Wenn ein Mensch stirbt, durchlaufen die Hinterbliebenen verschiedene Phasen der Trauer. Über die Jahrzehnte hinweg wurden unterschiedliche Modelle entwickelt, die diese Phasen beschreiben. Eine Studie*, über die Sie hier mehr lesen können, hat gezeigt, dass traditionelle Rituale wie die Trauerfeier, der Leichenschmaus oder das Aufgeben einer Traueranzeige Trauernden zwar durchaus helfen können, ihren Verlust zu bewältigen. Als viel hilfreicher aber empfinden viele Menschen persönliche Rituale, zu denen sie selbst in der Auseinandersetzung mit ihrer Trauer gefunden haben.

Weniger Trauer, mehr Trost. Weniger tabuisieren, mehr thematisieren

Die Trauer- und Bestattungskultur befindet sich in einem Wandel. Die aktuelle Jenseitsstudie zeigt, wie wir uns den Abschied wünschen. Verlustgefühle und der Umgang mit Trauer sind sehr individuell – die Rituale der Verlustbewältigung hingegen folgen oft erkennbaren Mustern.

Grabmalskulptur trauernder Engel

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Die Erinnerung bleibt. Mit der Zeit ändert sich der Schmerz und der Verlust wird akzeptiert und integriert.

Phase 1: Unfassbare Schockstarre

Der Tod bricht als fundamentaler Schock ins Leben ein. Wie ein schwarzes Loch stellt er den kompletten Alltag grundsätzlich in Frage. Die Hinterbliebenen sind handlungsunfähig, fühlen sich machtlos und ausgeliefert.

Phase 2: Verlust aushalten

Trauer und Schmerz dominieren die Gefühlswelt der Hinterbliebenen. Oft wird diese Phase auch als emotionale Leere beschrieben. Die Trauernden sind zunächst nicht in der Lage, sich mit dem Schmerz über den erlittenen Verlust auseinanderzusetzen. Dies führt dazu, dass sie beispielsweise den Pflichten des Alltags wie getrieben nachkommen, um den Todesfall zu verdrängen, oder dass sie ihre eigenen Gefühle herunterspielen und so leugnen, was vorgefallen ist. Ein Leugnen funktioniert jedoch nicht dauerhaft. Stattdessen beginnen die Trauernden, bewusst schmerzhafte Situationen herbeizuführen.

Schmerzrituale

Schmerzrituale füllen die emotionale Leere mit konkreten Handlungen: Viele Hinterbliebene konfrontieren sich durch das Anschauen, Berühren oder Riechen an Erinnerungsstücken mit dem Verlust. Sie vergegenwärtigen sich den Todesfall wiederholt, indem sie von ihm erzählen – so stirbt der Verstorbene vor dem geistigen Auge des Hinterbliebenen erneut, sein Tod wird dadurch verständlicher. Über den Toten zu reden, hält diesen jedoch gleichzeitig auch „lebendig“. Häufig geben sich Trauernde in dieser Phase selbstzerstörerischen Handlungen wie übermäßigem Alkoholkonsum, körperlicher Vernachlässigung oder Ähnlichem hin.

Im Ausführen der Rituale zeigen sich oft zwiespältige Gefühle gegenüber dem Verstorbenen. So fragen sich die Hinterbliebenen beispielsweise, ob sie „richtig“ trauern oder „genug“ leiden. Parallel dazu mischen sich in die Trauer aber auch Gefühle der Wut, weil der Tod als bewusstes Verlassenwerden empfunden wird. Oft leiden die Hinterbliebenen auch unter Schuldgefühlen und fragen sich: Habe ich genug getan, um zu helfen? Hätte ich den Tod verhindern können? Oder sie suchen die Schuld für den Todesfall bei anderen.

Phase 3: Verlust akzeptieren

In dieser Phase wird den Hinterbliebenen der Verlust schlagartig bewusst. Das ist meist mit einem prägenden Erlebnis verbunden, zum Beispiel der Aufbahrung. Dieses Erlebnis kommt nochmals dem Schock der Todesnachricht gleich.

Akzeptanzrituale

In diese Phase fallen Akzeptanzrituale wie die Trauerfeier und die Beerdigung bzw. Beisetzung, aber auch das Ritual des bewussten Abschiednehmens von Gegenständen des Verstorbenen. Letztere persönliche Form der Bewältigung empfinden die Trauernden als spontan, freiwillig und besonders hilfreich. Die Beerdigung hingegen kommt für viele Trauernde zu früh, da sie noch ganz in ihrem Schmerz gefangen sind. Daher empfinden sie die Beerdigung oft als absurd oder gar als gesellschaftlichen Zwang.

Phase 4: Verlust bewältigen

Im Tagesablauf geht es für den Trauernden darum, wieder handlungsfähig zu werden, um den Alltag aktiv zu gestalten. Dies wird möglich durch Trostrituale, die das absolute Ende relativieren. Durch unterschiedliche Arten, an den Toten zu erinnern, wird die Erinnerung an ihn wachgehalten.

Trostrituale

Zu den Trostritualen zählt etwa der traditionelle Leichenschmaus, bei dem durch Gespräche über den Verstorbenen die Beziehung zu ihm wieder neu belebt wird. Aber auch durch die quasi „direkte“ Ansprache des Verstorbenen bezieht man diesen aktiv in das Leben mit ein. Dieses Ritual hat die Hälfte der Befragten in den Alltag integriert. Zwei Drittel der Befragten geben zudem an, dem Verstorbenen einen Platz in der Wohnung gewidmet zu haben, den sie mit Fotos oder anderen Erinnerungsgegenständen gestalten. Und über die Hälfte der Hinterbliebenen nimmt Dinge wie Schmuck oder Kleidung zur Hand, die sie an den Verstorbenen erinnern.

Phase 5: Verlust integrieren – neue Impulse für den Alltag

Trauer und Schmerz treten zunehmend in den Hintergrund. Die Konfrontation mit dem Tod macht vielen Menschen die eigene Endlichkeit bewusst.

Erneuerungsrituale

Die Hinterbliebenen beginnen damit, Gewohnheiten oder Ansichten des Verstorbenen teilweise in das eigene Leben und den Alltag zu integrieren. Erneuerungsrituale bestehen für Trauernde oftmals auch darin, alte Projekte zu vollenden oder sich lange gehegte Wünsche zu erfüllen. Sie entwickeln neue Haltungen und Einstellungen gegenüber dem Leben. Und so wird schließlich ein Neuanfang möglich.

Phase 6: Unvermeidbarer Neuanfang

Die Trauernden erkennen, dass es – auch dem Verstorbenen zuliebe – mit dem eigenen Leben weitergehen muss. Eigene Ziele und Perspektiven rücken wieder in den Vordergrund: Aus der individuellen Krise gehen die Hinterbliebenen gestärkt hervor.

Bewältigung ist ein sich wiederholender Prozess

Die Verlustbewältigung ist ein sich wiederholender Prozess, den auch verschiedene Ereignisse im Jahr immer wieder neu in Gang bringen. Feiertage wie Weihnachten, der Geburtstag oder der Hochzeitstag stellen nicht nur im ersten Jahr nach dem Tod große emotionale Anforderungen an die Hinterbliebenen.

Am Todestag werden Gefühle und Reaktionen oft wieder so deutlich durchlebt, als wäre der Todesfall erst vor Kurzem eingetroffen. Der Bewältigungsprozess wird erneut angestoßen, jedoch in einer anderen Intensität durchlebt, bis es schließlich gelingt, den Tag in liebevollem Gedenken zu begehen.


* Studie im Auftrag der FriedWald GmbH Kantar.EMNID/A&B One Research „Wie trauern die Deutschen“ 2010/2017.