„Sans Frontières“ – Grenzenlos für Frieden und Freiheit“. Ein Credo, das - wortwörtlich - nachhallt. Nach einem Tag, an dem Kontakte geknüpft, Initiativen gestartet und Grenzen überwunden wurden. Grenzen in der Gesellschaft, aber auch in der Kunst.
Die Rede ist vom Forum für gesellschaftlichen Zusammenhalt, das im vergangenen Oktober in Baden-Baden eine Bühne schaffte für Menschen, die sich aus eigenem Antrieb in der und für die Gesellschaft engagieren. Oft ganz uneigennützig, freiwillig und ohne Entlohnung – ehrenamtlich eben. Initiiert und erdacht wurde der „Tag des Ehrenamtes“, so der Untertitel der Veranstaltung, von Unternehmer und Verlagsinhaber Klaus Nussbaum, der an diesem 14. Oktober mit seinem Familienunternehmen Gastgeber im Festspielhaus Baden-Baden war. Von 10 bis 23 Uhr stand dieses so ganz im Zeichen des ehrenamtlichen Engagements, des gemeinschaftlichen Austausches und der Diskussion.
Video: Das Konzert in voller Länge
Video: Zusammenfassung des Forums für gesellschaftlichen Zusammenhalt bei Baden TV
Impressionen der Veranstaltung
Freude ohne Grenzen
Und zum großen Finale gab es Musik. Denn: „Musik ist die Sprache, die über alle Grenzen hinweg verstanden wird“, brachte es Schirmherrin Annette Schavan zu Beginn des großen Abendkonzerts auf den Punkt. Thematisch passend startet dieses mit der „Ode an die Freude“ aus Beethovens Neunter.
Kunstformen verschwimmen
Für den Abend hatte sich Regisseur Enno-Ilka Uhde eine besondere Crossover-Show ausgedacht: die verschiedenen Kunstformen scheinen zu verschwimmen. Studierende der Hochschule für Musik in Karlsruhe (HfM) spielen meist klassische Stücke, dann ist aber auch wieder John Lennon zu hören. Gleichzeitig werden Live-Bilder auf eine Leinwand projiziert und vermischen sich dort mit Animationen. Auf der Bühne bewegen sich Tänzer und stellen ihre ganz eigenen Geschichten dar. Dazwischen trägt Schauspieler und Tatort-Kommissar Richy Müller verschiedene Wortbeiträge ganz in Theatermanier vor.
Ein weiterer Höhepunkt: Der Auftritt einer traditionellen ukrainischen Tanzformation aus Lviv. Abgerundet wird die Kulisse von zwei Holzskulpturen des Künstlers Josef Lang. Damit wird gleichzeitig eine Brücke von der künstlerischen Gestaltung des Abends hin zu Nussbaum Medien geschlagen: Auf der Gartenschau Eppingen repräsentierten bereits mehrere Figuren von Lang die Ausstellungsfläche des Verlags, der dort als Medienpartner auftrat, seit September 2022 ziert eine seiner monumentalen Holzfiguren den Verlagsstandort in St. Leon-Rot.
Ein Gesamtkunstwerk
Alle diese Eindrücke und Kunstformen verschmelzen zu einem einzigen Gesamtkunstwerk, bei dem eines im Vordergrund steht: das Überwinden von Grenzen. Das fängt schon bei den Künstlern an, die aus den unterschiedlichsten Teilen der Welt stammen und an diesem Abend ein gemeinsames Werk zustande bringen. „Ich komme aus einem Land, in dem der Musik sehr viele Grenzen gesetzt werden. Und deshalb bin ich froh, heute hier in Deutschland sein zu können“, erzählt einer der Studierenden der HfM. Sein Studium wurde ihm durch ein Stipendium der Nussbaum Stiftung ermöglicht. Es sind gerade solche Geschichten, die für die Künstler, aber auch für viele Zuschauer ein verbindendes Element darstellen – das Überwinden von Grenzen, Zusammenhalt und gegenseitige Hilfe. Einen passenderen Abschluss für einen so erfolgreichen Tag dürfte es wohl nicht geben.
Radio-Feature: Vom Spielzimmer ins Festspielhaus
„Wie fang´ ich nach der Regel an?“ – „Ihr stellt sie selbst und folgt ihr dann.“ Was Richard Wagner in „Die Meistersinger von Nürnberg“ formulierte, klingt einfach, ist aber ganz schön kompliziert, wenn es um die Planung und Realisierung eines Konzerts geht, bei dem sich die Macher anschicken, ein Konzertformat zu entwickeln, das beispielhaft zeigen soll, wie ein Konzert der Zukunft aussehen könnte. Schlagzeugerin Leonie Klein war von Anfang an dabei. In ihrem Feature für den Deutschlandfunk beleuchtet sie die Entstehung von „Sans Frontières - Grenzenlos für Frieden und Freiheit“ von der ersten Idee über Gespräche mit den beteiligten Musiker:innen bis hin zum Schlussapplaus – von Enno-Ilka Uhdes Spielzimmer auf die große Bühne des Festspielhauses Baden-Baden.
Drei Fragen an Enno-Ilka Uhde
Zur Ausstrahlung des Konzerts haben wir mit Regisseur Prof. Enno-Ilka Uhde gesprochen und ihm drei Fragen gestellt.
LOKALMATADOR.DE (LM): Das Konzert “Sans Frontières” als Abschlusspunkt eines Tages rund um das Ehrenamt – wie passt das zusammen?
Enno-Ilka Uhde: Das Ehrenamt, wie wir es hier in Deutschland praktizieren, funktioniert nur in einem Land, in dem Frieden und Freiheit gelebt werden. Ein Land, das so gebaut ist, dass das Ehrenamt eigentlich Teil unseres ganzen politischen Systems ist. Zwar auf freiwilliger Basis, aber man muss von dem System und davon, dass es funktioniert, überzeugt sein. Das geht nur in Frieden und Freiheit. Und der künstlerische Ausdruck für Frieden und Freiheit zeigte sich an diesem Abend - das war sozusagen die emotionale Komponente. Musik stabilisiert den Halt mit den Inhalten der Texte. Gleichzeitig war das Ganze ein Bekenntnis zu der Vielfalt, die in Deutschland praktiziert wird: Bei den 150 Menschen, die am Konzert beteiligt waren, waren bestimmt 30 Nationen vertreten.
LM: 10 internationale Solistinnen und Solisten, ein Hornensemble, ein Knabenchor aus Calw, eine Tänzerin aus Tiflis, ein Tänzer aus Rio de Janeiro, ein Tanzensemble aus der Ukraine und ein Tatort-Darsteller – wie bekommt man das dramaturgisch unter einen Hut?
Uhde: Nun, das ist eben die Arbeit eines Künstlers und eines Regisseurs, das mit einer Produktionsfirma im Rücken monatelang zu durchdenken. Da müssen unendlich viele Anrufe gemacht werden, Musikrecherchen - das geht ja bis hin zu den Tonarten. Als Professor an der Hochschule für Musik kenne ich mich in der Musik aus und weiß, wie man an Inhalte kommt – aber dennoch muss in so einem Projekt an jedes Detail gedacht werden. Und wir haben das ja gleichzeitig in die Moderne geholt: Wir haben nicht nur ein Konzert vorne gemacht, wir haben die Freiheit auch gelebt, indem wir Konzertmusik und Visualisierung miteinander verbunden haben. Das heißt, die Künstler haben in der Tiefe eines Raums gewirkt. Dieser Raum war verbunden mit den beiden Holzfiguren, die eigentlich die menschliche Zugewandtheit und Offenheit verkörperten. Und die Visualisierung dahinter war ein unendlicher Raum, wir haben in diese Unendlichkeit der Freiheit gespielt.
LM: Was bedeutet Freiheit für Sie ganz persönlich?
Uhde: Freiheit ist die Zustimmung zu einer Lebensform, in der der Respekt vor anderen mit den eigenen, uneingeschränkten Möglichkeiten verbunden wird. Das heißt, es gibt zwei Formen von Freiheit: Eine Freiheit im Kopf, die nie jemand in irgendeiner Form beschneiden kann und die immer mit Möglichkeitsräumen ausgestaltet ist. In einer freien Gesellschaft muss es mir möglich sein, Dinge in die Realität einzupflanzen, die andere nicht beeinträchtigen. Das ist persönliche Freiheit. Und Freiheit ist natürlich auch die Freiheit zu lernen, zu studieren, zu reisen – eigentlich ganz einfache Dinge – und ein selbstbestimmtes Leben zu führen, jedoch immer im Respekt vor den Möglichkeiten anderer und eingeschränkt durch die Gesetze einer Gesellschaft, die "Checks & Balances" entwickelt hat, so, dass keiner machen kann, was er will.