Dafür gibt es gesalzene Gründe.

Jedes Mal, wenn ich hier bin, denke ich: „In dieser Stadt könnte ich auch leben.“ Und das liegt in erster Linie an den Leuten: Freundlich und herzlich sind sie, entgegenkommend und entschlossen, entwicklungsfreudig und vorausschauend. Es gibt mittelalterliche Fachwerkhäuser mit Geschichte und Geschichten, viel unterschiedliche Kultur und noch jede Menge Natur drumrum, eine lebendige Tradition und dennoch hochmoderne Entwicklungen diverser Weltmarktführer. In Schwäbisch Hall gibt es alles – und irgendwie scheint alles möglich zu sein. Sie merked scho: Ich bin wirklich mit Herz und Seele Esslingerin – aber gleich danach kommt Hall!

Vielleicht ist es die Größe und die Stellung im Umland: Schwäbisch Hall hat gut vierzigtausend Einwohner und ist ein sogenanntes Mittelzentrum in der Region Heilbronn-Franken. Das heißt, da gehen d’ Leut von drumrum zum „Eikaufa, Schaffe ond Eikehra“. Deshalb hat das Städtle auch jetzt in den Wintermonaten Januar und Februar seinen Charme: es lebt. In der überschaubaren und unglaublich verwinkelten Altstadt gibt’s so viele entzückende Lädle, ­Boutiquen und Wirtschäftle, die auch in kalten Wintermonaten ein wohliges Gefühl verbreiten.

Kocher in Schwäbisch Hall

Fotos: stock.adobe.com/cineberg

Alles im Fluss: Hier an der Kocher gehen mittelalterliche Architektur und moderne Kunst eine harmonische Verbindung ein.

Mein Highlight bei jedem Schwäbisch Hall-Besuch: der Schmandkuchen mit roter Grütze im Café am Markt. Ein Genuss? Awa, ein kulinarisches Vollbad, wenn Sie sich dieses Bild vorstellen können. Und auch das gibt’s ganzjährig, nicht nur in den Sommermonaten, wenn sich die große Treppe vor der Stadtkirche Sankt Michael in eine fantastische Kulisse verwandelt und stufensichere Schauspieler ihr Können präsentieren. Vom klassischen Drama bis zum modernen Musical bietet Hall im Sommer für jeden etwas. Im vergangenen Jahr gaben sie unter anderem „Hamlet“, „Sister Act“ und „Der kleine Horrorladen“. Die Bandbreite lässt sich sehen!

Freileichtspiele Schwäbisch Hall

Auch im Winter ist man im Neuen Globe Theater gut aufgehoben. Im Sommer wird zwar das Dach einfach zusammengeschoben, und der Besucher genießt Cabrio-Feeling. Dafür ist im Winter, wenn das Dach geschlossen ist und die 370 Zuschauenden im Rund ins Geschehen blicken, die Atmosphäre besonders kuschlig. Gerne gespielt werden Shakes­peare-Stücke: der englische Dramatiker hat ja genau solch ein Theater in London erbauen lassen. Eine tolle Erfahrung und ein fantastisches Haus!

Apropos: Wer seine winterliche Treppensteig-Übung vom Marktplatz hoch zu Sankt Michael vollbracht hat (b’sonders G’schickte besuchen die Kirche gleich ebenerdig und schreiten hernach die große Treppe hinunter), den erwartet ein buchstäblich ausgezeichnetes Gottes­haus: Als eines von nur 33 Bauwerken besitzt die Kirche Sankt Michael seit 2013 das Europäische Kulturerbe-­Siegel. Anno 1156, im Jahr nach der Kaiserkrönung des Staufers Friedrich Barbarossa, wurde sie geweiht. Aus dieser Zeit stehen nur noch die vier unteren Geschosse des romanischen Westturms. Von hier aus überblickt der Erzengel Michael als Hüter der Gerechtigkeit das Marktgeschehen und die Stadt. Ins Auge fallen überall in der Kirche zahlreiche Personendenkmale aus 500 Jahren. Sie dokumentieren Frömmigkeit, Reichtum und Kunstsinnigkeit der führenden Familien der alten Salzsiederstadt. Eine Führung offenbart diverse interessante Geheimnisse.

Andere Kunst gibt’s genau gegenüber, einmal über den Kocher, in der Kunsthalle Würth. Seit über zwanzig Jahren kommen Besucher – merke: kostenlos – in die Gemäldesammlung des bekannten Schraubenherstellers. Der Kunstmäzen ist der Meinung, dass Gemälde, Skulpturen und Installationen jedem zugänglich sein müssen, egal ob arm oder reich. Ein sehr sozialer Gedanke. Die Wechsel­ausstellungen sind der Hit und allein schon das Gebäude ist ein Erlebnis – das tolle Haus eines beeindruckenden Mannes. Planen Sie es auf jeden Fall ein bei Ihrem Schwäbisch-Hall-Besuch.

Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall

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Privates Kunstmuseum: Die Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall.

Die Kocherinseln Unterwöhrd und Grasbödele sind mit dem Haalplatz mit die wichtigsten Plätze der Stadt: Hier findet an Pfingsten immer das traditionelle Kuchen- und Brunnenfest statt. Über Jahrhunderte produzierten die Salzsieder das weiße Gold des Mittelalters. Durch den Handel wurde die Stadt wohlhabend und ist nicht zuletzt deshalb heute ein architektonisches Kleinod. Außerdem wurde genau hier der Heller als Zahlungsmittel erfunden, der lange Jahrhunderte Bestand hatte. Zum ausgiebigen Spaziergang, eventuell sogar bis zur Comburg, laden die Inseln allemal ein: Sie sind der perfekte Ausgangspunkt, um beide Seiten der Stadt zu erkunden. Ach, und vergessen Sie in der Fußgängerzone nicht den Besuch bei der schwäbisch-hällischen Erzeugergemeinschaft. Dort gibt’s alles rund um die zweifarbige Wutz. Alles glückliche Schweine – das schmeckt man.

Wer jetzt noch Zeit hat, dem schlag ich eine Zeitreise vor: Tauchen Sie ein in die Welt unserer Vorfahren, in einen Alltag ohne Strom und Telefon, Computer oder Fernsehen – finden Sie im reizvoll gelegenen Freilandmuseum Wackershofen vor den Toren Halls von Richtung Mainhardt kommend. 70 historische Gebäude aus der Region Württembergisch Franken wurden hierher umgesetzt und orginalgetreu eingerichtet. Vom Bauernhof über Werkstätten und Scheunen bis hin zu Kapelle, Schulhaus und Gefängnis. Natürlich gibt’s auch eine Wirtschaft zum Einkehren.

Ich hoffe, ich habe Ihnen Appetit gemacht auf eine lebendige Stadt mit mittelalterlichen Häusern, malerischen Gässle, Familiengeschichten, beeindruckender Kunst, auf das Leben der Vorfahren – und nicht zuletzt auf den Schmand­kuchen mit roter Grütze. Vielleicht sind wir ja am selben Tag vor Ort und treffen uns? Ich freu’ mich drauf!

Sonja Faber-Schrecklein

MEIN LÄNDLE

Sie kennt das Ländle wie ihre Westentasche: Sonja Faber-Schrecklein. Nicht nur durch ihre Arbeit als Journalistin und Moderatorin für den SWR, sondern auch ganz privat. Für Mein Ländle hat sie ihre schönsten Erlebnisse an den originellsten Plätzen gesammelt.

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