Stunden nach der Zubereitung wieder aufgewärmt und verspeist werden, wenn sie im Kühlschrank gelagert wurden.

„Giftige Pilze schmecken nicht.“ Wahlweise auch: „An giftige Pilze gehen keine Schnecken.“ – Der tödlich giftige Knollenblätterpilz schmeckt nach Auskunft Überlebender sehr lecker, und zwar nach Honig und nussig. Er wird ohne Probleme von Schnecken und sogar von Schweinen verzehrt, da Letztere über Enzyme verfügen, welche die hochgiftigen Amatoxine nicht in die Leber lassen.

„Giftige Pilze verfärben sich an Schnittstellen blau.“ – Viele der sehr guten Speisepilze wie der Flockenstielige Hexenröhrling und der Schwarzblauende Röhrling verfärben sich an ihren Schnittstellen tiefblau. Selbst der bekannte Maronenröhrling verfärbt sich bei Druck auf die Röhren entsprechend.

„Pilze schießen über Nacht aus dem Boden.“ – Diese Meinung entstand vermutlich dadurch, dass Sammler an Stellen Pilze finden, wo sie vor wenigen Tagen noch keine sahen. Am leichtesten entdecken Sie Pilze, wenn Sie extrem langsam gehen, am besten Hang aufwärts, zwischendurch stehen bleiben und den Boden fixieren. Festes Schuhwerk, Korb, Kondition und Geduld tragen zum Erfolg bei. Denn wer glaubt, er betritt einen Wald und die Pilze rufen laut „Hallo“, der irrt.

Speisepilz Heiderotkappe Leccinum versipelle

Geraldine Friedrich

Die Heiderotkappe (Leccinumversipelle).

Richtig ist:

„Pilze sind roh unverträglich.“ – Bis auf wenige Ausnahmen wie Kulturchampignons und Steinpilze sollte man alle Arten ausreichend garen, das heißt in der Regel zwischen 10 und 15 Minuten anbraten oder andünsten. Einige essbare Arten sind roh sogar giftig. Dazu gehören der Perlpilz, der Netzstielige Hexenröhrling, die Krause Glucke, die Blutrotfleckende Koralle und sämtliche Morchelarten.

„Pilze nicht in der Plastiktüte sammeln.“ – Da Pilze hauptsächlich aus Wasser und zu zwei bis vier Prozent aus Eiweiß bestehen, zersetzen sie sich schnell, in einer luftdichten Plastiktüte umso schneller. Geeignete Sammelbehälter sind der klassische Rotkäppchen-Weidenkorb oder ein Spankorb, in dem vorher Obst war. Bei unvermuteten Pilzfunden hilft auch der zusammengeknotete Baumwollpullover.

„Ältere Exemplare bitte stehen lassen.“ – Die älteren Pilze tragen die reifen Sporen und sind daher wichtig für die Fortpflanzung. Zudem entstehen die meisten Vergiftungen durch zu alte Pilze. Als Faustregel bei Röhrlingen gilt: Drückt der Sammler mit dem Finger auf den Hut und bleibt eine Delle zurück, ist der Pilz zu alt.

„Pilze sind keine Pflanzen, daher haben sie auch keine Wurzeln.“ – Pilze bestehen hauptsächlich aus einem sogenannten Myzel. Aus dem entwickeln sich an unterschiedlichen Stellen die Fruchtkörper, der für uns interessante Teil. Ob der Sammler den Pilz abschneidet oder herausdreht, ist also egal, denn er wächst nicht nach, wie ein abgeschnittener Baumstumpf.