Diese Insel hat wirklich beides: Eine fast schon mediterrane Leichtigkeit und eine große spirituelle und kulturelle Tiefe. Seit dem Jahr 2000 gehört die Klosterinsel Reichenau zum Weltkulturerbe der UNESCO.

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Ihren Ruf als Gemüseinsel hat sie zurecht: Die Reichenau-Gemüse eG mit ihren rund 170 Mitgliedern auf der Insel Reichenau und den Gärtnersiedlungen in Singen/Beuren, Aach und Mühlingen „ackern“ täglich für unser leibliches Wohl und frische, hochwertige Lebensmittel.

Video: Wir für euch – Gemüse Reichenau

Mit rund 16.000 Tonnen Frischgemüse im Jahr, davon über einem Drittel in Bio-Qualität, versorgen die Gemüseerzeuger der Insel Reichenau und der Gärtnersiedlungen die Menschen in der Region mit hochwertigen sicheren Gemüseprodukten.

Nach der ersten Hauptkultur - den Salaten, startet man mit dem Fruchtgemüse, vor allem mit Paprika, Gurken und ab Ende Mai/Anfang Juni mit größeren Mengen Tomaten. Darüber hinaus hält die Genossenschaft ein Sortiment mit über 70 verschiedenen Gemüsesorten, davon ca. 30 Artikel in Bio-Qualität für die Menschen bereit. Zu finden gibt es das Reichenauer Gemüse im Lebensmittelfachhandel, Naturkostfachhandel und auf Wochenmärkten.

Der Gemüseanbau ist auf der Reichenau seit Jahrhunderten verwurzelt. Bereits im Mittelalter entstand im Kloster ein Kräutergarten zur Selbstversorgung der Mönche, der als Ursprung des Gemüsebaus auf der Insel gilt.

Guide Uwe Anker ist Gästeführer auf der Insel Reichenau

TMBW/Raatz

Guide Uwe Anker führt über die Welterbeinsel.

Klösterliche Tradition auf der Reichenau bietet Seelennahrung

Gästeführer Uwe Anker ist überzeugt, dass es beim Weltkulturerbe nicht nur um die Architektur ihrer drei berühmten Kirchen geht, sondern auch um die bis heute gelebte Alltagskultur, die teilweise noch in der klösterlichen Tradition steht.

Der Katholik ist auf der Reichenau aufgewachsen und kann sich ein Leben woanders gar nicht vorstellen. Als Pfarrgemeinderat, Chorsänger und Leiter des Bildungswerks engagiert er sich persönlich dafür, dass der Glaube lebendig bleibt. „Wir haben drei religiöse Inselfeiertage, die begangen werden“, erzählt er und ergänzt: „Im Mittelalter war die Reichenau eine Zeit lang das geistliche Zentrum des Heiligen Römischen Reichs.“

Video: Klostergarten und Gemüseanbau: Die Insel Reichenau

Die Reichenau-Gemüse eG ist in Sachen Bio eine der führenden Erzeugerorganisationen in Deutschland

In der heute bekannten Form besteht der Gemüsebau auf der Insel Reichenau seit über 100 Jahren und auf dem Festland, im schönen Hegau, sind die Reichenauer Gärtner bereits seit 10 Jahren in den Gärtnersiedlungen aktiv. Auf der Gemüseinsel werden ca. 80 ha Freilandfläche und 40 ha Gewächshäuser bewirtschaftet. Auf dem Festland sind es ca. 18 ha Freilandfläche und 14 ha Gewächshäuser.

Aktuell hat die Erzeugergenossenschaft rund 60 Mitgliedsbetriebe, alles Familienbetriebe, die von Generation zu Generation weitergeführt werden und so eine lange Tradition, verbunden mit hoher gärtnerischer Kompetenz, haben. Sie haben sich zum Zweck der Vermarktung in einer eigenen Genossenschaft, der Reichenau-Gemüse eG, organisiert.

Neben der umweltfreundlichen integrierten Produktion im Boden oder in Topfkulturen spielt der ökologische Anbau, kurz Bio-Anbau genannt, eine sehr wichtige Rolle. Kurze Transportwege und eine optimale Vermarktung garantieren frische, regionale Produkte in den Verkaufsregalen – und das schmeckt man!

Video: Reichenau-Gemüse eG – Der Film (24 Min.)

Bio-Anbau von der Reichenau

Gemüse von der Insel Reichenau – das steht schon seit Jahrzehnten für eine naturnahe Erzeugung von Gemüse. Grundlage ist der integriert kontrollierte Anbau. Hierunter fällt auch eine bedarfsgerechte Düngung, basierend auf aktuellen Analyseergebnissen von Bodenproben, der Einsatz von Nutzinsekten gegen Schädlinge oder beispielsweise die Verwendung von besonders widerstandsfähigem Saatgut bzw. Sorten. Die Reichenau-Gemüse eG und die Gärtner haben den Trend nach frischem regionalem Bio-Gemüse erkannt und weitere Schritte hin zu einem noch ökologischeren Anbau beschritten.

So einfach von heute auf morgen auf Bio-Anbau umzustellen, ist nicht möglich. Erst nach einer zweijährigen Umstellungszeit sind die Flächen anerkannt und die erzeugten Gemüseprodukte dürfen als Reichenauer Bio-Gemüse vermarktet werden. Darüber hinaus sind die Anforderungen der Bio-Anbauverbände, Bioland und Naturland an den Anbau sehr streng und liegen über dem EU Biolabel.

Video 21 Tomatensorten auf der Reichenau

Laut dem deutschen Bio-Spitzenverband, Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft, kurz BÖLW liegt der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche in Deutschland bei 8,2 %, Tendenz steigend. In der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und im Koalitionsvertrag ist das Ziel festgeschrieben, 20 % der landwirtschaftlichen Flächen bis zum Jahr 2030 ökologisch zu bewirtschaften.

Vor diesem Hintergrund stellt der Reichenauer Wert mit einem Drittel, einen absoluten Spitzenwert dar. 2020 lag der Bio-Anteil der Erzeugnisse der Insel Reichenau bei 40%, 2021 wurde er auf 50% erhöht.

Video: Bioanbau - Reichenau-Gemüse eG

Von den 30 Bio-Produkten machen die Bio-Gurken und die Bio-Tomaten in verschiedenen Ausprägungen den Löwenanteil aus. Danach kommen Bio-Kräuter und Bio-Radieschen. Der Schwerpunkt des Bio-Anbaus liegt in den Gärtnersiedlungen auf dem Festland im Hegau, nahe der Gemüseinsel. Die Erzeugung von Bio-Kräutern findet hingegen ausschließlich auf der Gemüseinsel statt.  

Die Gärtnersiedlung im Hegau ist die größte Gewächshausanlage in Baden-Württemberg. 2017 wurde dort das größte und modernste Bio-Gewächshaus Deutschlands eingeweiht.

Video: Reichenauer Gärtnersiedlung

Dass die Insel Reichenau im Bodensee einst ein geistliches Zentrum war, kann man sich gar nicht so recht vorstellen. Diese vom Gemüseanbau geprägte Insel wirkt so klein und idyllisch.

Man muss weit in die Vergangenheit reisen, um das besser zu verstehen: Im Jahr 724 gründete ein gewisser Pirmin auf der Insel Reichenau das erste Benediktinerkloster auf deutschem Boden. Seine Nachfolger wurden mächtige Kirchenmänner, hatten mitunter den Posten des Erzkanzlers des Reiches und des Erzbischofs von Mainz in Personalunion inne.

Kirchen auf der Insel Reichenau

Drei eindrucksvolle Kirchen erbauten die Mönche auf der Reichenau – St. Maria und Markus in Mittelzell, St. Peter und Paul in Niederzell und St. Georg in Oberzell. Und jede von ihnen birgt einzigartige Kulturschätze wie die Heiligblutreliquie im Münster St. Maria und Markus, das Apsisgemälde aus dem 11. Jahrhundert in St. Peter und Paul oder den noch älteren riesigen Bilderzyklus mit Szenen aus dem Leben Jesu in St. Georg.

Es macht Freude, mit Uwe Anker die klösterliche Vergangenheit der Insel zu erkunden, die seit ein paar Jahren auch wieder eine bescheidene Zukunft hat: Drei Benediktiner und zwei  Schwestern sind auf die Reichenau gekommen. Sie leben in der kleinen Cella St. Benedikt und lassen mit ihren Stundengebeten und Gottesdiensten alte Traditionen aufleben.

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Kirche St. Georg auf der Reichenau

TMBW/Raatz

In St. Georg findet sich ein Bilderzyklus aus dem 10. Jahrhundert mit Szenen aus dem Leben Jesu.

Ein uralter Kräutergarten auf der Reichenau

Zwei Orte auf der Gemüse-Insel mag Uwe Anker besonders: zum einen den Aussichtspunkt Hochwart in der Inselmitte. Von dort genießt man wunderbare Blicke auf die Reichenau, kann bis zum Schweizer Ufer und bis nach Konstanz schauen. Außerdem gibt’s dort oben die Werkgalerie, die Kunst, Keramik und Kaffee ebenso anbietet wie schattige Plätze im Café-Garten.

Zum anderen streift der gläubige Katholik und Naturmensch gern durch Strabos Kräutergarten, der ursprünglich schon um etwa 840 von einem Abt namens Walahfrid Strabo angelegt wurde. Strabos Kräutergarten ist so etwas wie der Archetyp eines klösterlichen Kräutergartens. Und in seinem Gedicht Hortulus erklärte der Abt die Wirkung der Heilpflanzen – es gilt als das erste Gartenbuch überhaupt. Der heutige Kräutergarten zwischen Münster und Bodenseeufer ist dem Original von einst nachgepflanzt und für Interessierte frei zugänglich.

Kirche St. Peter und Paul auf der Reichenau

TMBW/Raatz

Die Kirche St. Peter und Paul mit dem berühmten Apsisgemälde.

Neue Wertschätzung für nachhaltig erzeugtes regionales Frischgemüse

Johannes Bliestle, Geschäftsführer der Reichenau-Gemüse eG, sieht mit großer Freude, dass die Menschen wieder mehr selbst kochen: „Der neue Trend zum Kochen am eigenen Herd führt dazu, dass sehr viele Verbraucher die Zusammenhänge zwischen der Nähe des nachhaltigen Anbaus, einer exzellenten Lieferlogistik über wenige Stunden und topfrische Gemüse-Spezialitäten, sehr oft in Bio-Qualität, entlang des Saisonkalenders neu für sich entdecken und wertschätzen!“

Das touristisch bekannte Bodenseegebiet ist die Wiege einer in Europa einzigartigen Gemüseinsel. Die idealen klimatischen Bedingungen, die humusreichen, fruchtbaren Böden, das Engagement und die Qualifikation der Gemüsegärtner sowie die moderne genossenschaftliche Vermarktung führen zum Ruf der Reichenau als Gemüseinsel.