Wein ist nicht gleich Wein. Das klingt selbstverständlich? Es gilt aber nicht nur für den Geschmack. Auch die Widerstandsfähigkeit einer Rebe spielt eine Rolle.
Weniger Chemie, mehr Gesundheit: Ein Prosit auf die Zukunftsweine
Kennen Sie schon PIWI? Nie gehört? Hinter dem Kürzel, das wie ein Vogel aus Neuseeland klingt, steht ein sperriger Begriff: „Pilzwiderstandsfähige Rebsorten“. Sie entstehen, wenn Edelsorten wie Riesling, Sauvignon blanc, Cabernet Sauvignon etc. mit einer resistenten Rebsorte, einer Wildart, gekreuzt werden, die aus Amerika oder Asien stammen kann.
Das Resultat sind resistente Kreuzungen, die entsprechend nur wenig oder im Idealfall keinen Pflanzenschutz mehr benötigen. Wenn man es genau bedenkt, ermöglichen diese Rebzüchtungen einen ganz neuen Ansatz. Deshalb werden sie immer öfter als „Zukunftsweine“ und als „Pionierweine“ bezeichnet.
Sauber in die Zukunft
Viele Winzer machen sich stark für die neuen Weine. In Deutschland hat sich der Anbau von biologischem Wein in den letzten zehn Jahren immerhin verdreifacht und die EU hat einen „Green Deal“ abgeschlossen, das heißt, dass bis 2030 rund ein Viertel der landwirtschaftlichen Fläche (wozu auch der Wein gehört) ökologisch bearbeitet werden soll.
PIWI-Weine von Andrea Berg aus Aspach
Werbehinweis
Die Winzer verzichten insgesamt öfter auf synthetische Dünger und chemische Spritzmittel. Nicht zuletzt spüren sie im Rebberg auch die steigenden Preise, ob bei Pflanzenschutz oder bei den Sprit- und Energiekosten. Auch deshalb rücken PIWIs vermehrt in den Fokus. Im Moment machen die Sorten circa drei Prozent der gesamten Rebfläche in Deutschland aus, aber mit steigender Tendenz. Die Erzeuger können ihre Ökobilanz verbessern und sind gleichzeitig geschützter gegen Ernteausfälle durch Pilzbefall von echtem oder falschem Mehltau oder Grauschimmel.
In schwer zu bearbeitenden steilen Lagen bieten sich die widerstandsfähigen Rebsorten ganz besonders an. So hat etwa das Weingut Kuhnle in Weinstadt-Strümpfelbach schon vor 15 Jahren in den aufwendig zu bearbeitenden Lagen auf PIWIs gesetzt und bietet mittlerweile ein vielseitiges Sortiment von Cabernet blanc, Muscaris, Souvignier gris bis zur roten Sorte Regent an.
Mir persönlich sagen die weißen Sorten derzeit mehr zu als die roten Sorten.
Auf Schönung verzichtet
In Berliner Weinbars sind die sogenannten Naturweine hipp und angesagt. Die Idee dahinter ist, so wenig wie möglich einzugreifen. Die Trauben sind teilweise über einen längeren Zeitraum mit dem Saft in Kontakt, um noch mehr Aromen, aber auch Phenole aus den Traubenschalen und Kernen aufzunehmen. So erhalten die Weine mehr Biss, Würze und Eigenständigkeit und kommen oft mit wenig oder sogar ganz ohne Schwefel aus.
Die Weine bleiben überdies meist über einen langen Zeitraum auf der Hefe, die sie frisch hält und als Stabilisator agiert. Auf Schönung wird ebenso verzichtet, wie auf den Einsatz von Reinzuchthefen. Für viele Winzer liegt es nahe, für ebensolche Naturweine vorzugsweise PIWIs einzusetzen. In den letzten Jahren hat sich beispielsweise das Weingut Schmidt in Eichstetten mit solchen eigenständigen Weinen einen hervorragenden Namen gemacht.
Ein Hemmschuh …
Wenn man mit den Winzern spricht wird schnell klar, dass die noch unbekannten Namen dieser neuen Rebsorten – wie Helios, Johanniter oder Monarch – ein Hemmschuh sind. Auf den Weingütern können die Wengerter ihren Kunden die Vorzüge der neuen Rebsorten zwar erklären, aber im Handel gestaltet sich das etwas schwieriger. Wer greift schon spontan zu einer Weinflasche, wenn ihm die Namen der Rebsorten auf dem Etikett völlig unbekannt sind und er noch nie zuvor davon gehört hat?
Etwas leichter tun sich die neuen Sorten, wenn sie eine Moderebsorte im Namen haben, wie Cabernet blanc, Sauvignac oder Souvignier gris. Schlussendlich müssen diese Zukunftsweine mehr kommuniziert werden, damit der Verbraucher die Vorzüge überhaupt erkennt und sich sicherer fühlt.
Woher kommen aber diese neuen Kreuzungen? Neben Valentin Blattner aus der Schweiz ist der wichtigste Mann Ernst Weinmann, Referatsleiter Weinbau vom Versuchswesen des Staatlichen Weinbauinstituts Freiburg. Mit circa 80 Leuten in der Forschung ist das Institut mittlerweile einer der größten Ausbildungsbetriebe in Baden-Württemberg.
Über 40 Jahre widmen sie sich dort der Züchtung von Bioreben. Mit strahlenden Augen erzählt Ernst Weinmann, dass die pilzwiderstandsfähigen Rebsorten derzeit auch einen großen Boom in Dänemark, Tschechien, Holland, Polen, der Schweiz, Österreich und England erfahren.
► Ergebnisse: Best of Freiburger PIWIs 2023 (Staatliches Weinbauinstitut Freiburg)
Neben der Resistenz können die Züchter auch auf weitere Faktoren der Umwelt eingehen. Wenn beispielsweise durch den Klimawandel mit seinen heißen Sommern die Trauben immer früher reif werden, dürfen neue Züchtungen auf einer längeren Reifeperiode basieren. Oder das Geschmacksbild, etwa die exotische Fruchtigkeit eines Sauvignon blanc, kann noch verstärkt werden.
Alles in allem ist es eine sehr aufwendige Geschichte, solche resistenten Rebsorten zu kreuzen, es dauert manchmal über Jahrzehnte, bis sie offiziell zugelassen werden. Aber die Mühe lohnt sich – auch gerade für die Umwelt.
Natalie Lumpp
Die Baden-Badenerin Natalie Lumpp hat als Sommelière in renommierten Restaurants wie der Traube Tonbach in Baiersbronn den Gästen die besten Tropfen empfohlen und kredenzt. Heute ist sie als freie Weinberaterin tätig, sie schreibt Kolumnen und gibt ihr Wissen als Weinexpertin auch im Fernsehen weiter – und in Mein Ländle.
Werbehinweis